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Milinkewitsch: "Lukaschenko weiß nicht immer, was im Land geschieht"

30. März 2006

Im Interview mit DW-RADIO spricht der weißrussische Oppositionsführer Aleksandr Milinkewitsch über die weiteren Pläne der Opposition, Erwartungen an den Westen und Überraschungen für Präsident Lukaschenko.

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Aleksandr Milinkewitsch zufolge hat die Opposition mit ihren Protesten vorerst das Maximum erreichtBild: AP

DW-RADIO/Russisch: Was planen die demokratischen Kräfte für die nächste Zeit?

Aleksandr Milinkewitsch: Journalisten berichten über bunte und beeindruckende Aktionen auf der Straße, aber neben den Aktionen auf der Straße gibt es ein Konzept, wie mit den Menschen gearbeitet werden soll. Mit den Aktionen auf der Straße haben wir das Maximum erreicht und gezeigt, dass wir eine Kraft sind, dass sehr viele Mensche keine Angst mehr haben und bereit sind, ihre Würde zu verteidigen. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, friedliche Aktionen durchzuführen, trotz der Provokationen seitens der Staatsmacht. Die Aktionen haben ihren Zweck erfüllt. Jetzt kommt die nächste Etappe. Wir müssen an die Vernunft der Menschen appellieren. Diese können wieder auf die Straße gehen und wir müssen die Anzahl der Menschen, die auf dem Platz protestieren, erhöhen, und wenn sie nicht auf dem Platz protestieren, so müssen sie dies mit ihrem Verhalten machen. Wir kämpfen um neue Menschen. Diesbezüglich haben wir großen Erfolg und Erfahrung.

Wird die Arbeit in der Provinz fortgesetzt?

Unbedingt. Wir setzen auf die Provinz und ich denke, der Erfolg der Kampagne geht darauf zurück, dass wir in die Arbeit in der Provinz sehr viel Zeit investiert haben. Wir haben praktisch alle Bezirke kreuz und quer bereist, Hunderte Treffen veranstaltet, die von Zehntausenden besucht wurden. Wir bekommen heute natürlich keine Säle, Kinos oder Klubs, aber es gibt noch andere Mittel. Wir werden auf jeden Fall diese Arbeit fortsetzen, weil das Wertvollste in der Politik, so auch in demokratischen Ländern, persönliche Kontakte sind. Eine Kampagne von Tür zu Tür, denn es spielt eine große Rolle, wie viele Hände man drückt. Das größte Problem im Lande ist, dass es so gut wie keine unabhängigen Informationen gibt. Die Staatsmacht hat die elektronischen Medien usurpiert und praktisch alle unabhängigen Zeitungen geschlossen. Also müssen wir dies irgendwie kompensieren – Internet, kleine Zeitungen und Flugblätter. Wir können auch künftig so zu arbeiten.

Die westlichen Medien berichten, dass Sie einen Besuch in der EU planen.

Wir haben eine Einladung zum Treffen der EU-Außenminister am 10. April erhalten. Darüber hinaus bin ich eingeladen, am 6. April vor dem Europäischen Parlament zu sprechen. Das Programm ist intensiv, aber wir übertreiben es nicht mir Auslandsreisen. Wir bemühen uns, mehr im Lande selbst zu arbeiten. Aber die Besuche sind sehr wichtig, weil Bilanz gezogen wird, was während der Wahlen in Belarus geschah. Dort werden wir unseren Standpunkt deutlich machen können.

Was meinen Sie, warum wurde die Amtseinführung von Aleksandr Lukaschenko verschoben?

Juristisch gesehen ist das absolut richtig, denn es liegen Gerichten zwei Beschwerden vor. Solange die Justiz nicht entscheiden hat, sind die Wahlen nicht beendet. Wir wissen, wie entschieden wird, natürlich zugunsten des jetzigen Staatschefs. Es kommt aber hinzu, dass Lukaschenkos Zustand nicht sehr gut ist, weil er noch unter dem gewaltigen Eindruck der Massenproteste steht, die in der vergangenen Woche in Minsk durchgeführt wurden. Er hatte nicht erwartet, dass es zu so etwas kommen könnte. Ich denke, er hat manchmal Illusionen, die von seinem Umfeld geschaffen werden. Nicht immer weiß er, was im Lande tatsächlich geschieht.

Welche Entscheidungen wurden auf dem letzten Treffen mit Ihrem Team getroffen?

Das Hauptthema heute ist die Hilfe für diejenigen, die unter Repressionen leiden. Wir haben detailliert geprüft, wie wir ihnen helfen können, wenn sie vor Gericht stehen, im Gefängnis sitzen und schließlich wieder freikommen. Wie kann man den Studenten helfen, die von den Universitäten ausgeschlossen wurden? Davon gibt es etwa 100 und ich denke, es werden fast 1000 sein. Wir wissen, wie man dies machen kann. Viele Länder haben ihre Unterstützung angeboten. Beispielsweise erklärten sich die Regierungschefs Polens, der Slowakei und Tschechiens bereit, gemaßregelte Studenten aufzunehmen. Uns ist es wichtig, dass sich auch weitere Länder solidarisch zeigen. Das ist wichtig, um den Geist der Demokratie, den Geist der Freiheit in Belarus zu bewahren. Deswegen bitten wir alle Länder sehr, uns bei der Unterstützung dieser Menschen behilflich zu sein.

Das Interview führte Gennadij Kesner
DW-RADIO/Russisch, 28.3.2006, Fokus Ost-Südost