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Bischof beklagt Zustand der Bundeswehr

24. Februar 2021

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck kritisiert den Parteienstreit um bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Im DW-Interview äußert er sich auch besorgt über die Sicherheit von Soldatinnen und Soldaten.

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Frankreich - 59. Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes
Bild: DW/C. Strack

Seit Jahren streiten die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD um die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Nun äußert der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck deutliche Kritik an der Debatte. Zugleich beklagt er den Zustand der Ausrüstung der Bundeswehr, der besorgniserregend sei.

DW: Herr Bischof, seit Jahren streiten die Koalitionsparteien Union und SPD um den Einsatz von bewaffneten Drohnen. Wie bewerten Sie diese Debatte unter ethischen Aspekten?

Bischof Overbeck: Bei jedem soldatischen Einsatz geht es um Verantwortung. Wer nun mit einem solchen Instrument umgeht, muss wissen, dass die Gefahr wächst, sich selber aus einer Verantwortungskette herauszuhalten – wenn es zum Beispiel unbeabsichtigte Todesopfer gibt. Bei einer Benutzung von Drohnen muss die Letztverantwortung dessen, der die entsprechenden Befehle erteilt, immer klar sein. Die verantwortliche Auseinandersetzung darüber ist seit einiger Zeit leider zum politischen Zankapfel geworden. Das bekümmert mich, weil dabei unterbewertet wird, dass solche Instrumente auch dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten dienen können. Und eine weitere Perspektive bleibt: Angesichts der politischen und auch militärischen Aggressionen von Seiten großer Staaten kann der mögliche Einsatz solcher Drohnen schlicht und ergreifend eine nicht zu unterschätzende strategische Frage sein. Angesichts dessen finde ich die politische Diskussion allzu oft der Komplexität der Angelegenheit nicht angemessen.

Overbeck und der katholischen Militärseelsorge
Bischof Overbeck (links) bei einem seiner Besuche bei Soldaten in AfghanistanBild: Marlene Beyel, Militärbischofsamt

Kürzlich gab es den militärischen Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien mit tausenden Toten auf beiden Seiten. Verteidigungsexperten haben diesen Krieg sehr aufmerksam verfolgt, weil er vermutlich mit Drohnen entschieden wurde. Macht Ihnen das Sorgen?

Ich habe großer Besorgnis gelesen und im digitalen Netz verfolgt, was dort geschehen ist. Vielleicht stehen wir hier, was den Einsatz von militärischen Mitteln angeht, an einer Zeitenwende. Seit Jahren wissen wir, dass der Einsatz von Drohnen immer wichtiger wird. Ethisch darf es aber nicht dazu kommen, dass es auf Dauer einen Krieg ohne Menschen gibt. Nun droht aber genau diese Situation, dass man den Konflikt entpersonalisiert. Diese Grenze darf auf keinen Fall überschritten werden. Es muss immer eine personale Verantwortung derer geben, die mit anderen Kampfmitteln umgehen, als wir sie bislang gekannt haben.

Aserbaidschan | Konflikt um Berg-Karabach
Beim Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien wurden binnen weniger Monate tausende Menschen getötetBild: Azerbaijan's Defense Ministry/AP Photo/picture alliance

Regelmäßig gibt es Berichte über mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr. Hubschrauber, die am Boden bleiben müssen. Fregatten oder Flugzeuge, die nicht einsatzfähig sind oder komplett fehlen. Als Militärbischof sind Sie ja letztlich Seelsorger der Soldatinnen und Soldaten, die die Leidtragenden sind…

Das beschäftigt mich sehr. So wie es einer Schlagkräftigkeit für mögliche militärische Einsätze bedarf, damit Frieden bleibt oder Frieden entsteht, braucht es auch Mittel, die die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten stärken und die Effizienz ihres Tuns unterstützen. Das geschieht seit Jahren längst nicht in ausreichender Weise - und es wird von allen Seiten immer wieder bestätigt. Wenn das nicht geschieht, löst das nicht mehr nur Besorgnis aus. Für viele Soldatinnen und Soldaten hat es existenzielle Dimensionen angenommen, was in diesem Bereich momentan los ist. Ich merke das bei persönlichen Gesprächen, die ich führe, und bei dem, was mir unsere Seelsorger berichten. Da gilt es für die Politik, wachsam zu sein und entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Overbeck und der katholischen Militärseelsorge
Gedenken an gefallene deutsche Soldaten in KundusBild: Marlene Beyel, Militärbischofsamt

Herr Bischof, Militärseelsorge der großen Kirchen gibt es seit rund 65 Jahren. Nun soll es in Bälde jüdische Militärrabbiner geben. Und angesichts tausender muslimischer Bundeswehr-Angehöriger wird auch der Ruf nach islamischer Begleitung lauter.

Es ist Aufgabe des Staates und der Bundeswehr, dafür Sorge zu tragen, dass das möglich wird. Etwa die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten sind Christen. Daneben stehen Gruppen anderer religiöser Überzeugungen, die schon wegen der Religionsfreiheit das gleiche Recht auf geistliche Begleitung haben. Das konnte aus strukturellen Gründen jetzt auf jüdischer Seite einfacher auf den Weg gebracht werden. Wie das mit muslimischer Seelsorge ist, werden wir sehen.

Warum? Der Bedarf nach Seelsorge scheint auf beiden Seiten zu bestehen.

Overbeck: Schon das Wort "Seelsorge" nutze ich in diesem Kontext nicht gerne, weil es einen sehr klassischen christlichen Zusammenhang abbildet und ohne traditionelle Formen christlich gelebten Glaubens, sei es katholisch oder evangelisch, kaum verstehbar ist. Die jüdische Glaubensgemeinschaft wird dieses Wort nun für sich füllen müssen. Das geschieht anders, als die Christen es tun.

Deutschland Thomas de Maiziere und Bischof Franz-Josef Overbeck in Mülheim an der Ruhr
Bereits 2013 diskutierten der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) und Bischof Franz-Josef Overbeck - hier ein Foto von 2016 - über ethische Aspekte des Einsatzes von Drohnen. Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Und die muslimischen Soldatinnen und Soldaten?

Wenn jemand von den muslimischen Soldatinnen und Soldaten entsprechende Begleitung brauchte, haben wir bislang schon nach allen Möglichkeiten dazu beigetragen, dass er oder sie diese Begleitung dann auch von der entsprechenden Religionsgemeinschaft bekam. Aber es ist klug, dass sowohl zuvor Frau von der Leyen als auch jetzt Frau Ministerin Kramp-Karrenbauer einfach nach Möglichkeiten für Angebote schauen, auch ohne dass es ein wirkliches, staatlich feststellbares Gegenüber gibt, das für alle Muslime steht. An solchen Angeboten könnte man gleichsam üben, wie das Zueinander von muslimischer "Militärseelsorge" und staatlichen Strukturen geöffnet und weiter bestimmt werden kann. Ich bin durchaus offen, das zu unterstützen.

Frankreich - 59. Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes
Seelsorge an Soldaten - Bischof Overbeck bei einem Gottesdienst mit Bundeswehr-Angehörigen sowie Militärgeistlichen bei der Internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes Bild: DW/C. Strack

Das Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland stürzt ab angesichts immer neuer Fälle von Missbrauch und Vertuschung. Spüren Sie das auch in der Militärseelsorge?

Auf der Führungsebene sind die Kontakte ja von beiden Seiten institutionell geprägt. Da sehe ich in all den Jahren keinen Unterschied in der prinzipiellen Anerkennung und Unterstützung unserer Seelsorge. In der konkreten Seelsorgearbeit sehe ich, dass sich das Verhältnis der Soldatinnen und Soldaten zu uns als Kirche deutlich stärker personalisiert im konkreten Menschen, der diesen Dienst tut, in seiner Glaubwürdigkeit, seiner Kommunikationsfähigkeit und so weiter. Wo das nicht gegeben ist, wird es schwierig oder auch unmöglich. Die Fallhöhe ist da durch die vergangenen zehn Jahre größer geworden. Aber bei vielen Soldatinnen und Soldaten sind angesichts der Themen, die sie zu bewältigen haben, oft große Nachdenklichkeit und hoher Gesprächsbedarf festzustellen. Das bleibt.    

Franz-Josef Overbeck (56) ist seit 2009 katholischer Bischof von Essen und zudem sei dem 24. Februar 2011 katholischer Militärbischof für die Bundeswehr. In dieser Eigenschaft war er mehrmals auch in Afghanistan sowie bei Soldaten in anderen Auslandseinsätzen zu Gast.

Das Gespräch führte Christoph Strack.