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Politik

Mit dem Gesetz gegen Scheinvaterschaften

Konstantin Klein
6. Juni 2017

Es geht um das Bleiberecht für Asylbewerberinnen - und um Geld. Zum Schein sollen deutsche Männer Vaterschaften anerkannt haben, so ein Bericht des Senders rbb. Ein neues Gesetz soll das künftig verhindern.

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Symbolbild Schwangerschaft Frau schwanger Babybauch
Bild: picture-alliance/dpa/F. Heyder

Die Rechtslage ist klar: Ein Kind kommt als deutscher Staatsbürger auf die Welt, wenn Vater oder Mutter (oder beide) einen deutschen Pass haben. Darüber hinaus wird die Sache rasch unübersichtlich: Denn während die Mutter eines Kindes nach deutschem Recht zunächst immer die leibliche Mutter ist, ist die Frage nach dem Vater schwieriger zu klären. Nach § 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der biologische Vater nicht etwa auch vor dem Gesetz automatisch der Vater des neuen Erdenbürgers.

Vater ist vielmehr, 

  • wer mit der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes verheiratet ist 
  • wer, zum Beispiel nach einem Vaterschaftstest, gerichtlich zum Vater erklärt wurde 
  • wer die Vaterschaft anerkannt hat - unabhängig davon, ob er überhaupt der Vater sein kann oder nicht. Damit soll auch ein "sozialer" Vater, beispielsweise in einer Patchwork-Familie, vor dem Gesetz Vater eines Kindes sein können, mit allen Rechten und Pflichten. 

Betrug mit falschen Vätern...

Auf dieser Rechtslage baut ein großangelegter Betrug auf, dem der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) auf die Spur gekommen ist. In mehreren hundert Fällen sollen Männer in Berlin zum Schein Vaterschaften anerkannt haben und dafür von Asylbewerberinnen Geld bekommen haben - oft mehrere tausend Euro. Durch die Vaterschaftsanerkennung, ob sie nun echt ist oder nur zum Schein, erhält das Baby der Asylbewerberin die deutsche Staatsbürgerschaft und die Frau dadurch automatisch ein Bleiberecht.

Kindergeld (picture alliance/dpaF. Kästle)
Keine Abschiebung, wenn das Baby einen deutschen Pass hatBild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

"Diese Rechtsfolgen sind erwünscht, wenn zwischen dem Kind und dem anerkennenden Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder entstehen soll und der Anerkennende tatsächlich bereit ist, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen", heißt es in der Begründung des "Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht", das der Bundesrat am vergangenen Freitag gebilligt hat. Da es in dem Gesetz aber, wie schon sein Name sagt, gerade nicht darum geht, Asylbewerbern das Bleiben einfacher zu machen, heißt es in der Begründung weiter: "Erfolgt die Anerkennung hingegen gerade gezielt zu dem Zweck, die Voraussetzungen für den Erwerb eines Aufenthaltsrechts zu schaffen, so ist sie rechtsmissbräuchlich."

Der Bonner Asylrechts-Anwalt Michael Heim weist darauf hin, dass hierbei nicht das Asylrecht in Anspruch genommen wird sondern das Ausländerrecht. Im DW-Interview erläutert er: "Das Recht einer Mutter, bei ihrem Kind in Deutschland zu bleiben, sagt nichts über ihren Anspruch auf politisches Asyl aus. Das Aufenthaltsrecht ist vom Asyl unabhängig, und ein vorläufiges Asyl gibt es nicht."

...und die Folgen

Die Konsequenzen sind im Gesetz klar geregelt: Stellt die Ausländerbehörde künftig fest, dass ein Mann seine Vaterschaft nur zum Schein anerkennt, wird die Vaterschaft nicht beurkundet. Damit hat das Baby dann keinen deutschen Vater und auch keinen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft: Die asylsuchende Mutter erhält dann auch kein Bleiberecht. Darüber hinaus machen sich Mutter und Scheinvater unter Umständen sogar strafbar - wegen Urkundenfälschung beispielsweise oder wegen eines Verstoßes gegen das Ausländerrecht.

Martin Steltner
Martin Steltner: "steigende Zahl von Mißbrauchsfällen"Bild: picture alliance / dpa

Martin Steltner von der Staatsanwaltschaft Berlin spricht von einer steigenden Zahl von Missbrauchsfällen in den vergangenen Monaten. Dem rbb sagte er: "Wir haben teilweise Personen, die über zehn Vaterschaften anerkannt haben."

Wenn der vermeintliche Vater von Sozialhilfe lebt, übernimmt der Staat den Unterhalt des Babys. Was die falschen Väter dabei übersehen: Sie bleiben ebenso lange unterhaltspflichtig wie alle anderen Väter. Wenn sie es aus der Sozialhilfe heraus zurück in ein Arbeitsverhältnis schaffen, müssen sie über Jahre hinweg möglicherweise erheblich mehr Unterhalt zahlen, als sie Geld für ihre Unterschrift bekommen haben.

Der Neonazi und die Vietnamesin

Damit die Ausländerbehörde aber überhaupt feststellen kann, ob eine Vaterschaft nur gegen Geld und für ein Bleiberecht anerkannt wurde, ist sie auf Hinweise angewiesen - zum Beispiel von der Person, vor der der mutmaßliche Vater seine Vaterschaft durch eine formelle Erklärung anerkennt. Für diese Person - das kann beispielsweise ein Notar sein - bedeutet das, dass er zunächst Verdacht schöpfen muss.

Das ist nicht immer so einfach wie in einem Fall, über den der rbb berichtet hat: Ein 28-jähriger Berliner hat die Vaterschaft für das Baby einer Vietnamesin anerkannt, obwohl er mit Menschen aus dem Ausland sonst offenbar nicht viel anfangen kann. Auf seiner Facebook-Seite hatte der Mann Sympathie mit der NPD bekundet und war schon mehrmals für das Tragen von verfassungsfeindlichen Symbolen verurteilt worden. Als die Reporterin bei ihm klingelte, antwortete er mit wüsten Drohungen über die Gegensprechanlage.

Oda Jentsch ist Rechtsanwältin aus Berlin und wie ihr Bonner Kollege Heim Mitglied der Rechtsberaterkonferenz, die sich zusammen mit den großen deutschen Wohlfahrtsverbänden mit Flüchtlings- und Asylrechtsfragen beschäftigt. Sie kritisierte schon vor der Verabschiedung des Gesetzes, dass auf diese Weise "Notare und Jugendämter zum verlängerten Arm der Ausländerbehörden gemacht werden" sollen. Dies unterlaufe die Verschwiegenheitspflicht von Notaren und gefährde das Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen. "Verfassungsrechtlich fragwürdig ist, dass Kindern so auf unabsehbare Zeit die Klärung ihrer familiären, sozialen und staatsbürgerlichen Identität vorenthalten wird", sagte Jentsch weiter.

Viele Missbrauchsfälle pro Jahr

Annegret Korff, Sprecherin des Bundesinnenministeriums, spricht von einer mittleren vierstelligen Zahl derartiger Missbrauchsfälle pro Jahr im gesamten Bundesgebiet. Diese "vorsichtige Schätzung" des Ministeriums beruhe auf Informationen einzelner Ausländerbehörden. Das neue Gesetz nennt sie im DW-Interview "ein grundrechtsschonendes Präventivverfahren, um rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht durch die Gewährung von Aufenthaltsrechten zu belohnen".

Anwalt Heim sieht das anders - er sagt: "Die Neuregelung hat - wie die seitens des Bundesverfassungsgerichts aufgehobene Vorgängerregelung - zur Konsequenz, dass junge Familien auch dann, wenn sich der Verdacht nicht bewahrheitet, einem behördlichen Untersuchungsverfahren unterzogen worden sind.“

Der Bundestag hat das neue Gesetz verabschiedet, der Bundesrat hat es gebilligt. Sobald Bundespräsident Steinmeier das Gesetz unterzeichnet, kann es in Kraft treten - und soll Betrugsversuchen einen Riegel vorschieben.