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Mexiko im Berliner Herbst

Christine Gruler30. September 2002

MEXartes, das größte Mexiko-Festival in Europa, bereichert derzeit den kulturellen Herbst der Hauptstadt. Hier fallen vor allem die Blätter des gängigen Klischees von Sombreros, Tequila und Mariachi-Klängen.

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Busse in Mexiko City: Kunst als Kaleidoskop des AlltagsBild: Courtesy of the artist

Wenngleich das Land an der Schnittstelle von der Zweiten zur Dritten Welt zu den beliebtesten Urlaubsländern zählt, wuchern die urwüchsigen Klischeevorstellungen so üppig wie die Kakteen in den mexikanischen Steppengebieten.

Grund genug einige Stachel zu ziehen oder, wie die Veranstalter - darunter das Haus der Kulturen der Welt und die Mexikanische Botschaft - verkünden, der überkommenen Vorstellung "gegen den Strich zu bürsten": Ausstellungen, Tanz und Theater, Lesungen und Diskurs sollen neue Impressionen liefern. Doch wo anfangen bei all der Vielfalt? Wer die Wahl hat, hat die Qual. DW-WORLD hat sich auf die Fährte der zeitgenössischen Kunst begeben.

Leben in der Megapole Mexiko-City

Zwei Perspektiven bieten sich hier zunächst an. Die von Klaus Biesenbach, Chef der Berliner Kunst-Werke und Spezialist in Sachen mexikanischer Gegenwarts-Kunst. Die zweite ist die der Magalí Arriola, einer junge mexikanischen Kuratorin, die ihre Auswahl im Haus der Kulturen der Welt präsentiert. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich kaum voneinander.

Obszöner Reichtum und totale Armut

Im Fokus steht die Kunstszene der 20-Millionen-Metropole Mexiko-City. Teresa Margolles ist gleich zwei Mal mit ihren Forschungen zu physischen Manifestationen der Erinnerung, der Gewalt und des sozialen Ungleichgewichts am Körper präsent. Mit menschlichem Fett hat sie eine riesige Leinwand glasiert, die derzeit an zentraler Stelle in den Kunst-Werken Berlin hängt.

Körperfett von Übergewichtigen dokumentiert in Biesenbachs Schau, neben auf Bürgersteinen schlafenden Obdachlosen und Prostituierten, "die Wechselkurse von Körpern und Werten". Es sind die Gegensätze von totaler Armut und obszönem Reichtum, die der deutsche Kurator gegeneinander stellt.

Daniela Rosell, "Untiteled", MexArtes
Daniela Rosell, "Ohne Titel" aus "Die Reichen und Berühmten", 1998-2002Bild: ourtesy of the artist and Greene Naftali

Moloch Stadt als Wunschmaschine

"Vaporicazion" heißt die weitere Installation von Teresa Margolles, die einen Raum im Haus der Kulturen mit Wasser benebelt, das die Künstlerin im Leichenschauhaus gesammelt hat. Tote wurden damit gewaschen. Aus Magalí Arriolas Sicht spiegelt die junge Kunst vor allem eines: den Umgang mit dem Moloch Stadt als Wunschmaschine. "Zebra Crossing", so der Titel ihrer Schau, steht für das Spontane, Transitorische von Mexiko-Stadt.

Bewusst grenzt sich Arriola von Biesenbachs Sicht auf einen apokalyptischen Alltag ab: Nicht anders als anderswo, so lautet ihre Botschaft, nutzt die junge mexikanische Kunst-Szene die Stadt als einen Ort der spielerischen Entfaltung.

Eines haben beide Ausstellungen gemeinsam: Sie zeigen, das sich die aktuelle mexikanische Kunst in ihren Ausdrucksformen - Videokunst, Installationen und Objektkunst - in nichts von westlich geprägter Kunst unterscheidet, wie sie allerorts auf der Welt zu sehen ist.

Totengerippe aus Pappmaché

Die dritte Ausstellung, die im Zentrum von MEXartes steht, widmet sich den "Großen Meistern der mexikanischen Volkskunst" und damit der traditionellen Verflechtung von altmexikanischer mit katholischer Kultur: Totengerippe aus Pappmaché, Gebäck und Totenschädel aus Zucker sind hier zu bewundern. In Mexiko werden sie alljährlich zu Allerheiligen produziert und reihen sich unter die etwa 1200 Exponate aus allen Bereichen der Volkskunst, die im Ethnologischen Museum auf etwa 1000 Quadratmetern ausgestellt sind.

Und nach all der Kunst empfiehlt sich Musik

Natürlich gehört die Kunst nicht zu den einzigen Höhepunkten des Festivals. Christine Regus, Pressesprecherin im Haus der Kulturen, empfiehlt DW-WORLD gegenüber Musik. "Mexiko ist in der Musikbranche im Kommen", verrät sie, "und außerdem bietet die Reihe 'Mexican Wave' echte Geheimtipps." Doch ob Rock, Pop, Klassik oder Clubklänge, auch hier gilt wieder: Wer die Wahl hat, hat die Qual.