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Migranten als Krisenhelfer

Helle Jeppesen26. November 2012

Die ärmsten Länder der Welt leiden besonders stark unter der Wirtschaftskrise - unter anderem, weil sie weniger Entwicklungshilfe erhalten. Doch Migranten aus diesen Staaten überweisen immer mehr Geld in die Heimat.

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Stapel von Koffern auf einer Weltkarte (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/clabert

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 sind die internationalen Direktinvestitionen in Entwicklungsländer auf die Hälfte zurückgegangen. Auch die offizielle Entwicklungshilfe vieler Geberländer sinkt oder stagniert. Sie ist in den meisten Fällen noch sehr weit von dem Ziel entfernt, das sich die reichen UN-Mitglieder bis 2015 gesetzt haben: 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe bereitzustellen.

Auf eine Geldquelle ist in den ärmsten Entwicklungsländern der Welt jedoch Verlass: Die Migranten, die im Ausland leben und arbeiten, überweisen trotz Krise mehr Geld in ihre Heimat. Eine neue Studie der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung UNCTAD (UN Conference on Trade and Development) zeigt, dass die Höhe der Heimatüberweisungen auch seit Krisenbeginn immer weiter steigt.

Wirtschaftsfaktor Migration

Vor allem in den am wenigsten entwickelten Ländern sind diese Heimatüberweisungen ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, erklärt Igor Paunovic von der UNCTAD in einem Interview mit der Deutschen Welle. Der Wirtschafts- und Entwicklungsexperte hat am diesjährigen Bericht über die am wenigsten entwickelten Länder (die "Least Developed Countries", kurz LDCs genannt) mitgearbeitet.

Infografi: Die ärmsten Länder der Welt (DW-Grafik von Peter Steinmetz)

Auffällig sei vor allem, dass die Heimatüberweisungen in vielen der ärmsten Länder mittlerweile die zweitgrößte Devisenquelle sind - nach der offiziellen Entwicklungshilfe aus dem Ausland.

"2011 war die Summe, die von Migranten in die Heimat überwiesen wurde, fast doppelt so hoch wie die direkten Investitionen ausländischer Investoren", sagt Paunovic. Im vergangenen Jahr hätten Migranten aus den am wenigsten entwickelten Ländern trotz der Krise ihre Heimatüberweisungen auf insgesamt fast 27 Milliarden US-Dollar (knapp 21 Milliarden Euro) erhöht. Diese Überweisungen seien also weitaus krisenresistenter als andere Einkommensquellen der ärmsten Entwicklungsländer, stellt Paunovic fest.

Porträt von Igor Paunovic von der Organisation UNCTAD (Foto: UNCTAD/Jean-Philippe Escard)
Igor Paunovic: "Die ärmsten Länder brauchen Heimatüberweisungen"Bild: UNCTAD/Jean-Philippe Escard

Geld für die Familie

Das Geld der Migranten werde zwar direkt an die Familien in der Heimat überwiesen, doch es habe auch eine große Bedeutung für die gesamte Wirtschaft des Landes, betont Benjamin Schraven, Experte für Umweltwandel und Migration beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn. Es werde nicht nur für die Befriedigung alltäglicher Grundbedürfnisse ausgegeben, sondern auch für Gesundheit, Bildung oder einen Familienbetrieb. Dieses Geld schaffe auch Arbeit für andere Menschen - zum Beispiel, wenn es für den Bau eines Hauses investiert werde.

Trotzdem seien diese Heimatüberweisungen nicht nur ein Segen, betont Schraven: Denn sie führten sowohl auf staatlicher Ebene als auch auf jener der einzelnen Haushalte zu einer finanziellen Abhängigkeit.

Investition in Arbeitskraft und Bildung

Auch UNCTAD-Experte Igor Paunovic sieht die Gefahr, dass sich vor allem junge Menschen einfach von den Verwandten im Ausland finanzieren lassen. Doch in den meisten Fällen helfe das Geld der Migranten ganzen Familien aus der Armut.

Porträt von Benjamin Schraven, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (Foto: DW/Helle Jeppesen)
Benjamin Schraven kritisiert überteuerte GeldtransfersBild: DW

Die UNCTAD-Experten wünschen sich einen direkten nationalen Nutzen der Heimatüberweisungen für die ärmsten Entwicklungsländer. Im LDC-Bericht schlagen sie deshalb vor, sogenannte Diaspora-Bonds einzuführen: Staatsanleihen der Länder, die sich speziell an Migranten richten. Somit könnte das Geld aus dem Ausland auch für staatliche Investitionen in Infrastruktur und Entwicklung direkt eingesetzt werden.

Süd-Süd Geldtransfers am teuersten

Das Geld, so der UNCTAD-Bericht, könnte dann dabei helfen, den Banken- und Finanzsektor in den Heimatländern aufzubauen und damit eine Voraussetzung für weitere Investitionen zu schaffen. Auch könnten bessere Finanzdienstleistungen die hohen Kosten für die Heimatüberweisungen der Migranten senken. Denn der Geldtransfer von einem Schwellen- oder Entwicklungsland in ein anderes sei besonders teuer, sagt Benjamin Schraven: "Die Weltbank hat das berechnet: Ein Geldtransfer von 200 US-Dollar von Südafrika nach Sambia kostet im Durchschnitt 45 Dollar."

Das Problem betrifft viele Menschen: Denn vier von fünf Migranten aus den ärmsten Staaten der Welt arbeiten nicht in reichen Industrieländern, sondern in Entwicklungs- oder Schwellenländern.