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Politik

Merkel lässt sich nicht grillen

Fabian von der Mark
6. Juni 2018

Erstmals musste die Kanzlerin im Bundestag direkt Fragen der Abgeordneten beantworten. Die Opposition wollte sie "grillen" - vergeblich. Denn Angela Merkel schien manchmal sogar Spaß zu haben.

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Deutschland Bundestag Regierungsbefragung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bild: Reuters/A. Schmidt

Fragestunde im Bundestag

Jetzt stehen sie sich direkt gegenüber: In der Regierungsbank vorne die Bundeskanzlerin in grellroter Jacke; wenige Meter rechts von ihr Hansjörg Müller (AfD) im bayerischen Trachtenjanker. Müller schreibt jetzt Geschichte, denn er stellt für die Rechtspopulisten die erste Frage in diesem nie dagewesenen Format. Erstmals dürfen Abgeordnete im deutschen Parlament die Kanzlerin befragen, oder "grillen" wie viele in Erwartung "heißer Fragen" gesagt hatten.

Müller muss eine Frage zum G7-Gipfel stellen - so sehen es die Regeln vor. Angela Merkel hatte zu dem Gipfel davor eine Art Mini-Regierungserklärung abgegeben. Drei Minuten - dann steht sie für Fragen bereit. Die AfD darf anfangen, weil sie die größte Oppositionspartei im Bundestag ist. Hansjörg Müller liest seine Frage ab, die auf mehr Nähe zu Russland abzielt und mit der Frage endet: "Werden Sie den destruktiven, US-hörigen deutschen Sonderweg weitergehen?"

"Typische, nichtssagende Gummiantwort"

Angela Merkel faltet die Hände, geht nüchtern und sachlich auf die deutsch-amerikanischen und die deutsch-russischen Beziehungen ein, erklärt Müller, dass sie für einen Dialog mit Russland offen sei, und dass sie auch gerade ein langes Gespräch mit Präsident Wladimir Putin hatte. Dafür bekommt die Kanzlerin Applaus von ihren Leuten und wartet auf die nächste Frage. Der AfD-Politiker setzt sich wieder und nennt das Erlebte später im Gespräch mit der DW eine "typische, nichtssagende Gummiantwort". 

Eine Fraktion nach der anderen darf der Kanzlerin jetzt eine Frage stellen. Auch deshalb kommt keine "Grill"-Stimmung auf, denn die oppositionellen Liberalen wollen etwas zu China wissen und die Grünen zum Klima. Dazwischen kommen dann noch Fragen aus den Reihen der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, die natürlich erst recht nicht vorhaben, die eigene Chefin in Bedrängnis zu bringen. So sorgt am ehesten noch ein Linken-Politiker für Stimmung, der ein Trump-Zitat aus dem "Playboy"anbringt.

Deutschland Bundestag Regierungsbefragung | Angela Merkel und Beatrix von Storch
Keine Fraktion ist der Regierungsbank so nah wie die AfD. Vorne: Beatrix von Storch, AfD (von hinten)Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Nach einer knappen halben Stunde ist der Komplex G7 abgeschlossen. Drei Fragen konnte jede Fraktion bis dahin stellen. Als die AfD auch die dritte Frage zu Russland stellt, meint Merkel trocken, die Rechtspopulisten zeigten ja "eine große Bandbreite, was das Verhältnis zu anderen Ländern angeht". Typischer Merkel-Humor. Ihre Schlagfertigkeit kann sie hier gut einsetzen. Es geht schnell hin und her. Frage und Antwort dürfen nur je eine Minute lang sein.

Antwort auf Macron in der Sonntagszeitung

Aber auch die Opposition versucht durch Polemik Punkte zu machen. FDP-Chef Christian Lindner wirft Merkel vor, ihre EU-Vorschläge, die Antwort auf Macron, in einem Interview "hinter der Bezahlschranke einer Sonntagszeitung" gegeben zu haben.  Außerdem wittert er eine "Verwässerung des Stabilitätskurses unseres Landes". Merkel verneint das, schildert detailliert die Bedingungen für  europäische Hilfen und verspricht die "Rückzahlung des gesamten Geldes". Nächster bitte.

Deutschland, Berlin:  Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beantwortet erstmals im Rahmen einer Fragestunde die Fragen der Abgeordneten
"Auch durch Wiederholung wird es nicht besser": Die Fragestunde bleibt für Merkel ungefährlich Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Wie alle anderen auch, muss sich Christian Lindner mit dieser Antwort zufrieden geben, was ihn stört, wie er später der DW sagt. Es müsse die Möglichkeit des "Nachbohrens" geben. Immerhin betont er stolz, dass seine Fraktion "als Einzige" diesen Auftrag dem nächsten FDP-Frager weitergegeben habe. Tatsächlich bekommt Merkel also noch mal eine Frage eines liberalen Abgeordneten, die andeutet, die Kanzlerin verteile im Alleingang deutsches Geld. Merkel zur erneuten Frage: "Auch durch Wiederholung wird es nicht besser."

Merkel scheint in diesen Moment fast Spaß zu haben, unter Druck wirkt sie jedenfalls nicht. Auf die Frage der Linken nach Armut antwortet sie lapidar: "Ich glaube, dass es vielen Menschen besser gehen sollte" und zählt Maßnahmen auf.  Als sie auf zu wenig Frauen in der Fraktion der Konservativen angesprochen wird: "Ich glaube, die Männer bedauern das auch." Und auch die erwartete AfD-Frage zur Flüchtlingspolitik "Wann treten Sie zurück?" perlt an ihr ab. So schnell sicher nicht.

Der Bundestag als zentraler Ort politischer Debatte

Im Koalitionsvertrag hatten sich Merkels Konservative und die SPD darauf geeinigt, dass der Bundestag "wieder zum zentralen Ort der gesellschaftlichen und politischen Debatte" werden sollte. Festgelegt wurde, dass die Bundeskanzlerin drei Mal pro Jahr im Parlament Rede und Antwort stehen soll. Zufrieden ist damit vor allem die AfD. Hansjörg Müller freut es, dass Merkel "mal antworten musste" und dankt denjenigen, die das "in den Koalitionsvertrag geschrieben haben."

Großbritanniens stellvertretender Premierminister Damian Green neben Theresa May
Vorbild: Im Londoner House of Commons ist jeden Mittwoch FragestundeBild: Reuters

Bei den übrigen Oppositionsparteien hält sich die Begeisterung in Grenzen. Britta Hasselmann von den Grünen fordert weitere Reformen. So müsse die Themensetzung offener sein und es sollten auch bei den regelmäßigen Fragestunden Minister antreten und nicht nur Staatssekretäre. Trotzdem sagt Hasselmann der DW, sei es ein wichtiger Schritt, für den die Grünen lange gekämpft hätten. Auch wenn es "unspektakulär" war, sollte es doch "selbstverständlich sein".

In Großbritannien ist die Fragestunde schon seit Jahrzehnten etabliert, seit 1961 ein wöchentliches Ritual. Ehemalige britische Premierminister haben die Prime Ministers Questions als "Alptraum" (David Cameron) beschrieben, oder gar als "Gang zum Schafott" (Tony Blair). Für Angela Merkel war die Premiere wohl eine andere Erfahrung. Nach einer Stunde sagt sie gut gelaunt. "Jetzt ist halt zu Ende, aber ich komm ja wieder". Gegrillt wurde an diesem Mittwoch im Bundestag nicht.