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Merkel: Russland bricht internationales Recht

Kay-Alexander Scholz26. November 2014

Deutschland bleibt bei seinem Kurs in der Ukraine-Krise. Das machte Angela Merkel im Bundestag deutlich. Sie nutzte die Generaldebatte auch, um ausgiebig auf die neue internationale Rolle Deutschlands einzugehen.

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Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag (Foto: REUTERS/Stefanie Loos)
Bild: Reuters/S. Loos

Angela Merkels Rede in der Generaldebatte im Bundestag war beinahe ein pädagogischer Impetus anzumerken: Sie lenkte die Aufmerksamkeit auf das europäische und internationale Umfeld. Innenpolitische Streitigkeiten innerhalb der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD streifte sie nur, wenn überhaupt. "Die Welt wartet nicht auf Europa", warnte die Kanzlerin und berichtete davon, was sie beim jüngsten Treffen der G20 in Brisbane erlebt habe. Die Dynamik der Asien-Pazifik-Region sei dort mit Händen zu greifen gewesen. Deshalb müsse das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP zügig verhandelt werden. Nicht nur, dass Europa ansonsten Chancen verpassen würde. Nein, es gehe darum, in der Globalisierung bei ökologischen und rechtsstaatlichen Standards überhaupt noch mitbestimmen zu können.

Der Weg Europas aus der Krise werde weltweit sehr genau verfolgt. "So schwierig der Weg auch ist, insgesamt sind wir auf richtigem Kurs", so Merkel und wiederholte ihren Dreiklang von Wachstum, Stabilität und Strukturreformen. Deutschland unterstütze das 300-Milliarden-Wachstumspaket, das die EU-Kommission auf den Weg bringen will. Gleichwohl zeigte Merkel an, wo Deutschland das Geld gut investiert sähe - nämlich in der digitalen Wirtschaft, beim Bürokratieabbau und Strukturreformen.

Herausforderung Russland

In der gewählten Rolle der internationalen Berichterstatterin fuhr Merkel fort: Ebola, Ukraine und Syrien seien die drei Themen, die in Brisbane wichtig waren. In der Ukraine-Frage machte Merkel noch einmal die harte Haltung Deutschlands deutlich: "Russland missachtet die Integrität der Ukraine." Nichts entschuldige oder rechtfertige die Annexion der Krim und die indirekte oder direkte Beteiligung der Russen an den Kämpfen in der Ostukraine. "Russland stellt die europäische Friedensordnung in Frage und bricht internationales Recht." Die verhängten Sanktionen seien unvermeidlich und zusammen mit der Unterstützung der Ukraine und den diplomatischen Bemühungen die Antwort auf die Krise.

Ziel müsse sein, dass eine territorial unversehrte Ukraine selbst über ihre Zukunft entscheiden kann. Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass die Stärke des Rechts durchgesetzt werden könne. "So überzeugt bin ich, dass uns dieser Weg gelingt, so anstrengend und lang er auch ist." Kein Wort verlor Merkel über etwaige Differenzen innerhalb der Bundesregierung zur Russland-Politik, über die in den letzten Tagen in deutschen Medien zu lesen war.

Keine neuen Schulden mehr

Merkel betonte, dass es Deutschland trotz des schwierigen weltwirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds gelingen werde, einen "Wendepunkt zu markieren". Schluss mit dem Schuldenmachen, Deutschland habe Jahrzehnte lang über seine Verhältnisse gelebt. Auch in den kommenden Jahren gelte das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts. Denn diese Verlässlichkeit und Stabilität sei wichtig für die ganze Eurozone. "Deutschland wird als Wachstumsmotor und Stabilitätsanker gebraucht"."

Auf der derzeit guten Situation in Deutschland dürfe man sich aber nicht ausruhen. Die Kanzlerin betonte noch einmal die Wichtigkeit der "Herkulesaufgabe Energiewende" und nannte einen beschleunigten Ausbau der Stromleitungsnetze und die Schaffung von Kapazitätsmärkten als die nächsten wichtigen Schritte. Die andere wichtige "Wende" sei die "digitale Wende", so Merkel. Neues nannte die Kanzlerin dabei nicht. Es gelte auf Kurs zu bleiben, also Breitbandausbau und Umsetzung der europäischen Aufgaben wie der Datenschutzgrundverordnung. Hier erhob Merkel erneut ihren verbalen Zeigefinger. Es seien entscheidende Zukunftsaufgaben, ob Europa ein spannender Investitionsstandort sein werde und ob der Industrie der Wandel zur Industrie 4.0 gelinge.

Merkel endete mit einem Ausblick auf die G7-Präsidentschaft, die Deutschland in 2015 inne haben wird. Deutschland werde sich bei der Erarbeitung einer Post-2015-Agenda engagieren, beim Kampf gegen Armut, gegen tropische Krankheiten und Antibiotika-Resistenzen.

Harte Worte von der Opposition

Traditionell hatte vor Merkels Rede die größte Oppositionspartei die Gelegenheit zur Generalabrechnung. Davon machte für die Linke Sarah Wagenknecht reichlich Gebrauch. Sie gilt nach Gregor Gysi als einer der mächtigsten Politiker der Linkspartei, den sie wegen einer Reise in den Irak vertrat. Merkel habe Deutschland in einen "Kalten Krieg mit Russland reingetrieben". "Sie laufen mit einem brennenden Zündholz herum", wohlwissend dass "verbale Aufrüstung der Anfang von Schlimmerem sei". Diplomatie hieße aber, die Interessen des anderen, also Russlands, ernst zu nehmen und nicht, "sich darüber hinwegzusetzen". Wagenknecht forderte, die Wirtschaftssanktionen einzustellen. Es brauche wieder eine deutsche Außenpolitik, "der Sicherheit und Frieden in Europa wichtiger sind als Anweisungen aus Washington".

Sahra Wagenknecht (Foto: Adam Berry/Getty Images)
Sahra Wagenknecht ging mit der Kanzlerin hart ins GerichtBild: Getty Images

Hart ins Gericht ging Wagenknecht auch mit den geplanten Freihandelsabkommen. "Die Abkommen haben nur das Ziel, den Kapitalismus vor den Zumutungen der Demokratie zu schützen". Man könne dann ja gleich auf Wahlen verzichten. Der G20-Gipfel in Brisbane sei eine Kapitulation vor den "Raubtieren des Kapitalismus". Es sei längst geschehen um die soziale Marktwirtschaft, "denn wir haben keine mehr". Merkels Sicht auf Deutschland sei falsch, denn das Land sei gespalten. Und die sogenannte "Schwarze Null", also ein Schulden freier Haushalt, werde sowieso nicht erreicht. Dafür gebe es "okkulte Opferrituale vor der neues Göttin Schwarze Null".

Merkel hatte demonstrativ versucht, der Rede Wagenknechts keine Aufmerksamkeit zu schenken und ging sogar im Plenarsaal zu anderen Abgeordneten. Doch so ganz gelang ihr das nicht, dafür waren wohl die Worte Wagenknechts dann doch zu pointiert.