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Miese Stimmung

Sola Hülsewig (je)27. Juli 2007

Bei den Oberhauswahlen in Japan sind innenpolitische Turbulenzen nicht ausgeschlossen. Spekulationen über die Zukunft von Premierminister Shinzo Abe haben Hochkonjunktur. Könnte es für ihn tatsächlich eng werden?

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Shinzo Abe mit japanischer Flagge, Quelle: AP
Will auf gar keinen Fall zurücktreten: Premierminister Shinzo AbeBild: AP

Einen Tag vor den Teilwahlen zum japanischen Oberhaus hat Ministerpräsident Shinzo Abe die Wähler um Unterstützung und Vertrauen für seine Liberaldemokratische Partei (LDP) und sine Reformen gebeten. "Die LDP wird die Reformen weiter vorantreiben. Bitte gebt uns die Kraft. Bitte gebt uns einen Sieg", rief Abe am Samstag (28.7.) auf einer Wahlkampfveranstaltung in einem Einkaufsviertel in Tokio.

Obwohl nur die Hälfte der 242 Sitze der zweiten Parlamentskammer neu besetzt wird, gilt der Urnengang am Sonntag als wichtiger Test für die Beliebtheit des konservativen Ministerpräsidenten. Mehrere Betrugsskandale hatten die Regierung in den vergangenen Monaten erschüttert.

Eigentlich kommt den japanischen Oberhaus keine große Entscheidungsgewalt zu: Es ist dem Unterhaus politisch untergeordnet. Trotzdem stoßen die Oberhauswahlen auf reges Interesses in der Bevölkerung und bei politischen Beobachtern. Sie gelten traditionell als "Stimmungsbarometer", betont Japan-Kenner Manfred Pohl vom Institut für Asienkunde der Universität Hamburg.

Skandalerschüttertes Japan

Shinzo Abe und seine Partei sind zurzeit in der japanischen Bevölkerung nicht besonders beliebt: Mehrere Skandale, darunter der Selbstmord eines Ministers, hatten der LDP seit Abes Amtsantritt im letzten Jahr schwer zugesetzt. Abes Zustimmungswerte in der Bevölkerung liegen Meinungsumfragen zufolge unter der Marke von 30 Prozent. In den Medien wird deshalb spekuliert, ob Abe als Premierminister zurücktreten müsse, sollte die LDP in den Wahlen besonders schlecht abschneiden.

Blick in den Parlamentssaal des japanischen Oberhauses, Quelle: dpa
Das Japanische OberhausBild: picture alliance/dpa

Bislang verfügen die LDP und deren Partner, die Bewegung Neue Komeito, über 135 Sitze. Gewinnen müssen sie zusammen mindestens 64, um ihre Mehrheit zu behaupten. Jüngsten Umfragen zufolge kann das Bündnis aber nur mit 38 bis 58 Mandaten rechnen. Zwar würde auch in diesem Fall kein Machtwechsel anstehen, weil die Koalition im politisch wichtigeren Unterhaus die Mehrheit hat. Allerdings könnte ihr ein von der Opposition dominiertes Oberhaus das Leben schwer machen, der 52-jährige Abe wäre angeschlagen.

Abe selbst habe jedoch mit keinem Wort angekündigt, wie groß die Verluste sein müssten, damit er sein Wahlprogramm als gescheitert ansähe und seinen Posten freiwillig abgäbe, sagt Markus Tidten von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Tidten glaubt nicht an einen Rücktritt Abes: "Es müsste schon zu sehr dramatischen Einbrüchen bei der Wahl kommen, um das zu rechtfertigen." Diese seien aber nicht zu erwarten. Außerdem besäßen die Liberaldemokraten im Unterhaus eine Zweidrittelmehrheit: "Selbst wenn sie die Oberhauswahlen verlieren würden, würde das nichts bedeuten", sagt Tidten.

Die LDP ist in Japan seit den 1950er Jahren fast ununterbrochen an der Regierungsmacht. Das wird sich voraussichtlich auch nicht so bald ändern: Manfred Pohl sieht für die größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei Japans (DPJ), keinerlei Chancen, als Sieger aus den Wahlen hervorzugehen: "Die Demokratische Partei ist für den japanischen Wähler keine erkennbare Alternative." Bei den wichtigen Themen, wie beispielsweise der Außen- und Sicherheitspolitik Japans unterschieden sich die Programme von LDP und DPJ kaum, so Pohl. Die Führungselite der Demokraten sei außerdem fast komplett mit ehemaligen LDP-Mitgliedern besetzt.

Koizumis schweres Erbe

Tidten führt die Spekulationen um Abes Zukunft hauptsächlich auf die Wahlkampfstrategie der DPJ zurück: "Die Opposition stilisiert die Wahl hoch, als sei sie der entscheidende Schritt zum Regierungswechsel." Der wäre aber nicht in Sicht. "Sehr viele, die Abe eins auswischen wollen, werden diese Chance nutzen", so Tidten. Allerdings würden es wohl kaum so viele werden, dass Abes politische Zukunft in Gefahr geraten könnte.

Junichiro Koizumi, ehemaliger japanischer Premierminister
Ex-Premierminister Junichiro Koizumi war populärerBild: AP

Abes Unpopularität hat viel mit seinem Vorgänger zu tun: Als Nachfolger Junichiro Koizumis hat es Abe schwer. Sein charismatischer Vorgänger trat um einiges extrovertierter auf und erreichte sehr hohe Popularitätswerte. Allerdings habe Koizumi während seiner Amtszeit mehrere populistische Themen präsentiert, die er selbst dann nicht umgesetzt habe, gibt Tidten zu bedenken. Abe müsse nun das durchführen, was Koizumi vollmundig versprochen hat.

Auch innerhalb seiner eigenen Partei sei Abe umstritten, sagt Manfred Pohl. Allerdings sei niemand in der LDP gewillt oder in der Lage, seine Nachfolge anzutreten. Auf lange Sicht werde Abe sich aus seinem Umfragetief erholen, ist sich Markus Tidten sicher: "Ich glaube, Abe ist auf dem besten Weg, für die japanischen Wähler das zu repräsentieren, was Koizumi nicht hatte, nämlich eine gewisse Verlässlichkeit."

Bis zur nächsten Unterhauswahl - voraussichtlich in vier Jahren - werde Abe die Probleme soweit geregelt haben, dass die LDP an der Macht bleiben könne. Und wahrscheinlich werde Abe weiterhin an der Spitze der Partei stehen. "Wir werden uns mit Abe und seiner sehr konfrontativen Außen- und Sicherheitspolitik wahrscheinlich noch einige Jahre anfreunden müssen", sagt Tidten.