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Im Kino: "Ballon" von Michael "Bully" Herbig

Jochen Kürten
27. September 2018

Fluchtgeschichten gehen immer. Die DDR ist auch fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ein Fall fürs Kino. Der Comedian Michael "Bully" Herbig hat aus einer authentischen Geschichte seinen ersten "ernsten" Film gemacht.

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Film: Bully Herbig "Ballon"
Bild: Studiocanal/M. Nagel

Das ist schon einmal eine große Kunst: Eine Geschichte zu verfilmen, die tatsächlich passiert ist und von der jedermann weiß, wie sie ausgegangen ist - und trotzdem für atemlose Spannung im Kino zu sorgen.

1979 flogen zwei Familien mit einem selbstgebastelten Heißluftballon von Thüringen über die Grenze ins westdeutsche Franken. Eine der spektakulärsten Fluchtgeschichten der DDR-Historie. Regisseur Michael "Bully" Herbig hat aus dem Stoff nun einen spannenden Thriller gemacht.

Disney "entdeckte" die spektakuläre Fluchtgeschichte einst fürs Kino

Zunächst einmal lohnt ein kurzer Rückblick: Hollywood entdeckte in der Flucht mit dem Ballon schon sehr viel früher einen spannenden Kinostoff für ein großes Publikum. Der Walt-Disney-Konzern sicherte sich damals die Film-Rechte an den historischen Ereignissen und Regie-Routinier Delbert Mann brachte bereits 1982 eine Verfilmung der unglaublichen Geschichte ins Kino. Zunächst in den USA, eine Woche später auch in Deutschland - damals eine denkwürdige Premiere, die auch für politischen Sprengstoff sorgte.

Mit dem Wind nach Westen Night Crossing
So sah die Mannschaft 1982 im Hollywood-Film "Night Crossing" aus...Bild: picture-alliance/United Archives

"Night Crossing" (so der Originaltitel, in Deutschland lief der Film unter dem Titel "Mit dem Wind nach Westen") sollte 1982 eigentlich auf der Berlinale laufen, doch Festival-Chef Moritz de Hadeln lehnte den Film aus künstlerischen Gründen ab. Es folgte eine Welle des Protestes gegen diese Entscheidung, vor allem aus konservativen Kreisen, die "Feigheit vor dem Feind" witterten. In den Hochzeiten des Kalten Kriegs wurde die Premiere zum Politikum.

Konservative Presse inszenierte Premiere während Berlinale-Eröffnung

Der Axel-Springer-Konzern veranstaltete - am Tag der offiziellen Berlinale-Eröffnung - eine spektakuläre Premiere von "Night Crossing" in Berlin. In die Auseinandersetzung um die Film-Ablehnung durch die Berlinale hatte sich damals sogar Bundespräsident Richard von Weizsäcker eingeschaltet. "Night Crossing" mit Stars wie John Hurt und Jane Alexander hat aber kaum Spuren in der Filmgeschichte hinterlassen.

Film: Bully Herbig "Ballon"
...und so in Michael "Bully" Herbigs neuem Film "Ballon"Bild: Studiocanal/M. Nagel

Die Geschichte des deutschen Films und auch die der filmischen Aufarbeitung der DDR-Historie wird auch mit "Ballon" nicht umgeschrieben werden müssen. Doch Herbigs Fluchtdrama ist immerhin ein Werk, welches über enorme Unterhaltungs-Qualitäten verfügt. Als Film fürs große Publikum überzeugt "Ballon" - gerade weil er seine Story in bester Hollywood-Manier erzählt - mit viel dramaturgischem Drive, guten Schauspielerleistungen, einer effektiven Spannungs-Dramaturgie und einem Sound-Design, das den Zuschauern kaum Ruhepausen gönnt.

Eine waghalsige Flucht mit einem selbstgebastelten Ballon

Die wahre Geschichte ist gut dokumentiert: Zwei Ehepaare mit Kindern wollten sich damals mit Hilfe eines Heißluftballons aus der DDR absetzen und so die unüberwindbaren Grenzbefestigungen am Boden überwinden. Den Ballon bastelten sie sich selber. Zwei Versuche scheiterten zunächst, beim dritten gelang die Flucht. Die Stasi hatte zuvor zwar Wind von der Sache bekommen, das Fluchtunternehmen zu stoppen, gelang ihr jedoch nicht.

Film: Bully Herbig "Ballon"
Ein Regisseur macht ernst: Michael "Bully" HerbigBild: Studiocanal/M. Nagel

Michael "Bully" Herbig, mit verschiedenen TV-Comedy-Formaten und ein paar überdrehten Kinokomödien ("Der Schuh des Manitu", "(T)Raumschiff Surprise") einer der erfolgreichsten Entertainer im Lande, begibt sich mit "Ballon" auf völlig neues Terrain. Er hat aus dem Stoff nun seinen ersten "ernsten" Film gemacht.

Parallelmontagen sorgen für atemlose Spannung

Aus drei Fluchtversuchen werden bei Herbig zwei, die Handlung wird für den zweistündigen Kinofilm verständlicherweise auf szenische Höhepunkte verdichtet. Mit einigen Parallelmontagen gelingt es dem Regisseur, aus dem Stoff eine bis zum Filmende spannende Geschichte zu entwickeln.

Film: Bully Herbig "Ballon"
Auch die Stasi - hier mit dem von Thomas Kretschmann gespielten Stasi-Offizier - spielt in "Ballon" eine wichtige RolleBild: studiocanal

Der Zuschauer bleibt bis zum Film-Finale von "Ballon" dran - obwohl ja klar ist, dass diese Flucht - im Gegensatz zu vielen anderen tödlich verlaufenden Versuchen verzweifelter DDR-Bürger - glücklich endete. "Ballon" bietet kinotaugliche DDR-Geschichte für ein großes Publikum. Dass Herbig dabei vor allem auf ausgefeilte Spannungs-Dramaturgie und Action gesetzt hat und weniger auf die hintergründige Ausleuchtung von Milieu und Figuren-Arsenal, sollte man dem Regisseur nicht verübeln.

Michael "Bully" Herbig ist einer, der stets das große Publikum im Auge hat. Bei seinen Komödien hat das fast immer geklappt. Dass ihm das nun mit seinem ersten "ernsten" Film (vermutlich) auch gelingen wird, verdient Respekt.