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Merkel, Bush und Probleme

Aarni Kuoppamäki4. Januar 2007

Die Bundeskanzlerin trifft in Washington den US-Präsidenten. Die Tagesordnung hat Umfang: Es soll um Wirtschaftspolitik, mehrere Brennpunkte im Nahen Osten und um Afghanistan gehen. Hat Merkel sich zuviel vorgenommen?

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Merkel und Bush - Bush energisch, Merkel mies gelaunt
Erstmals während der Doppelpräsidentschaft besucht Merkel die USABild: AP

Es ist ein Arbeitstreffen. Um 11 Uhr am Donnerstagvormittag (4.1.2007) empfängt Angela Merkel noch Sternsänger im Kanzleramt. Dann fliegt sie nach Washington für ein Gespräch und gemeinsames Abendessen mit US-Präsident George W. Bush. Laut der Internet-Seite des Weißen Hauses reden die Staatsoberhäupter über "das Fördern von Stabilität und Wiederaufbau in Afghanistan, das Vorantreiben des israelisch-palästinensischen Friedens, das Unterstützen der demokratisch gewählten Regierung des Libanon, das Hindern des Iran daran, die Fähigkeit zu entwickeln, Atomwaffen zu bauen, das Beenden der Gewalt in Darfur, das Bestimmen des endgültigen Status des Kosovo, das Fördern des Freihandels und weiterer transatlantischer wirtschaftlicher Integration und das Vorantreiben der Energiesicherheit."

Teure Autos in Produktion in China
Bei Daimler-Chrysler kooperieren Deutsche und AmisBild: AP

Bei Punkten, in denen sich Deutschland und die USA über gemeinsame Interessen einig sind, ist das Gespräch einfach. So sind Europa und die Vereinigten Staaten, was Direktinvestitionen anbelangt, schon jetzt der am stärksten vernetzte Wirtschaftsraum der Welt: US-Unternehmen legen zum Beispiel ihr Geld in Deutschland an und deutsche Unternehmen ihres in den USA. Tendenz steigend. "Unsere Wirtschaften haben eine gemeinsame Wertegrundlage", so Merkel in einem Interview der "Financial Times" (FT).

Zusammenarbeit verbessern

"Angela Merkel hat sich nicht zuviel vorgenommen", sagt Simon Koschut von der Gesellschaft für Auswärtige Politik. Am Montag (1.1.2007) übernahm Deutschland den Vorsitz in der Europäischen Union und der Gruppe der führenden Industrieländer (G8). Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten befindet sich im Schwebezustand, seit der Bericht der Baker-Kommission der US-Regierung einen Strategiewechsel im Irak nahe legte. Deshalb seien derzeit besonders viele wichtige Punkte abzustimmen, sagt Koschut. Merkel habe zwar durch die EU- und G8-Präsidentschaft keine höhere Handlungsgewalt, könne aber die Agenda der beiden Institutionen bestimmen. "Aber auch darin ist sie beschränkt", sagt Koschut. "Ohne die Vereinigten Staaten kann Merkel ihre Agenda nicht durchbringen."

Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter zu verbessern, sollen europäische und amerikanische Regulierungs- und Patentbehörden sich zukünftig absprechen um beispielsweise gemeinsame Zulassungskriterien für Elektrogeräte, Maschinen und Medizintechnik zu erlassen. "Ich glaube, unsere Volkswirtschaften könnten viel Kosten und Mühe sparen", so Merkel. "Wir stehen im selben, sehr harten Wettbewerb mit den asiatischen und in Zukunft auch mit den lateinamerikanischen Märkten." Mit Blick auf ebendiese Märkte sollen die Vereinigten Staaten und Europa zukünftig gemeinsam gegen Produktpiraterie vorgehen. Differenzen in wirtschaftlichen Fragen sieht Koschut bei Energiesicherheit und Klimaschutz: "Für die USA sind das zwei Seiten einer Medaille, auf deutscher Seite wird da mehr getrennt." Klimaschutz ist also in den Vereinigten Staaten wirtschaftlichen Beweggründen untergeordnet.

Wahlen oder das Demokratie-Quartett?

Ein deutscher ISAF-Soldat posiert mit Waffe und Sonnenbrille in Kabul
Die deutschen Soldaten sollen mehr kämpfenBild: picture-alliance/ dpa

Ernsthaftes Konfliktpotential zwischen Merkel und Bush sieht Koschut im Bereich Sicherheit. So möchten die USA im Afghanistan die Kampfoperation "Enduring Freedom" mit der Stabilisierungs- und Aufbaumission "ISAF" zusammenführen. "Daran haben Deutschland und die EU überhaupt kein Interesse", sagt Koschut. Außerdem sei die Frage zu diskutieren, in wieweit Deutschland bereit sei, das Mandat für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan auf den gefährlicheren Süden des Landes auszudehnen. Im Irak-Konflikt hat selbst die US-Regierung sich noch nicht offiziell zu einer zukünftigen Linie bekannt.

Angela Merkel erklärte im FT-Interview, im Nahen Osten sei "nur gemeinsam mit den Amerikanern" etwas zu bewegen. Das langfristige Ziel ist die Etablierung stabiler Demokratien. Wie man ein Land erfolgreich demokratisiert, ist jedoch Gegenstand von Diskussionen. "Die Amerikaner meinen, Demokratie entsteht durch Wahlen", sagt Koschut. "Dass das nicht so ist, haben wir bei den Palästinenserwahlen gesehen, als die radikale Hamas an die Macht gewählt wurde. Aus deutscher Sicht muss eine Demokratie zunächst durch Institutionen und politische Strukturen gestärkt werden." Darum will Merkel das Nahost-Quartett aus Europäischer Union, den Vereinigten Staaten, den Vereinten Nationen und Russland wieder beleben, um Lösungsansätze für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden. Bisher sträuben sich dagegen die Vereinigten Staaten.

Keine Wunder

Ob Transatlantik- oder Nahost Frage: Während der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft hält Angela Merkel viele Fäden in der Hand. Dass sie sich darin verheddert, glaubt Koschut nicht. Merkel werde die stärksten Akzente nicht bei den derzeit unlösbaren Problemen setzen. "Sie weiß, dass sie in einem halben oder ganzen Jahr keine Wunder vollbringen kann." Konkrete Ergebnisse erwartet Koschut von dem Treffen in Washington nicht, schließlich gibt es einen EU-USA-Gipfel im April und den G8-Gipfel im Juni. "Merkel will ausloten, was sie gemeinsam mit den USA umsetzen kann", sagt Koschut. Denn wenn beide Länder zusammen arbeiten, ist das schon eine starke Kraft."