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Politik

Michael Harms: "Serbien ist jetzt eindeutig pro-europäisch"

9. März 2018

Vor fünfzehn Jahren wurde in Belgrad Serbiens reformorientierter Premier Zoran Djindjic von einem Scharfschützen ermordet. Nach ihm wurde ein Stipendienprogramm der Deutschen Wirtschaft für Westbalkanländer genannt.

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Zoran Djindjic
Zoran Djindjic wurde vor 15 Jahren ermordetBild: picture-alliance / dpa

Deutsche Welle: Am Montag jährt sich der Mord an Zoran Djindjic zum fünfzehnten Mal. Sie waren damals schon sehr aktiv mit der Region Serbien und Westlicher Balkan beschäftigt. Was ging da in Ihnen vor?

Michael Harms: Ich kann mich sehr gut an diesen Tag erinnern, weil wir gerade mit dem damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in Rumänien waren. Und da kam die Nachricht von der Ermordung von Zoran Djindjic. Wir waren alle tiefst betroffen und absolut schockiert – die ganze deutsche Delegation und auch unsere rumänischen Gastgeber -, weil wir einfach eine Riesenhoffnung in diesen Aufbruch in Serbien hatten. Zoran Djindjic hat diesen Aufbruch symbolisiert, gerade mit seinem deutschen Hintergrund, diesen engen Beziehungen, die er zu Deutschland hatte. Uns war sofort klar, dass wir zumindest vor dem Hintergrund dieses tragischen Ereignisses sein Erbe zur Stärkung der deutsch-serbischen Beziehungen insgesamt, nicht nur der Wirtschaftsbeziehungen, irgendwie fortführen müssen.

Danach haben Sie ja das Stipendien-Programm aufgebaut. Was war der Impuls, das mit dem Namen Zoran Djindjic zu verbinden?

Michael Harms Interview
Michael Harms: "Zoran Djindjic stand für die sehr enge Verbindung zwischen Serbien und Deutschland"Bild: DW/E. Nikolaeva

Zoran Djindjic stand eben für die sehr tiefe, sehr enge Verbindung zwischen Serbien und Deutschland. Er hat ja nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen (was jetzt unser Thema ist) gestärkt, sondern er hatte sehr stark diese geistig-kulturelle Verbindung aufgrund seines philosophischen Hintergrundes und der Verbindung mit der deutschen Philosophie. Das war also viel breiter mit dem ganzen Bildungsthema, und uns war irgendwie klar, dass sich das eben auf das Thema Bildung, Ausbildung und deutsch-serbische Beziehungen konzentrieren sollte. Wir hatte das Programm ja begonnen als ein rein deutsch-serbisch-bilaterales Projekt. Nach rund zwei oder drei Jahren Laufzeit des Programms wurde uns klar, dass wir das regional ausdehnen müssen. Denn genau so wichtig wie die bilateralen Beziehungen, ist die Stärkung der Beziehungen innerhalb der Region, und es hat sich sehr gut bewährt, dass wir die gesamte Westbalkan-Region in dieses Programm eingeschlossen haben.

Wenn Sie jetzt zurückblicken auf fünfzehn Jahre der Arbeit des Stipendien-Programms: Was ist an Impulsen aus diesem Projekt herausgegangen und was werden für Sie die nächsten Schritte sein in der Fortführung?

Vielleicht einfach mal ein paar Zahlen: Wir hatten in diesen Jahren etwa sechzehntausend Bewerbungen für dieses Programm; wir haben ungefähr 700 Teilnehmer aus der gesamten Region, die länger dauernden Praktika in deutschen Unternehmen gemacht haben; wir haben 150 Unternehmen, die sich daran beteiligt haben. Ich glaube, die Stärkung der reinen Wirtschaftsbeziehungen ist ein sehr pragmatisches Ergebnis. Die meisten Stipendiaten sind auch wieder in die Region zurückgekehrt. Das ist auch ganz wichtig, denn es sollte ja nicht ein brain-drain-Programm sein, sondern es sollte eine Stärkung der Kompetenz und der bilateralen Verbindung in der Region sein. Da ist auch das Alumni-Netzwerk, die Stärkung der Beziehungen innerhalb der Region in der jungen Generation, auch von Leuten, die gut qualifiziert und auch gut positioniert sind in den jeweiligen Ländern. Und dann geht es auch um - wie pathetisch das auch klingen mag - die Wertevermittlung, die man von Deutschland aus in die Region, aber auch zurück spiegelt. Und ich glaube, das ist uns auch sehr gut gelungen mit Unterstützung der GIZ und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit - das sind, glaube ich, so die wichtigsten Resultate dieses Programms.

Die Deutsche Welle hat in den vergangenen Jahren immer wieder Stipendien gehabt und noch heute arbeiten einige Ihrer ehemaligen Stipendiaten für die Deutsche Welle. Wie sehen Sie denn das Element der Zivilgesellschaft und der Medien in dieser regionalen Zusammenarbeit und in der Verbindung zu Deutschland?

Das ist natürlich unglaublich wichtig und ich bin auch sehr froh und dankbar, dass auch Ihr Haus mitmacht. Die Wirtschaftsbeziehungen sind sicher wichtig, aber ebenso die Vermittlung der Idee, die dahinter steht – und da spielen natürlich die Medien eine absolut zentrale Rolle. Aber auch die Vermittlung von Werten einer freien Medienkultur ist etwas, was unglaublich wichtig ist in dem Programm, denn da haben wir noch genug Probleme in der Region. Deshalb: je mehr Medien wir von beiden Seiten einbinden, desto besser ist es auch für das Programm.

Trauerfeier für Djindjic
Zoran Djindjic war Hoffnungsträger für Serbien - Hunderttausende kamen zu der Trauerfeier in BelgradBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Was ist vom Vermächtnis Zoran Djindjics in Serbien geblieben?

Ich glaube, das wichtigste Vermächtnis von Zoran Djindjic ist, dass Serbien jetzt einen ganz klar pro-europäischen Kurs eingeschlagen hat. Es ist nahezu unumstritten in Serbien, dass man Teil der Europäischen Union werden möchte - auch mit den dahinter stehenden Werten, auch mit den Regularien. Das ist, glaube ich, das zentrale Vermächtnis, das von Zoran Djindjic geblieben ist. Aber wie gesagt, auch die Stärkung dieser bilateralen Beziehungen. Wir haben vom  wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet eine deutliche Zunahme der Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen in Serbien, wir haben eine insgesamt positive Wirtschaftsentwicklung. Aber wenn ich mir die Probleme in der Region ansehe: da gibt es viel zu tun zum Stichwort „regionale Zusammenarbeit", da gibt es sehr viel zu tun beim Thema „Integration der Jugend in die Entwicklung", denn wir haben diese Abwanderungstendenzen. Es gibt viel zu tun in Richtung freie Presse, sozusagen Abwehren von gewollten Zugriffen des Staates auf diese freie Presse. Also: es gibt noch genug Herausforderungen, die vor uns liegen.

Welche Konsequenzen wird das haben für Ihr Engagement im Stipendien-Programm in der Zukunft?

Wir wollen das auf jeden Fall weiter ausbauen, wir haben auch die Zusage des Entwicklungshilfeministeriums, da weiter engagiert zu bleiben. Ich glaube, da wird sich nichts Grundsätzliches ändern am Programm, das Modell hat sich ja sehr bewährt. Wir werden die Alumni-Arbeit weiter stärken, wir werden vielleicht stärker noch Elemente zivilgesellschaftlichen Engagements einbauen, dass es nicht nur ein eines Wirtschaftsprogramm bleibt. Aber ich glaube, in den Grundzügen sollte dieses Programm so weitergeführt werden, wie es jetzt ist.

Logo des Stipendienprogramms der Deutschen Wirtschaft Zoran Djindjic 2018
Ziel des Studienprogramms ist die Vertiefeung der Beziehungen zwischen Deutschland und Westbalkanstaaten

Gibt es zum Jubiläum ein besonderes Highlight?

Wir werden Ende Juni einen Festakt haben hier in Berlin, den wir auf dem Euref-Campus durchführen. Denn wir wollen als Wirtschaft sozusagen vor allem die neuen Perspektiven der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zeigen - Stichwort: Energieeffizienz, Digitalisierung und ähnliches. Und wir werden Ende September eine regionale Wirtschaftskonferenz in Serbien haben, und dort werden wir auch einen Festakt für die Region an diese Konferenz anbinden.

Haben Sie den Eindruck, dass die serbische Regierung Ihr Projekt auch im Geiste Zoran Djindjics mitträgt?

Wir haben eine sehr, sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der serbischen Regierung, wobei der Hauptpartner natürlich die Zoran-Djindjic-Stiftung ist, unter Leitung von Ruzica Djindjic, der Witwe von Zoran Djindjic. Wie gesagt, die pro-europäische Orientierung Serbiens steht außer Zweifel, aber wir haben natürlich auch die Punkte, die wir kritisieren und auf die ich ja schon hingewiesen hatte.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke

Michael Harms ist Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und Mitbegründer des Zoran Djindjic Stipendienprogramms der Deutschen Wirtschaft für die Länder des Westlichen Balkans.