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Mit Grundrechten gegen Datenspionage

Bettina Marx5. September 2013

Kurz vor der Bundestagswahl haben Datenschützer des Bundes und der Länder einen Forderungskatalog an die Bundesregierung präsentiert. Sie verlangen mehr Einsatz im Kampf gegen die Überwachungsmethoden der NSA.

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Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar auf einer Pressekonferenz in Berlin (Foto: Hannibal/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, ist sichtlich verärgert. Stein des Anstoßes ist das Bundesinnenministerium, das im NSA-Überwachungsskandal mit Schaar nicht kooperieren will. Er sei sofort tätig geworden, als er von der flächendeckenden Ausspähung deutscher Bürger durch die amerikanischen und britischen Geheimdienste erfahren habe, berichtete Schaar bei einer Pressekonferenz in Berlin. So habe er sich umgehend an die verschiedenen betroffenen Ministerien, darunter das Verteidigungs- und das Innenministerium, aber auch an das Bundeskanzleramt gewandt und um Auskunft gebeten. Inzwischen lägen ihm die ersten konkreten Antworten vor.

Nur das für den Datenschutz zuständige Bundesinnenministerium verweigere ihm die Auskunft, genauso wie das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dort bestreite man seine Kontrollkompetenz. Dies sei ein ziemlich einmaliger Fall, denn die Auswirkungen der Ausspähungsprogramme Prism und Tempora fielen unbestritten in seinen Aufgabenbereich als oberster Datenschützer in Deutschland. Er habe die Reaktion des Innenministeriums förmlich beanstandet und erwarte jetzt eine Antwort.

Demonstranten in Berlin veranstalten einen Protest-"Spaziergang" vor dem Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND) gegen Überwachung. Foto: DPA
Protest vor dem BND in Berlin gegen die AusspähungBild: picture-alliance/dpa

"Das beruhigt mich nicht"

Doch auch die Antworten, die Schaar bisher erhalten hat, stellen den Datenschützer nicht zufrieden. Der Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf deutschem Boden fände keine flächendeckende Überwachung und Ausspähung durch ausländische Nachrichtendienste statt, beruhige ihn überhaupt nicht. "Was ist mit der nicht-flächendeckenden Ausspähung? Was ist mit der Ausspähung der deutschen Kommunikationsteilnehmer, soweit deren Daten nicht auf deutschem Boden abgefangen werden? Dazu ist keine Entwarnung gegeben worden und das beunruhigt mich."

Ein großer Teil der deutschen Internetkommunikation laufe über Leitungen und Server, die dem Zugriff ausländischer Nachrichtendienste ausgesetzt seien. Das Fernmeldegeheimnis, das in Deutschland vom Grundgesetz geschützt sei, ende aber nicht an der Staatsgrenze. Wenn deutsche Kommunikation daher außerhalb Deutschlands abgegriffen werde, verletze auch dies die Grundrechte deutscher Bürger. Schaar forderte die Politik auf, den Datenschutz der Bürger durch rechtliche Maßnahmen und technische Möglichkeiten zu verbessern. So könne man den Datenverkehr verschlüsseln und verhindern, dass Daten über ausländische Router geleitet würden.

"Wir kämpfen gegen die Resignation"

Unterstützt wird Schaar von Imke Sommer, Landesdatenschutzbeauftragte des Bundeslandes Bremen und Vorsitzende der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. "Wir finden, es ist Zeit etwas zu tun", sagte sie in Berlin. "Regierungen und Parlamente haben Werkzeuge, mit denen sie sich schützend vor die Grundrechte der Menschen stellen können und die müssen sie jetzt benutzen."

Symbolbild Netzwerkkabel und Notebook
Der US-Geheimdienst NSA greift Internet- und Telefondaten abBild: Fotolia/benjaminnolte

Die Bürger in Deutschland reagierten mit Resignation auf die immer neuen Informationen über Ausspähungs- und Überwachungsmaßnahmen. Sie hätten nicht mehr nur ein diffuses Gefühl, überwacht zu werden, sondern ganz konkrete Ängste. Dies führe dazu, dass sie ihr Verhalten änderten, dass sie kein Vertrauen mehr ins Internet hätten und dass sie die Bereitschaft der Politik anzweifelten, sie zu schützen. "Das Vertrauen in den Rechtsstaat geht kaputt", warnte Sommer.

Sie verlangte Maßnahmen, die es den Menschen erlaubten, ihre Daten besser zu schützen. Dazu gehöre die Prüfung, ob man die Netze durch Europa routen könne, um sie dem Zugriff des amerikanischen Geheimdienstes zu entziehen. Wichtig sei es auch, dass Bürger, die Verschlüsselungstechniken benutzten, dadurch keine Nachteile erlitten.

Demonstration gegen US-Präsident Barack Obama anlässlich seines Besuches in Berlin im Juni 2013. Auf dem Transparent steht : "Freiheit statt Überwachung". Foto: DW
Demonstration gegen US-Präsident Barack Obama in BerlinBild: DW/B.Marx

"Mir reicht das nicht"

Die Datenschützer fordern, die bestehenden Abkommen der EU mit den USA auf den Prüfstand zu stellen. Dazu gehörten das Programm zur Fluggastüberwachung und das Abkommen zur Überwachung des Zahlungsverkehrs. Auch bei den derzeit stattfindenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA müsse sichergestellt werden, dass der Datenschutz gewahrt werde.

Harsche Kritik übte Schaar auch an den Reaktionen aus Großbritannien und den USA auf die Empörung in Deutschland und auf die Anfragen der Bundesregierung zur Datenüberwachung. Es sei nicht hinnehmbar, dass nur die Geheimdienste die Fragen beantworteten. "Mir reicht das nicht aus. Ich würde es sehr gut finden, wenn die Bundesregierung sich nicht damit zufriedengibt, wenn der NSA-Chef dem BND-Chef irgendetwas zusichert, sondern da muss Präsident Obama Bundeskanzlerin Merkel etwas zusichern oder die US-Regierung der deutschen Bundesregierung."