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Mikroplastik: Stoffwindeln als Lösung?

Samantha Early
19. November 2019

Stoffwindeln sind eine Alternative zu Wegwerfwindeln. Doch auch bei Stoffwindeln gibt es Umweltprobleme und offene Fragen. Samantha Early lüftete für uns ihre schmutzige Wäsche und findet überraschende Antworten.

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Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
Bild: DW/Samantha Early

Das Mobile über dem Wickeltisch lenkt ihn ab, bis die Windel gewechselt ist. Im ersten Lebensjahr meines Sohnes habe ich das bestimmt über 2500 Mal gemacht. Aber anders als viele Eltern in den Industrieländern, werfe ich die Windel nicht in den Müll. Sie wird gewaschen.

Moderne Stoffwindeln schließt man mit Klettverschluss oder Haken und Ösen. Sie sind praktisch, kostengünstig und niedlich.

Eine Frage lässt mir dennoch keine Ruhe: Spüle ich bei jedem Waschgang winzige Plastikpartikel ins Meer - obwohl ich eigentlich versuche keinen Plastikmüll zu produzieren?

Wie nachhaltig sind Stoffwindeln?

Das Problem: Beim Waschen gelangen kleine Textilfasern ins Abwasser. Diese werden in den Klärwerken kaum zurückgehalten und über Flüsse ins Meer gespült. Textilfasern bestehen inzwischen häufig aus Kunststoff und diese werden aus Erdöl oder Erdgas hergestellt und bauen sich nicht ab. 

Anastasia Michailov, Gründerin der Webseite "Clean Cloth Nappies" (Saubere Stoffwindeln), hat eine wachsende Besorgnis unter den 41.000 Mitgliedern ihrer Facebook-Gruppe festgestellt.

Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
Samantha Early's Waschküche in Christchurch (Neuseeland). Das Abwasser fängt sie für die Untersuchung im Eimer auf.Bild: DW/Samantha Early

Moderne Stoffwindeln funktionierten wegen der synthetischen Stoffe gut, sagt Michailov. "Mikrofleece eignet sich gut für wiederverwendbare Einlagen, Wildlederpolyester ist gut für ein trockenes Innenfutter,  Laminate aus Polyurethan eignen sich für wasserdichte Bezüge und Stoffe, Mikrofaserfüllungen absorbieren und trocknen schnell und Viskose oder auch Kunstseide aus Bambus absorbiert viel Flüssigkeit."

Zudem würden auch Naturfasern aus Baumwolle und Hanf häufig in verschiedenen Komponenten in Windeln verwendet. Auch die von mir verwendeten Windeln bestehen zur Hälfte aus synthetischen Fasern und zur Hälfte aus Naturfasern. 

Das Experiment

Olga Pantos öffnet ein kleines Paket. Im Inneren befindet sich ein scheibenförmiger Metallfilter, den sie in einen Edelstahltrichter unter ihrem Mikroskop einrastet. Die leitende Wissenschaftlerin am neuseeländischen Institut für Umweltwissenschaften (ESR) hat ein Experiment entworfen, um festzustellen, wie viele Mikroplastikfasern bei der Wäsche meiner Windeln anfallen.

Ich will es wissen und fange das Abwasser von meiner Waschmaschine in einem Eimer auf. Anschließend gieße ich es durch einen feinen Filter und sehe bereits Klumpen mit winzigen Fasern. Den Filter packe ich sorgfältig ein, bringe ihn ins Labor und warte auf das Ergebnis.

Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
Samantha Early gießt das Abwasser aus der Waschmaschine für das Experiment durch einen FilterBild: DW/Samantha Early

Kläranlagen haben keine Instrumente 

Das Abwasser aus meiner Waschmaschine fließt in die 10 Kilometer entfernte Kläranlage von Christchurch. Das Wasser von 385.000 Menschen wird hier aufbereitet. Der zuständige Ingenieur Mike Bourke erklärt mir, dass beim Bau der Anlage die Konstrukteure das Thema Mikroplastik nicht kannten. Bis heute sei das Problem ungelöst. 

"Mikroplastik ist so klein, dass es noch keine modernen Kläranlagen gibt, die diese Partikel wirklich effektiv herausfiltern", sagt er mir. Bei dieser Anlage in Churchill hätten die Analysen ergeben, dass jeden Tag etwa 240 Millionen Partikel von Mikroplastik aus der Kläranlage zuerst in die Abwasserteiche gelangen und später als gereinigtes Wasser ins Meer. 

Aber selbst wenn ein Teil des Mikroplastiks in der Kläranlage herausgefiltert wird, kann davon ein Teil in die Umwelt gelangen. Biologische Abfälle von Kläranlagen werden als Dünger genutzt und auf den Feldern aufgebracht. Und in diesen Düngern ist ebenfalls Mikroplastik.

"Es wird sehr schwierig Mikroplastik komplett zu zerstören", erklärt Bourke. "Man kann es an einer Stelle herausfiltern, aber solange man die festen Bestandteile der Abwasserreinigung nicht verbrennt, bleibt Mikroplastik wahrscheinlich in der Umwelt."

Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
0,1 Gramm Fasermaterial entstanden bei einer Wäsche mit 26 Windeln Bild: ESR/Olga Pantos

Umweltbelastung durch Mikroplastik 

Ich treffe die Wissenschaftlerin Olga Pantos am Strand. Das Wasser aus dem drei Kilometer entfernt liegenden Klärwerk von Christchurch wird hier in den Pazifik gepumpt.

Pantos erklärt, dass Mikroplastik von den Tieren im Meer aufgenommen werden kann. Dazu gehören Muscheln, die das Wasser filtern, in den Sedimenten lebende Würmer und Fische.

"Es kann eine ganze Reihe verschiedener Auswirkungen haben. Krankheitserreger können sich hier an dem Mikroplastik ansiedeln und werden in Gebiete transportiert in denen sie nicht vorkommen sollten. Dies führt zu Veränderungen der mikrobiellen Gemeinschaft und diese ist wirklich wichtig für den Nährstoffkreislauf eines Ökosystems."

Laut Pantos sei noch viel Forschung zu den Auswirkungen und Lösungsmöglichkeiten nötig.

"Wir wissen allerdings, dass diese synthetischen Mikrofasern oder Mikrokunststoffe nicht in der Umwelt sein sollten. Wenn sie nicht da sind, dann können sie auch keinen Schaden anrichten."

Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
Untersuchungen der Proben im Labor des Instituts für Umweltwissenschaften in Neuseeland (ESR)Bild: DW/Samantha Early

Plastik von Anfang an vermeiden

Die Mitglieder von "Clean Cloth Nappies" würden sie ständig fragen, wie die Verschmutzung durch Mikroplastik verhindert werden könnte, erzählt Michailov. Viele gängige Tipps, wie z.B. Kaltwäsche, um den Verschleiß von Textilien zu minimieren, funktionieren bei starker Verschmutzung nicht.

Ob faserabfangende Wäschekugeln wirklich funktionieren, dafür gebe es noch keinen Beweis und Wäschesäcke sind nicht für Windeln geeignet: "Statt Mikrofasern würden sie dann die Kacke filtern.", so Michailov.

Ein extra Filter für die Waschmaschine nütze da schon eher, sagt sie, aber das ist auch gleich eine größere Investition. "Das Beste ist die Vermeidung von vornherein."

Die Ergebnisse sind da

Die Analyse von Mikrofasern ist ein arbeitsintensiver Prozess. Insgesamt wurden 0,1 Gramm Material aus dem Abwasser von einer Waschmaschine mit Windeln herausgefiltert, hauptsächlich Fasern. Die Untersuchung dieser Probe dauerte Stunden.

"Die Mehrheit der Fasern, die wir fanden, waren weiße Viskosefasern, auch Kunstseide genannt. Der tatsächliche Anteil an synthetischen oder Polyesterfasern war wirklich, wirklich gering", sagt Pantos.

Obwohl vom Menschen hergestellt, ist Viskose aufbereitete Cellulose, die von Organismen als umwandelbar gesehen wird und deshalb nicht unter die Bezeichnung Mikroplastik fällt.

Etwa 0,5 Prozent der Fasern meiner Probe waren Mikrokunststoffe. Pantos sagt, dies sei darauf zurückzuführen, dass die Außenseiten der Windeln aus Polyester möglicherweise beim Waschen nicht so viel Material verlieren, wie die absorbierenden Innenseiten.

"Wenn man ein synthetisches Fleecefutter verwendet, würde man erwarten, dass mehr Fasern pro Waschgang abfallen. Fleece-Material ist wirklich schlimm, wenn es um den Abrieb beim Waschen geht", fügt sie hinzu.

Das Endergebnis macht mir Mut. Vor allem wenn man bedenkt, dass ich mit einer Wäsche 26 Mal Windeln gewechselt habe.

"Im Vergleich zu anderen Kleidungsstücken ist das nicht viel", fasst Pantos zusammen. Außerdem: "Das, was bei den wiederverwendbaren Windeln abgefallen ist, ist insgesamt natürlich nur der Bruchteil einer Einwegwindel."

Christchurch Neuseeland Mikroplastik aus Wäscherei
Mikroplastik im Wasser kann von Meeresbewohnern aufgenommen werden und später als Fischgericht von uns Menschen.Bild: ESR/Olga Pantos

Nachhaltig in kleinen Schritten

Eines stört mich dennoch: Die Frage, wo das Plastik nun landet. Ist es nun weniger schädlich, Kunststoffe auf Deponien zu lagern, anstatt Mikroplastik in die Umwelt zu spülen? Pantos erzählt daraufhin von einer neuseeländischen Mülldeponie, die in diesem Jahr durch einen Sturm zerstört wurde. Tausende Tonnen Müll wurden an den Flussbetten und an der Küste angespült.

"Nur weil du Müll in einen Eimer geworfen hast und dieser auf einer Deponie landet, bedeutet das nicht, dass der Müll für immer weg ist. Wenn wir den Verbrauch reduzieren ist das Risiko geringer, dass dieser irgendwann in der Umwelt landet."

Mit anderen Worten: Entscheidend ist die Verringerung des Plastikverbrauchs, betont Pantos.

Ich werde weiterhin die Windeln benutzen, die ich habe. Aber falls ich mal neue brauche, werde ich, wenn möglich, die mit Naturfasern nehmen. Ich werde nach Wegen suchen, wie ich dafür sorgen kann, dass auch meine normale Wäsche so wenig Kunstfasern wie möglich in den Abfluss spült. Außerdem will ich weiter versuchen, den gesamten Kunststoffverbrauch meiner Familie zu reduzieren. Hoffentlich wird wenigstens mein umweltbewusstes Gewissen dann so rein sein wie die Windeln, die ich wasche.

Plastikfrei und mit gutem Gewissen genießen