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Grundsatzrede zur Netzpolitik

22. Juni 2010

Was soll und was darf der Staat im Internet, hat sich Innenminister Thomas de Maizière gefragt und an einem Leitfaden für die deutsche Netzpolitik gefeilt. Jetzt hat er seine Thesen in Berlin vorgestellt.

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Kinder sitzen an an einem Laptop. (Foto: dpa)
Das Thema Internetsicherheit betrifft selbst die KleinstenBild: picture-alliance/dpa

Die Rede, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält, soll ein Schlusspunkt sein und eine neue Etappe des staatlichen Umgangs mit dem Internet einleiten. Er ist dafür in den Lokschuppen des Technikmuseums gekommen. Hinter ihm steht eine gewaltige rote Diesellok, vor ihm liegt ein Redemanuskript aus dem er vorliest, wie er sich eine systematische Netzpolitik vorstellt. Er präsentiert Leitlinien, die dafür sorgen sollen, dass Regierungshandeln künftig nicht mehr von der technischen Entwicklung getrieben, sondern gestaltet wird. Jetzt soll gehandelt werden. "Die Zeit des Staunens ist vorbei!", sagt der Minister.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) (Foto: dpa)
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will die User beser schützenBild: picture alliance/dpa

Es ist ein unübersichtliches Gelände, auf dem sich der Minister bewegt, das weiß er selbst. "Dampflokomotiven lassen sich besser beschreiben", sagt er mit einem Blick in den Museumsraum und spricht über das Internet als Innovationsmotor, Kreativschmiede, Kaufhaus, Kontaktbörse und Arbeitsplatz. Aber bei aller Vielfalt sieht de Maizière Prinzipien, die es seiner Ansicht nach ermöglichen, Ordnung zu schaffen. Er will so weit wie möglich mit den bestehenden Gesetzen aus der "analogen" Welt auskommen, denn "viele Phänomene des Internets sind durch das bestehende Recht bereits zufriedenstellend geregelt." Zudem hofft er auf die Selbstregulierung der beteiligten Akteure: Erst wenn das nicht ausreiche, solle der Staat aktiv werden. Auf gesetzlichem Wege dürfe das aber nur geschehen, wenn die neuen Regelungen künftige Entwicklungen nicht behindern, macht de Maizière deutlich.

Geschwätzige Netzgemeinschaft

Der Minister will sich künftig für den Schutz persönlicher Daten stark machen. Dabei denkt de Maizière an die vielen Informationen, die Nutzer wie selbstverständlich in sozialen Netzwerken und Portalen hinterlassen. Er vergleicht das mit "Klatsch und Tratsch in der gegenständlichen Welt", nur dass er im Internet einen ungleich größeren Empfängerkreis hat und viel weniger flüchtig ist. Diese Art des Austausches sei ein selbstverständliches Recht der Bürger, sagt der Minister: "Wäre es anders, wären wir asoziale Wesen." Aber dass die Informationen immer wieder kopier- und abrufbar bereitstehen, kann zum Problem werden.

Etwas holprig fordert der Innenminister einen "digitalen Radiergummi und ein Verfallsdatum, das ich an meine Daten anbringen kann." Er will dem Internet beibringen, dass es manche Daten vergessen muss. In der Zukunft sollen User bessere Mittel in der Hand haben, sich gegen Verunglimpfungen zu wehren. "Wir brauchen ein privates Darstellungsrecht, mit dem sich der Einzelne zur Wehr setzen kann, wenn etwas Falsches oder Ehrenrühriges über ihn im Internet kursiert", fordert de Maizière, verbunden mit der Idee auf einen Anspruch der Betroffenen gegenüber Suchmaschinenbetreibern, "die eigene Darstellung auf Platz eins einer Trefferliste zu setzen."

Die Betreiber der sozialen Netzwerke möchte de Maizière darauf verpflichten, in den Voreinstellungen der Userprofile ein Höchstmaß an Datensicherheit und Privatsphäre zu ermöglichen. Es müsse einen "Respect by default" geben. Wo das nicht ausreiche, seien die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen zu verbessern.

Wachsamer Staat

Mit großer Spannung sind die Ausführungen des obersten deutschen Innenpolitikers bezüglich der staatlichen Überwachung der Datennetze erwartet worden. In den Vergangenen Jahren haben Vorratsdatenspeicherung und Konzeptionen polizeilichen Zugriffs auf private Computer zu heftigen Diskussionen geführt. De Maizière verbietet sich bei dieser Thematik jeden Verdacht, Deutschland missbrauche das Internet als totalitäres Überwachungsinstrument, als "unerhört".

Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Daten für einen Ordnungspolitiker interessant sind. "Wir brauchen eine vernünftige Balance zwischen Anonymität und Identifizierbarkeit," fordert de Maizière als Voraussetzung dafür, gegen Verbrechen im Internet vorgehen zu können. Es seien Authentifizierungsmethoden notwendig, so der Innenminister: "Ohne sichere und transparente elektronische Identitäten kann es kein vertrauensvolles Miteinander im Netz geben."

Wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble spricht sich Innenminister de Maizière für einen staatlichen Zugriff auf Verbindungsdaten der User aus - auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung erst einmal gestoppt hat. "Ich bin überzeugt, dass die Lücke, die wir ohne Verbindungsdaten in die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung reißen würden, zu groß ist, als dass man auf dieses Mittel verzichten könnte", sagt de Maizière.

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Dеnnis Stutе