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Michelle Bachelet tritt ihr Amt an

11. März 2006

Als erste Frau an der Spitze Chiles wird Michelle Bachelet als Präsidentin vereidigt. Ein Triumph für das ehemalige Opfer des Pinochet-Regimes. Eine neue, sicherere Wohnung hat sie schon.

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Eine Frau mit GeschichteBild: AP

Unter dem chilenischen Militärregime von Augusto Pinochet wurde Michelle Bachelet ins Gefängnis gesteckt und misshandelt. Nach ihrer Haftentlassung lebte sie zeitweise in der damaligen DDR. Als Medizinstudentin in Santiago behandelte sie später Folteropfer. Als Verteidigungsministerin gewann die Sozialistin auch das Herz konservativer Generäle, und nun steht sie als erste Frau an der Spitze des lateinamerikanischen Landes. Am Samstag (11.3.2006) wird Bachelet als Chiles Präsidentin in Santiago vereidigt.

Eine ganz normale chilenische Hausfrau

"Als ich mich zur Kandidatur für die Präsidentschaft entschlossen habe, habe ich eine große Verantwortung auf mich genommen", sagt die 54-jährige Kinderärztin. "Und ich habe mich gefragt, ob ich das will, ob ich mich dazu überhaupt in der Lage fühle. Ich bin eine ernsthafte Frau." Im Wahlkampf hat die allein erziehende Mutter von drei Kindern ferner betont, sie sei eine ganz normale chilenische Hausfrau, die gleichzeitig einer Arbeit nachgehe: "Jeden Tag bringe ich meine Tochter zur Schule und gehe im Supermarkt einkaufen."

Doch natürlich ist Bachelets Karriere alles andere als normal verlaufen. Ihr vielleicht erstaunlichster Erfolg war, dass sie als Verteidigungsministerin selbst Pinochet treue Generäle für sich einnehmen konnte. Dadurch gelang es ihr, das nach 17 Jahren Militärherrschaft tief sitzende Misstrauen zwischen Streitkräften und Zivilgesellschaft abzubauen. Aber anfangs habe sie es mit den konservativen Militärs nicht leicht gehabt, sagte sie in einem Interview: "Ich bin eine Frau, lebe von meinem Mann getrennt, bin Sozialistin und nicht religiös - alle erdenklichen Sünden auf einmal."

Haft und Folter

Bachelet stammt selbst aus einer Offiziersfamilie, doch ihr Vater Alberto, ein General, stand aus Sicht der einstigen Junta auf der falschen Seite. Er war gegen Pinochet und wurde nach dessen Putsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende 1973 inhaftiert und gefoltert. Er starb im Gefängnis an einem Herzinfarkt, den seine Tochter auf die Misshandlungen zurückführt. Auch die damals 22-jährige Bachelet und ihre Mutter wurden inhaftiert. Fünf Tage verbrachten sie mit verbundenen Augen und ohne Essen in einer Zelle mit weiteren Frauen.

Bachelet selbst will keine Details aus dieser Zeit preisgeben. Sie sagt lediglich, sie und ihre Mutter seien "körperlich misshandelt" worden. Zugleich aber betont sie, dass sie keine Rachegedanken hege. Ihr sei auf Grund ihres politischen Verständnisses klar, warum das damals alles passiert sei.

Mutter von drei Kindern

Die guten Verbindungen der Familie ermöglichten es den beiden Frauen schließlich, ins Exil zu gehen - zunächst nach Australien, dann in die damalige DDR. Dort lernte Bachelet ihren Ehemann kennen, ebenfalls Exil-Chilene, mit dem sie zwei Kinder hat. Nach der Rückkehr nach Chile trennten sich die beiden. Später bekam Bachelet noch ein drittes Kind von einem anderen Partner.

Fünf Jahre verbrachte sie im Exil. Zurück in Santiago absolvierte sie ein Medizinstudium und wurde Kinderärztin. Zugleich schloss sie sich der damals im Untergrund tätigen Sozialistischen Partei an. Nach dem Ende der Diktatur und dem Wahlsieg des Oppositionsbündnisses 1990 stieg sie rasch zu einer der bekanntesten Politikerinnen Chiles auf.

Politisches Profil als Ministerin

Nachdem 1990 der Sozialist Ricardo Lagos die Präsidentschaft gewonnen hatte, wurde Bachelet zunächst Gesundheitsministerin und 2002 dann Verteidigungsministerin. Sie schien dafür qualifiziert, weil sie auch einen Universitätskurs in militärisch strategischen Studien mit Bravour absolviert hatte. Und in der Tat konnte sie die Skeptiker von ihren Fähigkeiten überzeugen und ebenso das Volk für sich gewinnen. Vielfach ist in Chile vom "Bachelet-Phänomen" die Rede.

Dennoch war sie sich im Wahlkampf, aus dem sie am 15. Januar 2006 als Siegerin hervorging, darüber im Klaren, dass sie kritischer beobachtet wurde als die männlichen Kandidaten. Auf die Frage eines Reporters, ob sie noch einmal heiraten wolle, antwortete sie denn auch kühl: "Sie würden mich das bestimmt nicht fragen, wenn ich ein Mann wäre." Dann aber fügte sie hinzu: "Ich habe jetzt nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken. Die nächsten Jahre werden ganz meiner Arbeit gewidmet sein." Ein Versprechen aus dem Wahlkampf hat Bachelet bereits eingelöst: Die Hälfte ihres 20-köpfigen Kabinetts hat sie mit Frauen besetzt, darunter die Ressorts Verteidigung und Wirtschaft. Entscheidend für die Auswahl sei in jedem Fall aber die Qualifikation gewesen, betont sie.

Neue Wohnung

Die neue Präsidentin hat auch schon im Osten von Santiago de Chile eine neue Wohnung für sich und ihre drei Kinder angemietet. Die bisherige Wohnung habe für die künftige Staatschefin und ihre Kinder keine ausreichenden Rückzugsmöglichkeiten geboten, hieß es zur Begründung des Umzugs. Die Polizei hatte Bachelet geraten, sie solle für ihre Amtszeit von vier Jahren dringend eine andere Wohnung beziehen. (kap)