1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel entzieht Umweltminister Röttgen ihr Vertrauen

Marcel Fürstenau16. Mai 2012

Die Bundeskanzlerin trennt sich von ihrem einstigen Hoffnungsträger, Umweltminister Norbert Röttgen. Sein Nachfolger steht bereits fest. Oppositionsparteien halten die Regierungschefin für geschwächt.

https://p.dw.com/p/14wkH
Berlin/ ARCHIV: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) geht in Berlin im Konrad-Adenauer-Haus zur Sitzung des CDU-Präsidiums (Foto vom 13.09.10).
Bild: dapd

Erstmals hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Entlassung eines Kabinettsmitglieds von sich aus veranlasst. Sie habe Bundespräsident Joachim Gauck gebeten, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (ebenfalls CDU) von seinen Aufgaben zu entbinden, sagte die Regierungschefin am Mittwoch (16.05.2012) im Berliner Kanzleramt. Gemäß Grundgesetz werden Minister vom Staatsoberhaupt ernannt und entlassen. Frühere Kabinettsumbildungen unter Merkel waren stets im Einvernehmen mit den Betroffenen erfolgt. So wechselte 2011 Philipp Rösler vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium und löste Rainer Brüderle (beide FDP) ab.

Merkels Erklärung zur Röttgen-Entlassung - MP3-Mono

Die äußeren Umstände der Entlassung Röttgens lassen vermuten, dass Merkels Parteifreund gerne im Amt geblieben wäre. Noch am Montag hatte er verkündet, Umweltminister bleiben zu wollen. Tags zuvor hatte er seinen Rückzug vom CDU-Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen angekündigt. Auslöser war die Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl. Mit Röttgen als Spitzenkandidat landete die CDU bei 26,3 Prozent und erzielte damit ihr historisch schlechtestes Ergebnis im mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland.

Gute Miene zum schlechten Wahlergebnis: Angela Merkel lächelt, Norbert Röttgen schmunzelt - und das am Tag nach der Wahl. (Foto: REUTERS / Fabrizio Bensch)
Ende der Gemeinsamkeit: Angela Merkel und Norbert Röttgen am Tag nach der Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen.Bild: Reuters

Das Ausmaß der Niederlage kreideten parteiinterne Kritiker Röttgen persönlich an, der die Wahl auch zur Abstimmung über Angela Merkels Kurs in der europäischen Staatsschuldenkrise erklärt hatte. Dadurch war der Eindruck entstanden, er wolle die Verantwortung für die sich abzeichnende Niederlage der Kanzlerin in die Schuhe schieben. Das Vertrauensverhältnis zwischen Merkel und dem 46-jährigen ehemaligen Hoffnungsträger der Konservativen galt seitdem als zerrüttet.

CDU-Politiker Peter Altmaier soll Nachfolger werden

Zum Abschied dankte die Bundeskanzlerin ihrem entlassenen Umweltminister für seine Arbeit, insbesondere für sein klimapolitisches Engagement, "gerade auch im internationalen Bereich". Die Energiewende sei ein zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode, die Grundlagen dafür seien gelegt worden, "aber wir haben noch ein Stück Arbeit vor uns", ergänzte die Regierungschefin. Als Nachfolger schlug Merkel den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, vor. Sie kenne ihn lange, schätze seine Arbeit und sei sich sicher, dass er sich der neuen Aufgabe "mit voller Kraft" zuwenden werde.

Der designierte Bundesumweltminister Peter Altmaier während eines Interviews mit Radio- und TV-Reportern, die ihre Mikrofone hinhalten. (Foto: EPA / VORANC VOGEL)
Der Neue: Peter AltmaierBild: picture-alliance/ dpa

Altmaier selbst äußerte sich kurz nach Röttgens Entlassung über den Kurznachrichtendienst Twitter zu seiner künftigen Aufgabe: "Danke an Alle für die Glückwünsche zu meiner Berufung als Umweltminister. Ich brauche Ihre/Eure Unterstützung jetzt erst recht!"

Opposition hegt Zweifel an der Energiewende

Das Echo auf Merkels Kabinettsumbildung fiel unterschiedlich aus. Ihr Stellvertreter als Bundeskanzler, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), sieht in der Neubesetzung an der Spitze des Bundesumweltministeriums "eine Fortsetzung der stabilen Zusammenarbeit in der Regierungskoalition". Er freue sich auf die Kooperation mit Peter Altmaier und danke Norbert Röttgen. Man stehe bei der Energiewende vor großen Herausforderungen. Dabei müsse besonders auf die Bezahlbarkeit von Energie für Verbraucher und Wirtschaft geachtet werden, betonte Rösler. Gemeinsam mit Röttgen wollte Rösler, der zugleich FDP-Chef ist, Subventionskürzungen im Bereich der Solarenergie durchsetzen. Das Vorhaben scheiterte am Veto der Länderkammer (Bundesrat) und muss nun im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat neu verhandelt werden.

Die Oppositionsparteien werteten Röttgens Entlassung auch als Niederlage für die Bundeskanzlerin. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete Merkels Entscheidung als "Bauernopfer". Es sei der Versuch, vom eigenen Versagen in Nordrhein-Westfalen und bei der Energiewende abzulenken. Das Austauschen von Köpfen werde aber nicht reichen. Zurecht machten sich Unternehmen und Gewerkschaften Sorgen, wie es mit der Energiewende weitergehe, sagte Özdemir.

"Letztes Aufgebot" der Kanzlerin

Für die Generalsekretärin der Sozialdemokraten (SPD), Andrea Nahles, ist der Rauswurf des Umweltministers ein weiterer Beleg "für den maroden Zustand der Regierung Merkel". Röttgen sei nicht nur als Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen gescheitert, sondern auch bei der Umsetzung der Energiewende, sagte Nahles. Nachfolger Altmaier sei Merkels "letztes Aufgebot". Wenig überrascht von der Ablösung Röttgens zeigte sich die Linke. Bei der Energiewende habe er "wenig Rückendeckung durch die Kanzlerin" gehabt, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion und Vorsitzende des Umweltausschusses, Eva Bulling-Schröter.

Die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, spricht im Willy-Brandt-Haus in Berlin bei einer Pressekonferenz. (Foto: Michael Gottschalk / dapd)
SPD-Generalsekretärin Andrea NahlesBild: dapd

Unterstützung für den designierten Umweltminister Peter Altmaier signalisierte der Bundesverband der Deutschen Industrie. BDI-Präsident Hans-Peter Keitel sagte, die kommenden Monate seien entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Für ihre gute Umsetzung sei die enge und verlässliche Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft "essentiell".