1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Testen und shoppen - noch kein Erfolgsrezept

13. April 2021

In vielen deutschen Städten dürfen Geschäfte wieder öffnen. Die Freude der Unternehmer hält sich jedoch in Grenzen. Die Kunden zögern - vor allem, wenn ein Corona-Test Pflicht ist. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

https://p.dw.com/p/3rwe5
Symbolbild I Corona-Testpflicht beim Shopping
Bild: Pressebildagentur ULMER/picture alliance

Samstagnachmittag in einer Einkaufszone im Nordwesten der Hauptstadt: Auf der einen Straßenseite herrscht lebhafter Betrieb. In einem großen Supermarkt gehen die Kunden ein und aus und erledigen unbehelligt ihre Wochenendeinkäufe. Lediglich das Tragen einer medizinischen FFP2-Maske ist vorgeschrieben. 

Auf der anderen Straßenseite stehen ein paar Menschen in einer kleinen Schlange vor einem riesigen Möbelhaus. Drei Sicherheitsleute kontrollieren, ob eine Bescheinigung über ein aktuelles, negatives Corona-Testergebnis vorliegt - aus einem offiziell anerkannten Testzentrum. Wenn das der Fall ist, geleiten sie die Kunden zu einer Tischreihe, wo sie Formulare ausfüllen und sich so für den Einkauf registrieren können.

Einlasskontrolle vor dem Ikea-Möbelhaus in Berlin-Spandau: am rechten Bildrand sitzen mehrere Personen an Tischen. Auf dem Bürgersteig in der Bildmitte stehen hinten mehrere Personen in einer Warteschlange, links vorne informieren aufgestellt Tafeln üb er den Ort für kostenlose Corona-Schnelltests in Spandau und die Testpflicht
Rechts das Möbelhaus, links der Supermarkt: Die Corona-Regeln unterscheiden sich erheblichBild: Sabine Kinkartz/DW

Immer wieder müssen Kunden abgewiesen werden, weil sie nicht getestet sind. Das sorgt für Frust. "Das ist doch vollkommener Blödsinn, dass ich hier einen Test brauche und da drüben in dem Supermarkt, wo sich alle drängen, nicht", schimpft eine Frau. Der Sicherheitsmann zuckt bedauernd mit den Schultern. Er habe die Regeln nicht gemacht, sagt er und zeigt auf ein großes Schild, das den Weg zum nächstgelegenen Corona-Testzentrum beschreibt. Das ist allerdings ein paar Kilometer weit entfernt.

Kritik von Kanzlerin Merkel

Der negative Test als Eintrittskarte für den Einzelhandel, aber auch den Friseur und andere Dienstleister ist in Berlin seit zwei Wochen Pflicht. Eingeführt wurde die Regelung, nachdem auch in der Hauptstadt die Zahl der Neuinfektionen die Grenze von 100 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritt. Eigentlich hätte Berlin daraufhin alle seit dem 8. März erlassenen Lockerungen wieder rückgängig machen müssen. So hatten es die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin Anfang März vereinbart.

Schild mit Hinweis auf die Testpflicht und einem QR-Code für die Registrierung im Schaufenster eines Geschäfts, in dem Kleidung zu sehen ist
Digitale Möglichkeiten, um die Kunden zu registrieren, nehmen zuBild: Sabine Kinkartz/DW

Entsprechend ungehalten reagierte Angela Merkel auf die Entscheidung der Berliner. "Ich weiß nicht, ob testen und bummeln, wie es jetzt in Berlin heißt, die richtige Antwort ist", kritisierte die Kanzlerin in einem TV-Interview.

Regionale Vielfalt

Das hielt andere Bundesländer allerdings nicht davon ab, ebenfalls auf das Test-Modell zu setzen. Inzwischen gilt es auch in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Sachsen, dem Saarland und Bayern. In Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen laufen die Vorbereitungen, in Nordrhein-Westfalen entscheiden Landkreise und Städte bereits autark, ob sie das Modell ausprobieren wollen.

Das führt zum Teil zu absurden Situationen. Im nordrhein-westfälischen Aachen kann man ungetestet zum Friseur gehen. Im 65 Kilometer entfernt liegenden Köln braucht man ein negatives Testergebnis, kann aber unter Aufsicht des Friseurs einen Selbsttest machen. 30 Kilometer weiter, in Bonn, reicht das nicht aus, hier wird die Bescheinigung aus einem offiziellen Testzentrum verpflichtend benötigt.

Viele Terminabsagen

Den Friseuren, aber auch den Einzelhändlern beschert die Regelung einen massiven Umsatzeinbruch. "In unserer Telefonberatung laufen die Drähte heiß: Zahlreiche Friseurbetriebe klagen, dass Kunden wegen der geltenden Testpflicht in großem Stil Termine absagen", berichtet der Hamburger Handwerkspräsident Hjalmar Stemmann in einem Interview.

Auf dem Schaufenster einer Buchhandlung spiegeln sich die gegenüberliegenden Häuser und abgestellte Fahrräder. An der Scheibe hängen zwei rote Schilder mit weißer Schrift: "Wir bleiben geöffnet!" und "Einlass nur mit FFP2-Maske. Kein Testnachweis notwendig"
Buchhandlungen zählen zu den Geschäften des täglichen Bedarfs und sind von der Testpflicht ausgenommenBild: Sabine Kinkartz/DW

"Da wäre es besser, sie würden die Läden wieder zumachen und uns in Kurzarbeit schicken", schimpft eine Friseurin in Berlin. Ihr Geschäft liegt in einer großen Einkaufsstraße im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Gleich nebenan in einem Geschäft für Wohnaccessoires, Porzellan und Geschenkartikel ist es ebenfalls gähnend leer. "Wir leben eigentlich von Laufkundschaft und spontanen Käufen", erzählt eine Angestellte: "Die Testregelung funktioniert für uns nicht."

Menschen stehen an vor einer Teststelle in einer Fußgängerzone. Schilder weisen darauf hin, dass eine Terminvereinbarung nötig ist
Testangebot in einer Berliner Einkaufsstraße - aber nur mit vorab vereinbartem TerminBild: Sabine Kinkartz/DW

Geschäfte, die nur für negativ getestete Kunden geöffnet sein dürfen, machen laut einer aktuellen Umfrage des deutschen Einzelhandelsverbands HDE 62 Prozent weniger Umsatz als in Vor-Corona-Zeiten. "Die Politik greift an den falschen Stellen ein", kritisiert Geschäftsführer Stefan Genth.

Warten auf einen Testtermin

Aber warum funktioniert das Testmodell nicht? Was ist so schwierig daran, einen Corona-Schnelltest durchführen zu lassen, dessen Ergebnis innerhalb von 15 Minuten vorliegt? In Deutschland hat jeder Bürger Anspruch auf mindestens einen kostenlosen Test pro Woche. In Berlin gibt es inzwischen ein großes Netz von Teststellen. Bei manchen der rund 300 Anlaufpunkte kann man ohne Termin erscheinen, bei anderen kann oder muss ein Termin vereinbart werden.

Screenshot einer Internetseite mit Terminen in einem für Corona-Tests am Montag, 12. April 2021. Die meisten der Uhrzeiten im 5-Minuten-Takt sind rot und damit nicht mehr verfügbar, ein kleinerer Teil grün und verfügbar
Dass zwei Tage im Voraus kaum noch Termine zu bekommen sind, ist in Berlin keine SeltenheitBild: Test-To-Go.Berlin

Das ist oft genug aber nicht einfach, weil es für Zeiten, die besonders attraktiv sind, nicht ausreichend Termine gibt: beispielsweise am Samstagmorgen, wenn man anschließend den ganzen Tag zum Shoppen nutzen könnte. Zu solchen Stoßzeiten sind auch die Testcenter, die ohne Termin aufgesucht werden können, stark frequentiert. Eine Stunde Wartezeit, die auch bei Kälte, Wind und Regen draußen zugebracht werden muss, ist keine Seltenheit. Das wirkt abschreckend und schmälert die Lust auf eine Einkaufstour gewaltig.

Auf einem Platz vor einem großen grauen Gebäude mit vielen Fenstern, das über Eck mehr als die Hälfte des Bildes füllt, stehen etliche Menschen in Warteposition vor zwei überdachten Schaltern
Warten auf den Test: Ein Corona-Testzentrum in BerlinBild: Sabine Kinkartz/DW

Größere Händler sind erfinderisch

Vor allem größere Handelsketten reagieren darauf, indem sie Testmöglichkeiten vor Ort schaffen. Der Baumarkt Hornbach hat damit in Nordrhein-Westfalen bereits begonnen, viele der bundesweit insgesamt 96 Standorte sollen folgen. Man sei "in den vergangenen Tagen an die Kommunen und auch an die lokalen Hilfsorganisationen herangetreten, um einen Teil der großen Parkplätze für Testzentren zur Verfügung zu stellen", sagt Unternehmenssprecher Florian Preuß.

Ein Screenshot der Seite eines Einrichtungshauses Rahaus.de. Oben Fotos von bunten Hockern, auf denen eine Frau sitzt, unten die Schrift: "Sicher Shoppen. Machen Sie bei uns Ihren kostenlosen Corona-Schnelltest"
Händler hoffen, mit Testangeboten vor Ort mehr Kunden anlocken zu könnenBild: Rahaus.de

Händler, deren Geschäfte weniger zentral liegen und die daher nicht darauf hoffen können, dass die Kommune vor ihrer Eingangstür eine Testmöglichkeit eröffnet, müssen sich etwas anderes ausdenken. So hat ein Berliner Möbelhaus für zwei Filialen in der Stadt medizinisches Fachpersonal angeheuert. Kunden, die das Angebot wahrnehmen wollen, müssen 20 Euro bezahlen. Dafür bekommen sie einen Gutschein, den sie bei einem Einkauf verrechnen lassen können.

Für kleine Geschäfte lohnt sich dieser Aufwand nicht. Deren Inhaber haben ihre Läden als Reaktion auf die Testpflicht auch wieder geschlossen. In der Einkaufsstraße in Berlin-Charlottenburg ist es in einem Shoppingcenter inzwischen jedes zweite Geschäft.