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Rettungsversuch

Steffen Leidel 17. Mai 2007

Die EU-Kommission will das ins Trudeln geratene Satelliten-Projekt Galileo unter keinen Umständen scheitern lassen. Der Rettungsversuch kostet die europäischen Bürger 2,4 Milliarden Euro. Es lohnt sich, sagen Experten.

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Galileo-Satellit (ESA)
Galileo soll präziser sein als GPSBild: AP/ESA

Es gilt als das wichtigste High-Tech-Projekt Europas. Touristen, Spediteure, Autofahrer, Landwirte – nur einige der Gruppen, die von dem Satelliten-Navigationssystem Galileo profitieren sollen. 30 Satelliten sollen präzise Ortungsdaten liefern. 150.000 neue Arbeitsplätze erhofft sich die Politik. Ein europäisches Glanzstück soll es werden, ein Technologie-Segen für die EU. Es soll das Konkurrenzprodukt aus den USA, GPS, nicht nur ersetzen, sondern übertrumpfen. Doch bislang bleiben positive Schlagzeilen aus. Stattdessen ist von Fiasko und Milliardengrab die Rede. Vergangene Woche stürzte das Projekt in seine bislang schwerste Krise.

EU-Kommissar Jacques Barrot (AP)
EU-Kommissar Jacques BarrotBild: EU

"Das Projekt einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) ist gescheitert", resümiert der Europa-Abgeordnete Ulrich Stockmann. Das Betreiber-Konsortium hatte zuvor ein Ultimatum zur Erfüllung wichtiger Auflagen verstreichen lassen. Mit T-Systems, EADS, den französischen Konzernen Thales und Alcatel-Lucent, den italienischen Unternehmen AENA und Finmeccanica, der spanischen Hispasat und der britischen Inmarsat waren praktisch alle führenden Unternehmen der Branche beteiligt. Sie konnten sich nicht auf eine Verteilung der Risiken einigen. Außerdem hatten Streitigkeiten zwischen den EU-Ländern um Geld und den Sitz von Kontrollzentren immer wieder zu Verzögerungen geführt und bereits Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht.

Öffentliche Hand übernimmt

Zurück blieb ein Scherbenhaufen, den die EU-Kommission so schnell wie möglich zusammenkehren möchte. Galileo soll nun in öffentlicher Regie aufgebaut werden. Verkehrskommissar Jacques Barrot legte am Mittwoch (16.05.2007) in Brüssel einen entsprechenden Vorschlag vor. Barrot sagte, das sei die wirtschaftlichste Lösung. Den späteren Betrieb könne dann wieder die Privatwirtschaft übernehmen.

Start der russischen Sojus-Trägerrakete mit dem ersten estsatelliten "Giove-A" für das europäische Navigationssystem Galileo im Dezember 2005
Start der russischen Sojus-Trägerrakete mit dem ersten estsatelliten "Giove-A" für das europäische Navigationssystem Galileo im Dezember 2005Bild: dpa

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums, Johann-Dietrich Wörner, begrüßt die Pläne. "Der Aufbau einer solch komplexen Infrastruktur ist eine öffentliche Aufgabe." Er sieht nun die Weichen gestellt, dass "endlich" mit dem Aufbau des Systems begonnen werden kann. Bislang dreht erst ein Testsatellit seine Runden im Orbit.

Eile ist geboten

"Wir müssen uns sputen, wenn wir bis 2012 startklar sein wollen", sagt Wörner. Die Zeit drängt und die Konkurrenz schläft nicht. "Wenn Galileo erst 2014 oder 2015 kommt, dann brauchen wir es nicht mehr. Dann wird es schwer dafür, einen Markt zu finden", sagt Carsten Rolle, Galileo-Experte beim Bundesverband der Industrie (BDI). Die USA arbeitet an einem Update des GPS-Systems, das 2015 auf den Markt kommen soll. Auch China und Russland arbeiten an Satellitenprojekten.

Der EP-Abgeordnete Stockmann ist nicht sehr optimistisch. "Es ist bereits die dritte Krise, in der wir stecken. Es ist beängstigend, wie wir den Zeitpunkt der Inbetriebnahme Schritt für Schritt verschieben. Wir wollten mal 2008 fertig werden, jetzt wird von 2012 gesprochen und die Industrie spricht unter der Hand von 2014", kritisiert Stockmann.

ESA am Ruder

ESA: Galileo
Bild: EADS

Der DLR-Vorstandsvorsitzende Wörner glaubt dagegen, dass noch nichts verloren ist. Die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) sollte nun den Hut aufhaben. "Die ESA hat sehr viel Erfahrung mit Raumfahrtsystemen". Dennoch: Fest steht, der Rettungsversuch für Galileo wird teuer. Bis 2013 müssten zusätzliche öffentliche Mittel in Höhe von 2,4 Milliarden Euro investiert werden, sagt Verkehrskommissar Barrot. Ursprünglich sollte die öffentliche Hand 1,2 Milliarden Euro übernehmen. "Da wird noch darüber zu streiten sein, wie das aus öffentlichen Mitteln finanziert werden kann", sagt Stockmann.

Für BDI-Mann Rolle sowie für viele andere Experten bietet Galileo "deutlich mehr Chancen als Risiken". Rolle plädiert dafür, das System auch militärisch zu nutzen. "Ein solches Projekt sollte man auf so viele Füße wie möglich aufstellen". Auch Stockmann hat nichts dagegen, es sei jedoch fraglich, ob das politisch durchsetzbar ist. "Die USA haben kein Interesse daran, dass wir uns militärisch verselbstständigen." Doch so oder so: Galileo werde stets ein ziviles Projekt bleiben. "Bei GPS hat das Pentagon die Hand am Schalter, Galileo ist dagegen zivil kontrolliert", betont er.