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"Minen in Kambodscha oft nicht markiert"

17. November 2010

Bei der Explosion einer Panzermine in Kambodscha sind 14 Menschen getötet worden. Ein tragischer Unfall. Und ein Unfall unter vielen. Darüber sprach DW-WORLD.DE mit Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis "Landmine.de".

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Thomas Küchenmeister (Foto: Thomas Küchenmeister)
Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis "Landmine.de"Bild: Aktionsbündnis Landmine.de

DW-WORLD.DE: Herr Küchenmeister, Kambodscha ist eines der am stärksten verminten Länder der Welt. Passieren solche Unfälle wie der vom Dienstag öfter als wir denken? Hören wir nur nichts davon?

Thomas Küchenmeister: Man hat in der Tat festgestellt, dass besonders die Unfälle, die in abgelegenen Regionen passieren, häufig nicht erfasst werden. Im Rahmen des "Landmine Monitors" – einer Publikation der internationalen Kampagne gegen Landminen – beobachten wir jedes Jahr genau, wie viele Unfälle passieren. Die Gesamtzahl der registrierten Unfälle ist glücklicherweise rückläufig, aber wir weisen auch immer wieder darauf hin, dass es eben sehr viele Unfälle gibt, die nicht registriert werden. Und so müssen wir leider in der Tat von einer Dunkelziffer ausgehen, die höher liegt als das, was offiziell angegeben wird.

Warum werden diese Unfälle nicht registriert?

Häufig passieren sie in abgelegenen Regionen, wo beispielsweise keine Hilfsorganisationen tätig sind. Es ist ja leider nicht überall so, dass dort, wo Minengefahr besteht, auch Mittel zur Verfügung gestellt werden damit geräumt, damit Opferhilfe geleistet und überhaupt erstmal ein Überblick erstellt werden kann, wo überall Minenfelder existieren könnten. Und so kommt es zu nicht-registrierten Unfällen.

In Kambodscha gibt es extrem viele Minen, es gibt allerdings auch viele Anti-Minen-Kampagnen und Projekte. Trotzdem wollte der Fahrer des Unglückswagens vom Dienstag eine Abkürzung nehmen und ist in ein Minenfeld gefahren. Ist das Bewusstsein für die Gefahr durch Minen bei der Bevölkerung nicht so groß?

Das kann ich letztendlich nicht genau beurteilen, weil ich die Gegebenheiten und das Zustandekommen des Unfalls nicht genau kenne. Was ich aber sagen kann: Natürlich ist die Bevölkerung in solchen Ländern sensibilisiert. Es gibt gerade auch in Kambodscha sehr viele Programme – die sogenannte 'mine risk education' – wo internationale Organisationen gerade Jugendliche sensibilisieren und zur Vorsicht mahnen. Das greift auch in der Regel, aber häufig ist es auch so, dass alte Markierungen von noch nicht geräumten Minenfeldern nicht aktualisiert werden und dann solche Unachtsamkeiten passieren. In diesem Fall scheint es ja so, dass der Fahrer des Unglückswagens davon ausgegangen ist, dass dieses Feld, über das er eine Abkürzung nehmen wollte, geräumt ist. Aber man kann sich nie hundertprozentig sicher sein.

Seit 1990 gibt es bereits ein internationales Abkommen, dass Anti-Personen-Minen ächtet, und mehr als 150 Länder sind diesem Abkommen beigetreten. Sie haben sich unter anderem verpflichtet, Minenfelder in ihren Ländern innerhalb von zehn Jahren zu räumen. Diese Frist ist allerdings schon im vergangenen Jahr abgelaufen. Aber allein in Kambodscha sind immer noch 4500 Quadratkilometer vermint, und auch in einigen anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Ist dieses Abkommen nur eine nette Absichtserklärung?

Nein, das ist es nicht. Man ist sich damals wahrscheinlich noch nicht richtig im Klaren darüber gewesen, welche Dimension in manchen Ländern gegeben ist. Einem Land wie Kambodscha kann man sicher nicht in erster Linie den Vorwurf machen, dass es das Ziel in zehn Jahren nicht erreicht hat, denn das hängt auch damit zusammen, wie viel internationale Hilfe man bekommt. 2008 haben die Kambodschaner 19 Millionen Euro für Minen-Aktionsprogramme bekommen. Das ist nicht besonders üppig, und es entspricht wahrscheinlich auch nicht den notwendigen Gegebenheiten im Land. Die Regierung hat 2009 eine zehnjährige Fristverlängerung beantragt, der auch stattgegeben werden wird, und ich glaube auch, dass Kambodscha sicher weiter zu den Förderschwerpunkten gehören muss, damit man irgendwann dieses Problem in den Griff bekommt. Aber das hat natürlich alles seinen Preis, und nicht jedes Land ist willig, in dem Umfang wie es vielleicht früher der Fall war auch weiter Minen-Aktionsprogramme in anderen Ländern zu finanzieren.

Dieses Abkommen bezieht sich allerdings nur auf Anti-Personen-Minen. Bei dem jüngsten tragischen Unglück in Kambodscha geht es aber um eine Panzermine, die eben auch von Autos ausgelöst werden kann. Wie kommt es, dass diese Art von Minen in dem Ottawa-Abkommen nicht als Gefahr für die Zivilbevölkerung eingestuft wird?

Weil man tragischerweise der Auffassung war, dass Panzerminen keine Gefahr für Personen bedeuten. Wir haben das von vornherein beklagt und fordern seit 15 Jahren, dass auch diese Minen verboten werden, aber damit konnten wir uns leider nicht durchsetzen. Es ist in der Tat so, dass viele Panzerminen – darüber haben wir mit anderen NGOs auch eine weltweite Untersuchung gemacht – nach wie vor sehr viele Opfer fordern. Leider gibt es sogar noch Unfälle, bei denen bis zu 70 Menschen in Afrika mit einem LKW zum Ernteeinsatz fahren und sterben, weil sie auf eine solche Panzermine stoßen. So etwas passiert häufig, und wenn man sich die Statistik in Kambodscha ansieht, dann ist es auch so, dass die Unfälle in 2009 zum Beispiel 74 Mal durch Anti-Personen-Minen und 36 Mal durch Anti-Fahrzeug-Minen ausgelöst wurden. Das zeigt also die Relevanz, dass auch diese Minen ein Problem darstellen. Aber die Militärs haben sich damals durchgesetzt und waren von der militärischen Nützlichkeit überzeugt. Ich finde das sehr bedauerlich, aber ich denke, es ist an der Zeit, dass man die Vertragsstaaten darauf noch mal aufmerksam macht und versucht, an dieser Stelle den Vertrag nachzubessern. Ich weiß, dass die Bundesregierung das in Genf im Rahmen der Abrüstungsgespräche thematisieren möchte, aber ob das von Erfolg gekrönt sein wird, wage ich zu bezweifeln.

Thomas Küchenmeister ist Pressesprecher des Aktionsbündnisses Landmine.de

Das Gespräch führte Marlis Schaum
Redaktion: Mathias Bölinger / Esther Broders