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Merkels Flüchtlingsgipfel

Gero Schließ, New York27. September 2015

Offizieller Anlass für Merkels Reise zu den UN war die Verabschiedung der "Agenda für nachhaltige Entwicklung". Doch die vom Syrien-Konflikt ausgelöste Flüchtlingskrise überlagert alles. Gero Schließ aus New York.

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UN: Kanzlerin Angela Merkel bei den Vereinten Nationen
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist einer der wenigen Augenblicke auf Angela Merkels dreitägiger New York Reise, der frei ist von den drängenden Alltagssorgen der Berliner Politik, die in den letzten Wochen von nichts mehr getrieben ist als dem Ansturm abertausender Flüchtlinge.

Gelehnt an die Mauer des Ground Zero Memorial, auf ihren Zehenspitzen balancierend blickt die Kanzlerin hinunter in die dunkle, kubusförmige Öffnung, den gewaltigen Wassermassen nach, deren Verlauf die Umrisse des südlichen Twintowers abbildet. Wie sie da steht, in ihrem cremefarbenen Blazer und in einiger Entfernung zu ihren Begleitern, darunter der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, hat das fast schon etwas Poetisches.

Doch diesen Moment lässt Angela Merkel nur kurz zu. Nachdem sie am "Suvivor Tree" einen Kranz niedergelegt und der Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001 gedacht hat, holt sie mit einer humorvollen Bemerkung den politischen Alltag zurück ins Bewusstsein: "A very sustainable tree", scherzt sie auf Englisch und spielt damit auf ihre Rede vor den UN an, in der sie für die "Sustainable Development Goals ", die frisch verabschiedete "Agenda für nachhaltige Entwicklung" geworben hat. Und dann kommt sie schnell auf ihr Hauptthema zu sprechen: die Flüchtlingskrise.

Angela Merkel am Ground Zero Memorial (Foto: dpa)
Angela Merkel am Ground Zero MemorialBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Flüchtlinge überall

Nachhaltige Armutsbekämpfung werde man nur hinkriegen, wenn man die Ursachen der Flüchtlingsbewegung bekämpfe, wiederholt sie vor Regierungschefs aus 160 Ländern ihr Mantra. Das Flüchtlingsthema lässt sie in New York nicht ruhen. Es zieht sich durch fast alle ihrer Reden, öffentlichen Auftritte und bilateralen Gespräche. Angela Merkel macht die UN-Vollversammlung zu ihrem ganz persönlichen Flüchtlingsgipfel. Große Erwartungen richten sich dabei an die Türkei. Nachdem sie und Außenminister Steinmeier seit einiger Zeit den Kontakt zur türkischen Führung intensiviert haben, trifft sie hier in New York erneut den türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu.

Dass beide über Syrien und die Flüchtlingskrise sprechen, bestätigt ein Regierungssprecher und fügt hinzu, dass zukünftig auch Griechenland in den Dialog einbezogen werden soll. Viel mehr sagt er nicht. Vermutlich ging es um Geld für türkische Flüchtlingslager. Denkbar auch, dass die Türkei als Gegenleistung deutsche Unterstützung für ihren Plan einer Sicherheitszone für Flüchtlinge an der gemeinsamen Grenze zu Syrien einfordert.

Über Flüchtlinge redet Merkel dann auch mit dem pakistanischen Premierrminister Nawaz Scharif, durch dessen Land der anschwellende Strom afghanischer Flüchtlinge geht. Auch die Unterredung mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sissi dreht sich um das Thema und die Situation in Nahen Osten.

Merkel in Hochform

Hier in New York wirkt Merkel trotz der Strapatzen des vorangegangenen Sitzungsmarathons in Brüssel und Berlin aufgeräumt und hochkonzentriert. Auf einer von Deutschland mitorganisierten Veranstaltung zur Bekämpfung von Epidemien spricht sie frei über Details der weltweiten Gesundheitsvorsorge und über das, was man aus der Ebola-Epidemie gelernt habe. Am Rande des UN-Plenums nimmt sie sich Zeit, mit der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai zu reden und sich dabei für Frauenrechte einzusetzen, was sie später auf einer von China ausgerichteten Veranstaltung wiederholt.

Zusagen von Zuckerberg

Bei einem UN-Forum mit CEOs aus aller Welt ist Angela Merkel - zumindest indirekt - dann wieder bei ihrem Hauptthema. Während des Arbeitsessens erzählt sie ihrem Tischnachbarn Marc Zuckerberg von der deutschen Diskussion über Hassparolen, die auf Facebook und anderen sozialen Medien gepostet werden. Die Sorge ist groß, dass die Fremdenfeindlichkeit durch den Ansturm der Flüchtlinge neue Nahrung bekommt. Deshalb soll es möglich werden, solche Nachrichten umgehend zu löschen. Merkel fragt den Facebook-Gründer, ob er an der Sache arbeite: Der antwortet mit einem "Yeah" und fügt auf Nachfrage hinzu: "Da muss was gemacht werden."

Kanzlerin Merkel im Gespräch mit Facebook-Gründer Zuckerberg (Foto: dpa)
Kanzlerin Merkel im Gespräch mit Facebook-Gründer ZuckerbergBild: picture-alliance/dpa

Die irrtümlich geöffneten UN-Mikrofone dokumentieren das Gespräch via Livestream für die Weltöffentlichkeit. Später dann wird Zuckerberg Merkel bei seiner Rede vor dem Forum noch vor dem UN-Generalsekretär begrüßen. Eine Referenz an eine Politikerin, der in New York die Aufmerksamkeit sicher ist.

Merkel, Putin und Syrien

Für großes Aufsehen hat schon im Vorfeld ihr Vorstoß gesorgt, dass man auch mit Syriens Diktator Baschar al-Assad sprechen müsse. Manche Diplomaten sagen, dass Merkel damit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Vorlage geliefert hat für dessen mit Spannung erwartete Rede vor den UN, in der er einen Friedensplan für Syrien vorstellen könnte. Es ist bekannt, dass Putin an Assad festhalten will. Für zusätzliche Verwirrung hat in New York gesorgt, dass ihr Stellvertreter, Vizekanzler Sigmar Gabriel, dem russischen Präsidenten Entgegenkommen bei den Ukraine-Sanktionen signalisiert hat - sozusagen als Gegenleistung für Wohlverhalten im Syrien-Konflikt.

Das späte Dementi von Kanzleramtsminister Peter Altmaier dürfte auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko aufmerksam registriert haben, den Merkel ganz am Ende ihres dreitätigen New York Aufenthalts spricht. Ganz einfach dürfte das Gespräch für die Kanzlerin nicht gewesen sein.

Am Ende fällt Merkels eigene Bilanz ihrer Reise positiv aus: "Es wird nicht nur gesprochen, es werden auch Taten vorbereitet", fasst sie zusammen. Und am Ende hat sie auch hier in New York jenen Satz gesagt, mit dem sie schon zu Hause oft zu hören war: "Wir können es schaffen."