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Robby am Steuer

Heiner Kiesel26. November 2015

Entspannt mit verschränkten Armen über die Rennstrecke - auf dem Fahrersitz. Ein deutscher Autohersteller zeigt, was ein Autopilot im Auto leisten kann. Eine Extremerfahrung für DW-Reporter Heiner Kiesel.

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Parcours von Castellolí in Katalonien Pilotiertes Fahren Autopilot Auto PKW Audi RS7
Zum Roboterfahrzeug aufgemotzt: Audi RS 7Bild: DW/H.Kiesel

Ein bisschen muss ich bei der gedrungenen und schwarz-grau-düsteren Optik des Sportwagens in der Boxengasse an das Auto aus Knight Rider denken. Das war so eine rasante 80er-TV-Serie mit David Hasselhoff und einem sprechenden Roboterauto. Das war damals ziemlich in die Zukunft gedacht und ist in groben Zügen jetzt unsere Gegenwart. Abgesehen davon, dass einen Fahrzeuge heute schon entnervend belabern - Stauassistenten, Einparkhilfen, Spurhalte-Automatik - autonome Systeme sind auf dem Vormarsch. Und nun dieser Audi RS 7: Er soll hier auf dem Rennparcours von Castellolí bei Barcelona zeigen, in welchen Extrembereichen der Autopilot die Kontrolle übernehmen kann.

"Das ist eine ganz abwechslungsreiche Strecke, sehr dynamisch und mit großen Höhenunterschieden", meint Markus Hofmann und deutet mit einer weiten Geste in die Hügel unter der milden Herbstsonne. Der blonde End-Dreißiger ist Rennfahrer und arbeitet in der technischen Entwicklung bei Audi. "Ich bin ihr Sicherheitsfahrer in 'Robby'." Er geht zum Wagen. Wir nehmen auf den schwarzen Ledersitzen Platz. Er hinter dem Lenkrad. Tür zu, anschnallen, starten. Die ersten Meter fährt Hofmann selbst, es geht raus auf die Rennstrecke. Dort stoppt er den Wagen an einer der weißen Startmarkierungen und schaltet aus. "Ich lege jetzt den Schalter um, dann weiß das Auto, dass die pilotierte Fahrt wirklich gewollt ist, startet sich und macht einen Selbsttest."

Höllenfahrt mit Autopilot

Mit einem kehligen Knurren meldet sich der Motor zurück. Es gibt eine Menge zu prüfen in dem Roboterauto. Lasersensoren, ein präzises GPS, Radar- und Ultraschallsensoren, fünf Kameras zusätzlich zu all der Fahr-Elektronik, die ohnehin in dem Modell stecken. Das Auto hat einen Hochleistungsrechner unter der Rückbank, um die ganzen Daten zu verarbeiten. Der Computer hat auch alle Informationen über die Strecke gespeichert. Es hat etwa eine Woche gedauert, um die perfekte Linienführung, Beschleunigung und Verzögerung zu berechnen. Ein doppeltes Piepen - alles in Ordnung. Markus Hofmanns Füße stehen vor den Pedalen im Fußraum, die Hände liegen entspannt auf den Oberschenkel. Rechts hält er einen ergonomischen silbergrauen Griff mit einem Knopf an der Oberseite. "Solange ich den drücke, weiß das System, dass alles in Ordnung ist und es weitergehen kann."

Markus Hofmann
Markus Hofmann genießt die Strecke ohne einzugreifenBild: DW/H.Kiesel

Und weiter geht es. Plötzlich! 560 PS drängen nach vorne, der Körper wird mit 1,3 G in die Rückenlehne gepresst, aber da ist schon die Kurve. Hofmann sitzt immer noch genau so Wohnzimmer-entspannt da. Die Hände im Schoß und der rechte Fuß würde es nie mehr bis zum Bremspedal schaffen. Doch Robby bremst heftig... und zieht einen sauberen scharfen Bogen nach rechts, beschleunigt eine Steigung hoch und nach der Linkskurve noch weiter: 140, 160, 180, 200 km/h und einen halben Atemzug entfernt ragt schon eine Felswand hoch. Mein Magen versucht sich in diesem Augenblick in sich selbst zu verstecken. Alles krampft, denn die Strecke ist wirklich sehr "abwechslungsreich". Und Hofmann? Der lächelt.

Stoische Präzision des Roboters

Der Fahrcomputer meistert auch diese Kurve perfekt nach Plan, wie den Rest der Strecke, wie immer. Und das ist genau das, was er Testlauf für Testlauf macht, versichern seine Entwickler: Jedes Mal fährt er die selbe optimierte Linie. Er lässt sich nicht ablenken, er ist niemals waghalsig, seine Sensoren niemals müde. Er ist die Strecke auch schon im dichten Nebel entlang gerast, wenn Piloten aus Fleisch und Blut nicht an den Start gehen würden. Die Zeiten, die Robby fährt, variieren im Ein-Sekunden-Bereich, aber auch nur, wegen unterschiedlicher Reifentemperaturen oder Wettereinflüssen.

Mal ehrlich, das Schlimmste was einem als Beifahrer passieren kann, ist doch ein Typ am Steuer, der einem zeigen will, was er drauf hat! Haftpflichtversicherer freuen sich schon auf die Zukunft des pilotierten Fahrens, denn sie erwarten weniger Schadensfälle. Die Fahrt mit Robby über den Parcours von Castellolí ist eine Inszenierung, die suggerieren soll, dass man der Technik vertrauen darf - auch im Extremfall. Das Gelee-Gefühl in den Knien wird irgendwann schwächer. Und Hofmann ist ja auch noch da.

Roboter im Unfallszenario

Aber ist das hier wirklich der Extremfall beim Autofahren? Audi, Daimler, Toyota und eine Menge mehr Fahrzeughersteller ließen Roboter-Wagen schon Hunderte von Meilen durch die USA fahren. Die Google-Robo-Flotte hat schon über eine Million Kilometer hinter sich, ohne dass eines der Fahrzeuge nennenswerten Schaden verursacht hat. Aber vor dem Verkehr in der Stadt haben alle Respekt. Da rennen Leute auf die Straße, halten sich nicht an die Regeln, oder wollen höflich sein. Das müssen die Fahrroboter alles noch lernen. Und die Entwickler müssen ihnen auch beibringen, was sie in einer Situation machen sollen, in der sich ein Personenschaden nicht vermeiden lässt.

In der Boxengasse von Castellolí steht Miklos Kiss, Entwickler bei Audi. Er kümmert sich um Grundlagen des pilotierten Fahrens in komplexen Umgebungen - im Parkhaus, im Verkehr. "Wenn Sie Robby auf der Straße begegnen, dann machen Sie am besten, dass sie aus der Bahn kommen", rät er. Eine Rennstrecke zu beherrschen, ist dann doch relativ einfach im Vergleich zum richtigen Autoleben. "Wir müssen noch eine Menge lernen, wenn es darum geht, Situationen und die Absichten der anderen im Verkehr zu erkennen", sagt Kiss. Bis dahin sei es eine gute Strategie, möglichst defensiv zu fahren und im Ernstfall alle Kraft darauf zu richten, "Energie aus der Situation zu nehmen". Hoffentlich haben später mal alle Autopilot-Autos so dicke Keramikbremsen wie Robby.

Miklos Kiss
Entwickler Miklos Kiss setzt auf defensive SystemeBild: DW/H.Kiesel