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MwSt und AIDS

14. November 2007

Kondome schützen, Kondome nützen … diesmal den Sozialisten im Europäischen Parlament: Sie wollen die Mehrwehrtsteuer für Verhüterlis senken.

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Bild: DW

Im Vorfeld des Welt-AIDS-Tages am 01. Dezember haben sich die Eurosozis eine PR-Kampagne ausgedacht. "Senkt die Mehrwertsteuer für Kondome!“ lautet der Schlachtruf, mit dem die Sozialistische Fraktion zusammen mit der Internet-Plattform "facebook“ im Datennetz zum Sammeln von Unterschriften auffordert. Die Petition soll medienwirksam den zuständigen Finanzministern der EU übergeben werden.

Unterschiedliche Steuersätze

Bernd Riegert

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jan Marinus Wiersma beklagte, dass die Mehrwertsteuersätze für die Gummis in der EU sehr unterschiedlich sind. Sie reichen von fünf Prozent in Großbritannien über 19 Prozent in Deutschland bis zu 25 Prozent in Dänemark. Die gesetzliche Mindestbesteuerung liegt bei fünf Prozent.

Mit billigeren Kondomen wollen die Sozialisten gegen die Ausbreitung von HIV in Europa ankämpfen. Rund 27.000 neue Infektionen wurden 2005 registriert, die meisten durch heterosexuelle Kontakte. Aber liegt es wirklich am Preis, dass Menschen ungeschützten Sex haben? Ein Kondom kostet in Deutschland im Durchschnitt 1 bis 1,50 Euro, wenn man einmal von Spezialmodellen mit Noppen oder Erdbeergeschmack absieht. Der Mehrwertsteueranteil beträgt also 19 bis 28 Cent.

Lieber Bier als Kondom?

Die Deutsche AIDS-Stiftung in Bonn erklärte auf Anfrage, diese Cent-Beträge seien vermutlich nicht der Grund, dass Menschen auf das Kondom verzichten. Eine Senkung der Mehrwertsteuer könne sicher nicht schaden, aber wichtiger seien Werbe- und Aufklärungskampagnen für den Einsatz von Kondomen, hieß es von der AIDS-Stiftung. Vor allen Dingen in kirchlich geprägten Staaten und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern müsste das Präservativ aus der Schmuddelecke herausgeholt werden. Wichtiger als der Preis sei außerdem, dass Kondome genauso leicht zu kaufen seien wie Zigaretten oder Zeitungen, also in jedem Kiosk oder jeder Drogerie.

In Großbritannien hat der damalige Finanzminister und heutige Premier Gordon Brown 2006 den Mehrwertsteuersatz für Kondome und andere Verhütungsmittel von 17,5 Prozent auf fünf Prozent gesenkt. Ihm ging es vor allem darum, ungewollte Teenager-Schwangerschaften zu verhindern. Studien hatten ergeben, dass triebgesteuerte Jugendliche lieber noch ein Bier als ein Kondom kaufen. Auch in Irland gibt es Forderungen, Kondome zu verbilligen, um ungewollte Schwangerschaften zu unterbinden. Allerdings kostet das Dreier-Pack Präser in Irland auch schlappe sieben Euro.

Brasilien als Vorbild?

Heißluftballon in Kondom-Form
Ist die Kampagne der Euro-Sozialisten mehr als heiße Luft?Bild: AP

Den Sozialisten sei ihr kleiner PR-Gag gegönnt. Nach der Mehrwertsteuersenkung muss die Kampagne in Europa aber weiter gehen, denn die billigsten Verhüterlis nützen nichts, wenn sie niemand überstülpt, sei es aus Scham oder Unwissenheit.

Brasilien übrigens hat der EU steuertechnisch schon vorgemacht, wie man Kondome verbilligen kann. Bereits 1997 hat der brasilianische Staat die Steuer auf Null abgesenkt. Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) empfiehlt ihren Mitgliedern schon lange, dem brasilianischen Beispiel zu folgen und auch den Rohstoff zur Kondomherstellung, das Latex, steuerfrei zu stellen. So solle der Zugang zu Kondomen vor allem in Entwicklungsländern verbessert werden.