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Michael Kochs schwieriges Amt

Daniel Scheschkewitz30. März 2012

Michael Koch ist der neue Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan. Unter Deutschlands Diplomaten gibt es wohl kaum einen, der für die Aufgabe geeigneter wäre, als der frühere Botschafter in Pakistan.

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Der neue Afghanistanbeauftragte Michael Koch (Foto: dpa)
Der neue Afghanistanbeauftragte Michael Koch

Im Unterschied zu seinem Vorgänger Michael Steiner, der auch schon mal laut werden konnte, gilt der 56-jährige Koch als Mann der leisen Töne. Das diplomatische Fingerspitzengefühl wurde ihm schon in die Wiege gelegt. Als Sohn eines deutschen Diplomaten im amerikanischen Kansas City geboren, trat Koch 1986 in den diplomatischen Dienst ein. Zuletzt war er Botschafter in Pakistan, davor Leiter der politischen Abteilung an der deutschen Botschaft in Indien. Koch gilt als ausgezeichneter Kenner der gesamten Region. "Ich bin mir sicher, dass Michael Koch dieses Amt gut weiterführen wird", sagt Johannes Pflug, SPD-Afghanistanexperte und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages über den neuen Sonderbeauftragten. "Er war ja nicht nur Botschafter in Pakistan, sondern hat beim Auswärtigen Amt zwischen 2004 und 2008 auch den Planungsstab Afghanistan geleitet."

Exzellenter Kenner der Region

Afghanistan und Pakistan, für die Koch von Sonntag (01.04.2012) an offiziell verantwortlich ist, sind nicht die ersten schwierigen asiatischen Länder, in denen der deutsche Spitzendiplomat seinen Dienst anzutreten hatte. In der 1990er Jahren war er als stellvertretender Botschafter in Myanmar (Birma) in einem der am stärksten isolierten Staaten des asiatischen Kontinents akkreditiert. Wo immer er seinen Dienst aber auch versah, bestach Michael Koch durch eine besondere Fähigkeit: "Er ist das, was man gemeinhin als einen Aktenfresser bezeichnet. Ein Mensch, der nicht nur ständig Bücher und Zeitschriften liest, sondern das meiste von dem, was er liest, auch noch behält", so der Politiker Pflug über den deutschen Topdiplomaten und neuen Afghanistan-Beauftragten. Das Erinnerungsvermögen anderer wird Koch gelegentlich strapazieren müssen, wenn es in seinem neuen Amt auch darum geht, darauf zu achten, dass die Hilfszusagen der internationalen Staatengemeinschaft für Afghanistan auch nach dem Truppenabzug 2014 eingehalten werden. Kochs Vorgänger im Amt, Michael Steiner, hatte in dieser Funktion mit dafür gesorgt, dass diese langfristigen Hilfszusagen die Bonner Afghanistankonferenz im Dezember 2011 zu einem Erfolg gemacht hatten.

Kochs bisheriger Wirkungsbereich: die Deutsche Botschaft in Islamabad, Pakistan (Foto: dpa)
Kochs bisheriger Wirkungsbereich: die Deutsche Botschaft in Islamabad, PakistanBild: picture-alliance/dpa

Schwierige Rahmenbedingungen

Koch tritt die Nachfolge Steiners in einer schwierigen Phase an. Die Taliban fühlen sich durch die immer neuen Spekulationen über einen vorgezogenen Truppenabzug der ISAF-Verbände gestärkt und wissen die Zeit auf ihrer Seite. In den USA hat unterdessen der Wahlkampf begonnen, was nach Ansicht vieler Beobachter direkte Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen in Afghanistan haben wird. "Michael Koch wird erstmal mit der Schwierigkeit zu tun haben, dass die Amerikaner in diesem Jahr einen Präsidenten wählen. Vor allem die Hardliner auf der Seite der US-Demokraten möchten im Moment gar keine Verhandlungen mit den Taliban", so die Einschätzung des SPD-Politikers Pflug. In der deutschen Außenpolitik ist es jedoch Konsens, dass es in Afghanistan keine militärische, sondern nur eine zivile Lösung geben kann. Zu Gesprächen mit den Taliban gibt es, meint Pflug, deswegen auch keine Alternative.

Hamid Karsai auf der Bonner Afghanistankonferenz 2011 (Foto: dpad)
Hamid Karsai auf der Bonner Afghanistankonferenz 2011Bild: dapd

Darin stimmt ihm auch der pakistanische Journalist und Taliban-Experte Achmed Rashid zu. Ihm zufolge könnte die Aufgabe des deutschen Afghanistanbeauftragten in den nächsten Monaten auch darin bestehen, bei diesen Verhandlungen Steine aus dem Weg zu räumen. "In den nächsten Monaten wird es jede Menge Komplikationen geben. Und es könnte durchaus sein, dass die Taliban oder die Amerikaner auf die Hilfe der Deutschen zurückgreifen müssen, um die festgefahrenen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen", so die Einschätzung Rashids.

Autor und Taliban-Experte Ahmed Rashid (Foto: AP)
Autor und Taliban-Experte Ahmed RashidBild: AP

Deutschlands geschätzte Vermittlerrolle

Kochs Vorgänger Steiner hatte wesentlich dazu beigetragen, dass die Gespräche mit den Taliban im vergangenen Jahr im Emirat Katar überhaupt in Gang gekommen waren. Deutschland habe sich dabei bei allen Beteiligten ein hohes Maß an Vertrauen erworben, glaubt Rashid, denn "Deutschland verfolgt in diesen Verhandlungen keine eigene politische Agenda. Die Regierung Karsai, die Taliban und auch Pakistan vertrauen den Deutschen deshalb." Allerdings müsse Deutschland aufpassen, so Rashid weiter, von den Amerikanern nicht an den Rand gedrängt zu werden.

Michael Koch verfügt selbst über gute Verbindungen in die USA, war er doch den 90er Jahren Leiter im Stab des damaligen Koordinators für deutsch-amerikanische Beziehungen, Werner Weidenfeld. Kochs Rolle als Mittler könnte noch auf einer anderen Ebene zum Tragen kommen. Eine dauerhafte politische Lösung für Afghanistan muss nach Ansicht der meisten Experten von den wichtigsten Mächten der Region mitgetragen werden. Dazu zählen neben Indien und Pakistan auch der Iran. Anders als Deutschland unterhalten die USA aber derzeit keine diplomatischen Beziehungen zum Iran. "Koch könnte einen solchen Gesprächsfaden knüpfen helfen", meint Achmed Rashid. Auch die Beziehungen der USA zu Pakistan sind seit der amerikanischen Militäraktion zur Tötung Osama Bin Ladens im Mai vergangenen Jahres massiv gestört. Als ehemaliger Botschafter in Pakistan könnte Koch auch hier Brücken bauen.

Kochs Amtsvorgänger: Michael (Foto: dpa)
Brachte die Verhandlungen mit den Taliban in Gang: Michael Steiner, Kochs Vorgänger im AmtBild: picture-alliance/dpa

Kontakte in alle Richtungen

In jedem Falle werde sein Vermittlungsgeschick früher oder später wieder gefragt sein: "Deutschland wird im afghanischen Friedensprozess auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Viele Botschaften zwischen den Taliban und der Regierung von Präsident Hamid Karsai wurden bislang über deutsche Kanäle ausgetauscht", weiß der Autor zu berichten. In diesem diplomatischen Geflecht werde der deutsche Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan auch künftig eine wichtige Rolle spielen. In seiner neuen Funktion gehört Michael Koch zu den wichtigsten deutschen Diplomaten überhaupt. Seine Mission zählt aber zweifellos auch zu den schwierigsten.