1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel schiebt Oettinger nach Brüssel ab

24. Oktober 2009

Zwischen Günther Oettinger und Angela Merkel knirscht es seit langem. Jetzt bedenkt sie den baden-württembergischen Landesvater mit einem Top-Job in Brüssel. Als EU-Kommissar wird er sie wohl seltener kritisieren.

https://p.dw.com/p/KESk
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (Foto: dpa)
Ottinger wird international: der Ministerpräsident aus dem Ländle geht nach BrüsselBild: DPA

Ursula van der Leyen, Markus Söder, Wolfgang Schäuble: für den Kommissarsposten in Brüssel wurden in der Union einige gehandelt - mit Günther Oettinger hat aber kaum jemand gerechnet. Jetzt soll der baden-württembergische Ministerpräsident die Nachfolge von SPD-Mann Günther Verheugen in Brüssel antreten und EU-Kommissar für Deutschland werden. Die CDU-Chefin bestätigte ihre Pläne am Samstag (24.10.2009) vor der CDU/CSU-Fraktion in Berlin. Die Überraschung ist auch deshalb so groß, weil der 56-jährige Jurist und Volkswirt in der Führung der CDU zuletzt kaum mehr eine Rolle gespielt hat. Sein Nachfolger als Regierungschef in Baden-Württemberg soll der 43 Jahre alte CDU-Fraktionschef Stefan Mappus werden.

Stefan Mappus (Foto: dpa)
Wird wohl bald Ministerpräsident: Stefan MappusBild: dpa

Ob Oettinger wie Verheugen auch das Amt des Industriekommissars übernimmt, ist offen. Nach dem Willen Merkels soll auch der künftige deutsche Kommissar ein Ressort mit möglichst starker wirtschaftspolitischer Ausrichtung wahrnehmen.

Ränkespiele auf dem Gipfel

Beim EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel können erste Gespräche der Staats- und Regierungschefs mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso über Kandidaten und Ressorts in der neuen EU-Kommission geführt werden. Formelle Vorschläge sind aber noch nicht möglich, denn es steht noch nicht fest, ob die Kommission nach dem EU-Vertrag von Lissabon berufen werden kann. Ob und wann dieser in Kraft treten kann, hängt noch von Tschechien ab. Dort muss das Verfassungsgericht über eine erneute Beschwerde gegen den Reformvertrag entscheiden. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus will den Vertrag außerdem nur unterschreiben, wenn es eine Zusatzerklärung mit Sonderklauseln für Tschechien geben wird.

Erst wenn Rechtssicherheit herrscht, kann Barroso sein neues Spitzengremium zusammenstellen. Die Kandidaten müssen sich einer Anhörung im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments stellen. Vor ihrem Amtsantritt muss die EU-Kommission in ihrer Gesamtheit dann von den Abgeordneten bestätigt werden.

Industriekommissar Günther Verheugen (Foto: Wiktor Dabkowski)
Der derzeitige Industriekommissar Günther Verheugen muss gehen - er ist von der SPDBild: picture alliance/Wiktor Dabkowski

Für die Verheugen-Nachfolge hatte Merkel bereits zu Zeiten der großen Koalition frühzeitig das Vorschlagsrecht für die CDU reklamiert. Seither waren zahlreiche Namen gehandelt worden. Zuletzt galt allerdings Familienministerin Ursula von der Leyen bei führenden Unionspolitikern als Geheimtipp.

Kein Intimus der Kanzlerin

Oettinger zählte häufig zu den Kritikern der Politik der großen Koalition, war allerdings auch selbst mehrmals mit Fehltritten in die Schlagzeilen geraten. Oettinger gilt als Ordnungspolitiker und Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels der CDU. Sein Verhältnis zu Merkel galt seit seiner Trauerrede beim Begräbnis des einstigen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger vor zweieinhalb Jahren als zerrüttet. Dort hatte er den früheren NS-Richter in Schutz genommen und sich erst auf Druck Merkels davon distanziert.

Mit der Nominierung Oettingers für den EU-Posten läutet Merkel knapp zwei Jahre vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg auch eine personelle Erneuerung ein. Fraktionschef Mappus gilt seit längerem als starker Mann der CDU im "Ländle" und hatte den zuletzt glücklosen und als amtsmüde geltenden Oettinger mehrfach öffentlich kritisiert. Der ebenfalls als möglicher Oettinger-Nachfolger gehandelte Unionsfraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, bleibt in Berlin. (mag/se/rtr/dpa)