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Politik

Migration: Der Garten der Gesetzlosen

Andréane Williams | Nico Swanepoel kkl
10. März 2019

Aus der sonnigen Region um Almeria kommt ein Großteil dessen, was sich in den Gemüsetheken europäischer Supermärkte stapelt. Die Schattenseite: Bei Aufzucht und Ernte sind offenbar tausende illegaler Arbeiter am Werk.

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Migranten arbeiten in Spaniens Landwirtschaft
Bild: DW/A. Williams

Schon vor Sonnenaufgang stehen zwei Dutzend Wanderarbeiter an einem Kreisverkehr in El Ejido, einer Kleinstadt im Süden Andalusiens: Die Männer hoffen, dass sie heute einen Job in einem der zahllosen Gewächshäuser der Gegend kriegen. "Ich komme jetzt schon fünf Tage hintereinander hierher, und kein Bauer hat sich gezeigt" sagt Abderrazak. Es sei sehr schwer, Arbeit zu bekommen, so der 47-jährige Marokkaner. "Wir warten hier jeden Tag von sechs bis neun, und dann gehen wir wieder."

Neben ihm wartet Lie Jallow: "Ich habe nie auf einem Acker gearbeitet" sagt der Ex-Polizist aus Gambia, "und ich habe nicht geglaubt, dass ich das einmal tun würde."

Die Provinz Almeria, in der El Ejido liegt, produziert jährlich auf mehr als 31.000 Hektar Gewächshausfläche etwa 3,5 Millionen Tonnen Obst und Gemüse. Wegen der vielen, mit Planen bespannten Treibhäuser wird die Gegend auch "Meer aus Plastik" genannt. Was hier wächst, produziert von Kleinbauern ebenso wie von multinationalen Konzernen, landet größtenteils in Supermärkten in Deutschland, Großbritannien und anderen europäischen Ländern.

Gewächshäuser in Almeria
Gewächshäuser in Almeria: "Meer aus Plastik": Bild: DW/A. Williams

Für afrikanische Migranten ist Südspanien eines der Tore nach Europa. Nach Angaben der Behörden landeten allein im vergangenen Jahr mehr als 400 Schiffe aus Afrika an der Mittelmeerküste von Almeria. An Bord waren rund 12.000 Migranten, die zu den mehr als 100.000 dazukamen, die bereits in der Region waren.

José Garcia Cueva von der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SOC-SAT hat festgestellt, dass die Tagelöhner aus Afrika oft nicht in der Lage sind, bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. "Das Problem ist, dass spanische Gesetze auf dem Feld nicht respektiert werden", so Garcia Cueva. "Es ist schwer, das zu ändern, weil die Arbeitgeber daran gewöhnt sind, das Gesetz zu brechen." Wanderarbeiter würden oft ohne Vertrag oder Sozialabgaben arbeiten; sie bekämen meistens zwischen 32 und 40 Euro pro Tag anstatt des Mindestlohnes von 55 Euro, sagt der Gewerkschafter. "Und viele sind in den Gewächshäusern Umweltgiften ausgesetzt."

Tagelöhner in El Ejido
Tagelöhner in El Ejido: Warten auf Arbeit am KreisverkehrBild: DW/A. Williams

"Vor zwei Wochen starb ein marokkanischer Arbeiter an Atemstillstand. Vorher hatte er eine Reihe von Symptomen wie Erbrechen", berichtet Garcia Cueva. Nun werde untersucht, ob dessen Tod durch Pestizide verursacht wurde. "Er war jung und hatte keine gesundheitlichen Probleme."

Slums und Gewächshäuser

Ismail Ayaman lebt in einer der vielen "Chabolas", den Slums von Almeria. Der 28-jährige Marokkaner steht in der Tür seiner Behausung und blickt auf das, was von den Nachbarhütten übrig geblieben ist. Im Februar hatte ein Brand, ausgelöst durch eine Gasflasche, Teile des Viertels zerstört. Mehr als 120 Slumbewohner sind seitdem obdachlos.

Wie viele der Tagelöhner, die hier leben, hat auch Ayaman seine Hütte aus Holz und Fetzen alter Plastikplanen gebaut, mit denen die nahegelegenen Gewächshäuser gedeckt sind. In den meisten Hütten gibt es kein fließendes Wasser; Energie für Licht und Wärme kommt aus Gasflaschen oder illegal angezapften Stromleitungen.

Ismael Ayaman
Migrant Ayaman: "Wir haben keine andere Möglichkeit"Bild: DW/A. Williams

"Das ist sehr gefährlich. Die meisten Männer rauchen, und die Stromkabel hängen lose herum; das kann Brände verursachen", sagt Ayaman. "Aber wir haben keine andere Möglichkeit; ohne diese Stromleitungen können wir nicht kochen, und nachts haben wir kein Licht". Die "Chabolas" sind auch ein Zeugnis der gescheiterten Träume vieler Migranten.

"Wir leiden für nichts und wieder nichts", sagt Driss El Mansouri, der auch aus Marokko stammt. "Die Chefs wollen immer mehr Geld, und sie beschäftigen die Schwachen, die keine Stimme haben, und bezahlen sie schlechter."

"Ich kam hierher, weil ich dachte, dass das Leben in Spanien besser wäre; aber in Wirklichkeit ist das Leben hier nichts wert", meint sein Nachbar Salah Akili. "Ich lebe hier allein, ohne Frau und Kinder. Ich blieb zehn Jahre lang ein Illegaler, weil mein Boss mir keinen Arbeitsvertrag gab. Die ganze Zeit über konnte ich nicht zurück nach Marokko, um meine Familie zu sehen."

Ermittlungen gegen Illegale

Nach Schätzungen der Behörden haben 30 Prozent der Wanderarbeiter in Almeria keine Dokumente. Um diese Zahl zu senken, ist die "Unidad Central de Redes de Inmigracion Ilegal y Falsedades Documentales" im Einsatz. Die UCRIF ist eine Sondereinheit der Polizei und ermittelt gegen Bauern, die illegal Arbeiter beschäftigen. Bei Razzien werden immer wieder Gartenbaubetriebe der Gegend durchsucht, um illegalen Arbeiter aufzuspüren.

"Sag die Wahrheit, okay? Das bist Du  nicht", sagt José Luiz Cerdan zu einem mutmaßlich illegalen Arbeiter. Der UCRIF-Polizist hält inmitten einer Tomatenplantage den eingeschweißten Ausweis in der Hand, den ihm der Erntehelfer gegeben hatte.

Razzia in Gartenbaubetrieb
Razzia in Gartenbaubetrieb: "Das bist Du nicht!"Bild: DW/A. Williams

Sein Kollege bringt den Mann in Handschellen zu einem Kleinbus. "Er wurde festgenommen, weil er mit den Papieren eines anderen arbeitete", sagt UCRIF-Chef Perez Reche. "Das kommt hier sehr oft vor: Migranten, die die nötigen Papiere und Genehmigungen schon haben, verleihen oder vermieten ihre Papiere an andere, damit die auch arbeiten können." Auch in Spanien ist das strafbar. Wer erwischt wird, komm vor Gericht. Bauern müssen bis zu 6000 Euro Strafe für jeden illegalen Beschäftigten zahlen, sagen die UCRIF-Beamten.

Bauern in der Zwangslage

Lidia Martinez Walbrecht und ihr Mann Tobias Übel haben ein 1,5 Hektar großes Stück Land gepachtet und züchten darauf Paprika und Gurken. Die beiden beschäftigen drei Arbeiter aus Afrika und Osteuropa. Sie sagen, die Konkurrenz aus der Türkei und Marokko, zusammen mit steigenden Betriebskosten, würden die spanischen Bauern dazu zwingen, nach Möglichkeiten zum Sparen zu suchen.

"Vergangenes Jahr haben wir einen Gewinn von 25.000 Euro gemacht; dieses Jahr wird es noch schlechter", sagt Martinez Walbrecht. Sie versichert, dass sie ihren Arbeitern faire Löhne zahlt, und legt eine Lohnabrechnung vor. "Im  Dezember ging der Preis für ein Kilo Gurken auf acht Cent zurück." Ein Kilopreis von 65 Cent wäre aber nötig, um kostendeckend zu arbeiten. Das ist sehr hart, und viele Bauern müssen ihre Felder aufgeben", fügt sie hinzu.

Lidia Martinez Walbrecht und Tobias Übel
Gemüsebauern Martinez Walbrecht und Übel: "Acht Cent pro Kilo Gurken"Bild: DW/A. Williams

Ihr Mann, der früher als Flugzeugmechaniker für die deutsche Luftwaffe gearbeitet hat, meint, dass die angespannte wirtschaftliche Lage die Bauern dazu zwingt, gegen die Gesetze zu verstoßen. "Sie zahlen nicht gut, sie geben ihnen keine Arbeitsverträge, zahlen keine Sozialabgaben", berichtet Übel. Auf diese Weise könne ein Gemüsebauer bis zu 20.000 Euro pro Jahr sparen.