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Merkel, Putin und die OSZE-Geiseln

1. Mai 2014

Zwischen Berlin und Moskau glühten die Telefondrähte wegen der von prorussischen Aktivisten festgehaltenen OSZE-Beobachter in der Ostukraine. Von dort wird zudem wieder ein Angriff auf ein Justizgebäude gemeldet.

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der russische Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin gedrängt, sich für die Freilassung der in der Ostukraine festgehaltenen OSZE-Beobachter einzusetzen. Die Kanzlerin habe Putin in einem Telefongespräch "an die Verantwortung Russlands als OSZE-Mitgliedstaat" erinnert und an den Präsidenten appelliert, seinen Einfluss geltend zu machen, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz mit. Putin und Merkel sprachen demnach auch über die Wahlen in der Ukraine am 25. Mai, die nach Einschätzung der Bundesregierung "für die Stabilität des Landes unverzichtbar sind".

Keine Freilassung aus "technischen Gründen"

Prorussische Milizen halten seit Freitag vergangener Woche sieben Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fest. Unter ihnen sind vier Deutsche. Putin hatte am Dienstag gesagt, er hoffe auf ihre baldige Freilassung. Diese verzögerte sich nach Angaben des Milizenführers Wjatscheslaw Ponomarjow am Mittwoch aber "aus technischen Gründen".

Wie der Kreml mitteilte, äußerte die Kanzlerin in dem Telefonat die Bitte, "die Freilassung von Militärbeobachtern aus mehreren europäischen Staaten einschließlich Deutschlands zu unterstützen". Putin wie Merkel hätten zudem bei ihrem Telefongespräch die Notwendigkeit betont, "das Vermittlungspotenzial der OSZE in der Ukraine im höchstmöglichen Maß einzusetzen". Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor Verhandlungen zwischen der Übergangsregierung in Kiew und Vertretern der Regionen unter Aufsicht der OSZE vorgeschlagen.

Machtlos trotz "voller Kampfbereitschaft"

Putin sagte nach Angaben des Kreml in dem Telefonat mit Merkel, dass es im Ukraine-Konflikt nun am wichtigsten sei, die "Militäreinheiten" aus dem Südosten der Ukraine abzuziehen, die Gewalt zu stoppen und einen "breiten nationalen Dialog als Teil einer Verfassungsreform" aufzunehmen, an dem "alle Regionen und politischen Kräfte" beteiligt seien.

Die Übergangsregierung in Kiew steht wegen der Unruhen im Osten des Landes unter massivem Druck. Prorussische Milizen kontrollieren mehr als ein dutzend Städte in der Region. Die ukrainische Regierung versetzte die Armee am Mittwoch in "volle Kampfbereitschaft". Interimspräsident Oleksander Turtschinow räumte jedoch gleichzeitig ein, die Sicherheitskräfte seien hilflos gegenüber den prorussischen Separatisten.

Sturm auf Justizgebäude in Donezk

In der ostukrainischen Millionenstadt Donezk stürmten unterdessen Hunderte prorussische Aktivisten ein Justizgebäude. Die Angreifer zwangen die Sicherheitskräfte zum Abzug, wie die Agentur Interfax meldete. Die Polizisten hätten Schilde und Schlagstöcke abgeben und die Gebietsstaatsanwaltschaft durch einen "Korridor der Schande" aufgebrachter Demonstranten verlassen müssen. Auf dem Dach hissten Separatisten die Fahne der selbst ernannten Volksrepublik Donezk.

Zuvor hatten zum Teil maskierte Männer das Gebäude mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Brandsätzen attackiert. Das örtliche Internetportal ostro.org berichtete, es habe Verletzte auf beiden Seiten gegeben. Die Situation war nach einem Protestzug Tausender prorussischer Demonstranten eskaliert. Aktivisten warfen der Staatsanwaltschaft des Gebiets vor, Handlanger der Regierung in Kiew zu sein. Die Menge forderte in Sprechchören einen Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Halbinsel Krim. In Donezk halten Separatisten seit Wochen die Gebietsverwaltung besetzt und haben eine Volksrepublik ausgerufen. Sie wollen am 11. Mai in einem Referendum über eine Abspaltung von Kiew entscheiden lassen.

Mai-Demonstration 2014 in der Regionalhauptstadt der Krim, Simferopol (Foto: picture-alliance/dpa)
Farbenwechsel auf der Krim: Mai-Demonstration in der Regionalhauptstadt SimferopolBild: picture-alliance/dpa

"Putin ist unser Präsident"

Auf der Krim beteiligten sich zehntausende Menschen mit russischen Flaggen und Bildern von Russlands Präsident Wladimir Putin an Kundgebungen zum Tag der Arbeit. In der Regionalhauptstadt Simferopol gingen rund 60.000 Menschen auf die Straße, die meisten von ihnen Angestellte des öffentlichen Dienstes. "Wir sind Russland" und "Putin ist unser Präsident", stand auf Plakaten. In Sewastopol, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 8000 Menschen an einer 1.-Mai-Demonstration, zu der die Stadtverwaltung aufgerufen hatte. Russland hatte die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel im März nach einem umstrittenen Referendum in sein Staaatsgebiet eingegliedert.

Angesichts der Spannungen führte die ukrainische Regierung mit sofortiger Wirkung die vor einem Jahr abgeschaffte Wehrpflicht wieder ein. Präsident Turtschinow unterzeichnete ein entsprechendes Dekret. Demnach sind Männer im Alter von 18 bis 25Jahren wehrpflichtig.

sti/uh (afp, dpa)