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"Westbalkan ist die Region der Geheimfavoriten"

28. September 2018

Für die deutsche Wirtschaft sind die Westbalkanländer sehr wichtig. Man braucht aber Stabilität, sagt in einem DW-Interview Michael Harms, Geschäftsführer des Deutschen Wirtschaftsverbandes für Osteuropa.

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Michael Harms
Bild: DW/N. Jolkver

DW: Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Ländern des westlichen Balkans?

Mihael Harms: Es ist eine Region der sogenannten geheimen Favoriten. In den letzten Jahren hat sich das Handelsvolumen mit diesen Ländern verdoppelt, und diese Beziehungen haben eine sehr gute Dynamik. Aber das ist noch nicht genug. Der Grund ist, dass sich diese Länder sehr schnell entwickeln, aber von einem sehr niedrigen Niveau ausgehen. Darüber hinaus handelt es sich hauptsächlich um kleine und fragmentierte Märkte. Aus diesem Grund ist die regionale Zusammenarbeit sehr wichtig. Aber deutsche Unternehmen handeln nicht nur mit der Region, sondern investieren dort auch. Mit sechs westlichen Balkanländern beträgt der jährliche Handel etwa zehn Milliarden Euro. Gleichzeitig haben wir in Serbien rund 40.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, in Mazedonien etwa 20.000. Alles in allem können wir mit der Entwicklung zufrieden sein.

Spielt Serbien da eine besondere Rolle?

Ja, denn es ist das größte Land in der Region, geografisch hat es eine zentrale Position und spielt politisch auch die wichtigste Rolle. Darüber hinaus ist dieses Land auch für Investoren sehr interessant. Die Automobilindustrie hat eine Reihe neuer Arbeitsplätze geschaffen, darunter auch in qualitativ hochwertigen Bereichen wie Wissenschaft und Technologieentwicklung. Ich denke, Serbien schätzt auch sehr dieses Engagement. Es ist ein zentraler Partner für uns.

Was erwarten deutsche Unternehmen von diesem Engagement?

Unternehmer erwarten immer wirtschaftliche Vorteile, sie wollen Geld verdienen. Und das ist in diesen Ländern möglich. Das Problem ist, dass die Märkte in der Region klein sind. Daher lohnt es sich nicht, allein in die Produktion für diesen Markt zu investieren. Die meisten Produkte sind bestimmt für den deutschen, den europäischen oder den weltweiten Markt. Aber die Arbeiter sind gut    qualifiziert, die Arbeitskräfte sind relativ preiswert, es gibt eine gute Verkehrsverbindung mit Europa, und es gibt auch eine europäische politische Perspektive. Die Länder haben auch bei Themen wie Rechtsstaatlichkeit und stabile Rahmenbedingungen große Fortschritte gemacht, obwohl es noch immer Probleme gibt. Darüber hinaus besteht eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit Deutschland, viele Menschen sprechen Deutsch. All dies sind wichtige Vorteile.

Mazedonien Dräxlmaier-Werk in Kavadarci
Werk des Autozulieferers Dräxlmaier in Kavadarci, MazedonienBild: Dräxlmaier Group

Welche Rolle spielen Themen wie Freiheit der Medien, Menschenrechte oder Arbeitsrechte?

Firmen sind grundsätzlich unpolitisch. Für Geschäftsinhaber ist es am wichtigsten, einen stabilen und zuverlässigen rechtlichen Rahmen  zu haben. Demokratische Entwicklungen sind jedoch ein Teil davon. Wenn Sie keine transparente, vertrauenswürdige und korruptionsfreie Justiz haben, betrifft dies auch den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund sind alle Unternehmen daran interessiert, dass die EU-Kriterien respektiert und angewendet werden. Das sind die Kriterien, die alle diese Länder eingehalten müssen, die die EU wollen, und wir unterstützen dies natürlich.

Was erwarten Sie von der Zukunft?

Diese regionale Wirtschaftskonferenz findet unter besonderer Berücksichtigung der Frage statt: Wie könnte der Westbalkan im Jahr 2030 aussehen? Wir hoffen vor allem, dass der Weg nach Europa fortgesetzt wird und dass diese Länder Teil der Europäischen Union sein werden. Wir hoffen, dass sie sich auch politisch stabilisieren, dass die Konflikte der Vergangenheit nicht wieder aufbrechen, sondern im gegenteil, dass sie gelöst werden. Und wir hoffen, dass die Bevölkerung dieser Länder in Freiheit und Wohlstand leben kann. Auf jeden Fall bin ich sehr optimistisch.

In wenigen Tagen wird in Mazedonien ein Referendum über den Namensänderung des Landes stattfinden. Sollte dieser Streit gelöst werden, wie wird sich das auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken?

Mazedonien ist bereits eine erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte. Die deutsche Wirtschaft hat dort bereits stark investiert und es herrscht ein intensiver Handelsaustausch. Voraussetzung für die weitere Entwicklung ist jedoch, dass Mazedonien seinen Weg nach Europa fortsetzt. Dieser Namensstreit war da ein großes Hindernis, und wir hoffen sehr, dass dieses Problem gelöst wird. Dies würde den Weg frei machen und wäre sowohl für Mazedonien als auch für die deutsche Wirtschaft sehr positiv.

Und inwieweit beeinträchtigt der Kosovo-Streit die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Gebiet?

Es wäre wichtig, dass die beiden Seiten zusammen eine Lösung finden. Denn das ist zurzeit ein Problem, und dieser Streit blockiert nicht nur das Kosovo, sondern die ganze Region.

Das Gespräch führte Zoran Arbutina

Michael Harms ist deutscher Wirtschaftsexperte, geschäftsführender Direktor des Deutschen Wirtschaftverbandes für Osteuropa und einer der Organisatoren der zweitägigen Konferenz "Westbalkan 2030 - Vision. Wünsche. Realität ", am 26. und 27. September 2018 in Belgrad.