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Politik

Brauchen stabilen Westbalkan

28. Juni 2018

Albanien und Mazedonien können sich auf EU-Beitrittsgespräche vorbereiten - allerdings erst im Juni 2019. Eine richtige Entscheidung, findet Michael Roth, Staatsminister im deutschen Außenministerium, im DW-Interview.

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DW Interview - Staatsminister für Europa Michael Roth
Staatsminister Roth: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen und der Erweiterung"Bild: DW/

DW: Herr Staatsminister Roth, in Albanien und Mazedonien wurde die Entscheidung widersprüchlich interpretiert: Die Opposition wertete sie als ein negatives, die Regierungen als ein positives Signal. Wie sollen wir das verstehen?

Roth: Albanien und Mazedonien sind auf dem Weg in die EU einen großen Schritt vorangekommen. Darauf können unsere mazedonischen und unsere albanischen Freunde sehr stolz sein. Sie haben viel erreicht, sie haben viele Reformen umgesetzt, aber es bleibt natürlich auch eine Menge zu tun. Und die Brücke, die wir jetzt gebaut haben bis zum Juni nächsten Jahres, sollte so tragfähig sein, dass es beide Staaten auch schaffen, dann diese Brücke in Richtung Beitrittsverhandlungen für die Europäische Union auch zu nutzen.

Welche Argumente hatten Frankreich und die Niederlande, die dagegen waren und die sie überzeugen mussten?

Roth: Es gibt natürlich ein Argument, das mit der Lage in Skopje und mit der Lage in Tirana überhaupt nichts zu tun hat. Das ist die krisengeschüttelte Europäische Union, die sich fragt: Schaffen wir es in diesen Zeiten, wo wir alle Kraft investieren müssen, um den eigenen Laden auf Vordermann zu bringen, noch ambitionierte Beitrittsverhandlungen zu führen? Mich überzeugt dieses Argument nicht, weil ich nach wie vor der Überzeugung bin, dass es im gesamteuropäischen Interesse ist, dass der Westbalkan demokratisch, stabil und rechtstaatlich verankert bleibt oder wird.

Wenn Sie sagen, dass es nicht an den Ländern selber liegt, sondern an der EU, dann kann man doch befürchten, dass in einem Jahr die EU immer noch mit ihren Problemen beschäftigt ist und die Entscheidung erneut verschiebt. 

Ich habe ja bislang nur ein Argument genannt, was nicht mit diesen beiden Staaten zu tun hat. Aber es gibt natürlich nach wie vor Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Zweifel haben, ob die eingeschlagen Reformschritte ausreichend sind. Vor allem im Hinblick auf die entschiedene Bekämpfung der Korruption, Kampf gegen die organisierte Kriminalität, Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und Rechtstaatlichkeit. Deshalb hat ja meine Regierung auch einen Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt, der auch auf große Sympathien stieß. Am Ende bin ich aber vor allem froh, dass wir uns jetzt doch auf eine gemeinsame Position verständigt haben, die vor allem auch als Ermutigung der Reformkräfte in Albanien und in der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien gesehen werden sollte.

Bulgarien EU-Westbalkan-Gipfel in Sofia
EU-Westbalkan-Gipfel am 17.5. in Sofia: Präsident Macron, Premierministerin May, Kanzlerin Merkel (v.l.n.r.)Bild: Reuters/S. Nenov

Sollen diese Länder darüber hinaus auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise ihre Hilfe anbieten?

Es gibt keine unfairen Deals zwischen der Europäischen Union und diesen beiden Staaten. Wir anerkennen, dass der Westbalkan schon viel geleistet hat bei der Aufnahme von Geflüchteten. Um es ganz deutlich zu sagen: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen und der Erweiterung. Das ist die freie, souveräne Entscheidung dieser beiden Staaten und ich fände es sehr unfair, wenn man Druck auf diese beiden Staaten ausübte. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

Was muss Albanien ganz konkret bis Ende Juni 2019 erreicht haben?

Albanien hat ja mit dem sogenannten Vetting-Prozess (Transparenz in albanischer Justiz) Maßstäbe gesetzt bei der Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und wir erwarten einen klaren Durchbruch auch im Rahmen des Vetting-Verfahrens, was die Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten anbelangt. Und wenn dann noch entschiedener die organisierte Kriminalität bekämpft wird, kann das sicherlich auch sehr vertrauensbildend sein, vor allem gegenüber denjenigen Staaten, die noch etwas zurückhaltender sind.

Und Mazedonien? Der mazedonische Präsident weigert sich das Namensabkommen mit Griechenland zu unterzeichnen. Die Opposition ist dagegen. Befürchten Sie nicht eine Verschlechterung der Lage bis September, wenn in Mazedonien das Namensreferendum stattfinden wird?

Ich kann nur an alle politisch Verantwortlichen in Skopje appellieren, ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden. Vielleicht wissen nicht alle, was auf dem Spiel steht. Ich kann natürlich nachvollziehen, wie schmerzhaft auch dieser Kompromiss für den einen oder für den anderen sein mag, aber er ist der Schlüssel für die Tür in Richtung Europäische Union und Nato-Mitgliedschaft. Es ist ein Schlüssel, der eine Tür öffnet für dauerhaften Frieden und Versöhnung in der Region und ich habe den Eindruck, dass die allermeisten Menschen in der Region dies verstanden haben. Aber wir müssen offenkundig auch noch lernen, dass der Westbalkan eine größere Aufmerksamkeit verdient, weil Stabilität und Demokratie auf dem Westbalkan im originären Interesse der EU sein sollten und es darf dort kein politisches Vakuum entstehen.

Michael Roth ist Staatsminister für Europäische Angelegenheiten im Auswärtiges Amt.

Das Interview führte Anila Shuka.