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Politik

"Wiederaufbau wird nicht am Geld scheitern"

3. September 2021

Das Ahrtal war besonders von dem Hochwasser Mitte Juli betroffen. Kanzlerin Angela Merkel hat das Katastrophengebiet nun zum zweiten Mal besucht, um sich ein Bild von den Aufräumarbeiten zu machen.

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Malu Dreyer und Angela Merkel in Altenahr-Altenburg
Kanzlerin Merkel im Flutgebiet: "Unfassbare Schäden" Bild: Markus Schreiber/AP/dpa/picture alliance

Die Spuren der Zerstörung sind noch allgegenwärtig - aber es gibt auch deutliche Zeichen der Hoffnung im Ahrtal. Rund eineinhalb Monate nach der Hochwasserkatastrophe ist Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut in das rheinland-pfälzische Flutgebiet gefahren, um sich ein eigenes Bild von Aufräumarbeiten entlang des Flusses Ahr zu machen. Merkels Botschaft an die Ahrtalbewohner: Sie könnten sich darauf verlassen, dass ihnen weiter geholfen werde.

Sollten die veranschlagten Hilfsgelder nicht ausreichen, werde auch eine künftige Bundesregierung die Menschen nicht allein lassen, versprach die Kanzlerin bei ihrem Besuch im Landkreis Ahrweiler: "Da muss keiner Angst haben, der Wiederaufbau wird nicht am Geld scheitern." Ab Anfang Oktober könnten die Einwohner der Flutregion Anträge auf Wiederaufbauhilfen stellen. Bund und Land wollen auch die Arbeiten an anderen geplanten Großbaustellen verschieben, um Kapazitäten für den Wiederaufbau zu schaffen.

Helder am Rande des Merkel-Besuchs in Altenburg
Helfer in Altenburg: "Keiner muss Angst haben, dass es am Geld scheitert"Bild: Thomas Lohnes/Getty Images

Dennoch werde es viele Monate und teilweise sogar Jahre brauchen, "um diese unfassbaren Schäden wiedergutzumachen", sagte die Kanzlerin. Begleitet wurde Merkel von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Beide Regierungschefinnen sprachen mit Bewohnern und Helfern in Altenburg, einem Ortsteil der Gemeinde Altenahr im Landkreis Ahrweiler.

In Altenburg wurden laut Dreyer durch die Flut "95 Prozent des Ortes zerstört, Häuser und Schulen, alles". Doch trotz aller Zerstörungen seien inzwischen beeindruckende Fortschritte bei den Aufräumarbeiten zu sehen, sagte Dreyer.

Das Ahrtal als Modellregion für Europa?

Die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, appellierte an die Verantwortlichen, den Betroffenen so schnell wie möglich zu helfen. Viele Hochwasseropfer hätten bereits ihre Häuser entkernt und müssten nun vor Winterbeginn wissen, wie es weitergeht.

Die Kommunalpolitikerin forderte, das zerstörte Ahrtal zu einer Modellregion zu entwickeln, die als Vorbild für andere Kommunen in Europa in ähnlicher Lage dienen könnte: "Wir müssen Konzepte entwickeln, wie wir weiter an Flüssen leben können im Zeichen des Klimawandels."

Malu Dreyer und Angela Merkel im Gespräch mit Hochwassergeschädigten in Altenahr-Altenburg
Regierungschefinnen Dreyer und Merkel: "95 Prozent des Ortes zerstört, Häuser und Schulen, alles"Bild: Markus Schreiber/AP/dpa/picture alliance

Welche Bereiche der verwüsteten Region entlang der Ahr wiederaufgebaut werden, ist bislang noch nicht entschieden. Die Frage sei sehr kompliziert, sagte Dreyer. Aktuell würden die Überschwemmungsgebiete entlang des Flusses neu ausgewiesen. Das Land werde Kommunen und Einwohnern auch keinen fertigen Plan überstülpen, sondern eine Lösung im Dialog suchen, so die Ministerpräsidentin des westdeutschen Bundeslandes.

Malu Dreyer hatte bereits Anfang der Woche im Mainzer Landtag angekündigt, sie gehe davon aus, dass die Mehrzahl der Menschen ihre Häuser am alten Standort wieder aufbauen könne. "Überschwemmungsgebiet zu sein, bedeutet nicht, dass man dort gar nicht mehr wohnen kann", sagte die Landeschefin jetzt.

Aufbruchstimmung und tiefe Verzweiflung

Ob der Flutregion ein Massenwegzug betroffener Menschen bevorsteht, ist bislang auch für die Verantwortlichen schwer abzuschätzen. "Uns haben heute mehrere Menschen gesagt, dass sie jeden Tag anders darüber denken", berichtete Dreyer.

Cornelia Weigand
Verbandsbürgermeisterin Weigand: "Konzepte entwickeln, wie wir weiter an Flüssen leben können"Bild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Auch Verbandsbürgermeisterin Weigand bestätigte, viele Flutopfer schwankten ständig zwischen Aufbruchstimmung und tiefer Verzweiflung. In den bevorstehenden Monaten werde es noch wichtiger, den Menschen bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse zu helfen: "Jedes Einzelschicksal würde jeden von uns schlecht schlafen lassen. Und von diesen Einzelschicksalen haben wir Hunderte, Tausende."

Insgesamt waren bei der Flut in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Mitte Juli mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, 133 alleine im Ahrtal. Angela Merkel gab sich bewegt: Wenn man vor Ort sei, bekomme man "eine kleine Ahnung, welche Todesangst Menschen ausgestanden haben, die in der Flutnacht zum Teil auf den Dächern oder unter den Dächern gesessen haben".

Nach sieben Wochen Wiederaufbau sei zwar schon viel geschafft. Aber es sei auch klar, "was noch vor allen liegt", sagte die Kanzlerin. Es sei beeindruckend, "was man an Engagement und Zuversicht trotz allen Schmerzes erlebt, an Anpacken und an Willen, voranzukommen".

AR/qu (epd, kna, afp, dpa)