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Merkel will Sicherheit deutscher AKWs prüfen

12. März 2011

Wegen der dramatischen Entwicklung in dem japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat Bundeskanzlerin Merkel eine Überprüfung der Reaktoren in Deutschland angekündigt. Die Opposition fordert unterdessen den Atomausstieg.

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Angela Merkel (Foto: dapd)
Bundeskanzlerin MerkelBild: dapd

"Die Geschehnisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Krisentreffen, das sie kurzfristig am Samstagabend (12.03.2011) in Berlin anberaumt hatte. Teilnehmer waren unter anderen Außenminister Guido Westerwelle, Innenminister Hans-Peter Friedrich und Umweltminister Norbert Röttgen. Die Bundeskanzlerin kündigte die Überprüfung der Sicherheitsstandards bei allen deutschen Atomkraftwerken an. Dies werde gemeinsam mit den zuständigen Länderministern geschehen. Nach einer derartigen Katastrophe in einem so hoch technisierten Land wie Japan könne man auch in Deutschland "nicht zur Tagesordnung übergehen", so Merkel.

"Gefährdung praktisch ausgeschlossen"

Außenminister Westerwelle hatte zuvor das EU-Außenministertreffen im ungarischen Gödöllö vorzeitig verlassen, um mit dem Krisenstab des Auswärtigen Amtes über technische und humanitäre Hilfe für die Betroffenen in Japan zu beraten. Generell rate die Bundesregierung von allen nicht erforderlichen Reisen nach Japan ab, sagte Westerwelle und empfahl zudem allen Deutschen in der Region um die beschädigten Atomkraftwerke, aber auch im Großraum um die Großstädte Tokio und Yokohama, eine Ausreise zu prüfen.

Norbert Röttgen (Foto: dapd)
Bundesumweltminister RöttgenBild: dapd

Umweltminister Röttgen erklärte, die drohende Kernschmelze in Fukushima stelle keine Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland dar. "Wir gehen davon aus, dass eine Gefährdung Deutschlands praktisch ausgeschlossen werden kann." Dafür spreche einerseits die große Entfernung, andererseits trieben Winde bei der derzeitigen Wetterlage austretende Radioaktivität auf den Pazifik hinaus. Einer neuen Atomdebatte in Deutschland erteilte Röttgen wegen der derzeitigen "akuten Notlage" in Japan eine Absage: "Ich halte das, um es ganz zurückhaltend zu sagen, für völlig deplatziert."

"Keine Zeit für Rechthaberei"

Jürgen Trittin (Foto: dpa)
Grünen-Fraktionschef TrittinBild: picture-alliance/dpa

Er reagierte damit auf Forderungen von Oppositionsparteien und Umweltverbänden, die Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken wieder zurückzunehmen. So hatte der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Samstag erklärt, Atomkraftwerke "sind gegen das Risiko einer Kernschmelze nicht gefeit". Es sei "keine Zeit für Rechthaberei", sagte Trittin gegenüber "Spiegel online". Es stehe aber fest, dass in Deutschland Atomanlagen stünden, "die genau diesen Störfall nicht beherrschen. Genau diese Anlagen sind gerade von der Bundesregierung in der Laufzeit verlängert worden".

Die Vorsitzenden der Linkspartei, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, sowie Linken-Fraktionschef Gregor Gysi verlangten "ein weltweites Moratorium für die Atomkraft. Der Ausbau von Kapazitäten muss gestoppt werden."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnte davor, "das Leid der Japaner" für den "innenpolitischen Streit" zu instrumentalisieren. "Heute muss ein Tag des Innehaltens sein, nicht der parteipolitischen Auseinandersetzung", sagte Gabriel. "Die Katastrophe in Japan erschüttert uns alle", sagte der SPD-Chef. Unabhängig davon werde es "ganz sicher" zu einer internationalen Debatte über die Risiken der Atomenergie kommen.

"Abschalten, Abschalten, Abschalten!"

Teilnehmer der Menschenkette gegen die Atompolitik (Foto: dapd)
Teilnehmer der Menschenkette gegen die AtompolitikBild: dapd

Die Risiken seien auch bei den angeblich sicheren Atomkraftwerken der westlichen Welt nicht beherrschbar, erklärte die Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" am Samstag. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz warnte, Naturkatastrophen könnten auch in anderen Ländern zu massiven Schäden bei Atomanlagen führen. "Es gibt nur eine Lösung: Abschalten, Abschalten, Abschalten!", sagte der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Olaf Tschimpke.

In Baden-Württemberg demonstrierten am Samstag etwa 60.000 mit einer Menschenkette für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Auf einer Strecke von 45 Kilometern zwischen Stuttgart und dem Atomkraftwerk Neckarwestheim zählten die Veranstalter damit rund 20.000 Menschen mehr, als sie zu der Protestaktion erwartet hatten. Als Grund für das gestiegene Interesse nannten die Veranstalter den Atomunfall in Japan. Unter dem Motto "Atomausstieg in die Hand nehmen" bildeten die Teilnehmer auf der gesamten Strecke eine geschlossene Menschenkette.

Autor: Dеnnis Stutе (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Sabine Faber