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Mit Solarenergie Geld sparen und nicht verheizen

Alexander Musik16. April 2008

Warmes Wasser, warme Heizung, warme Wohnung - und keinen Cent dafür zahlen. Bei diesen Bewohnern in der Schweiz heizt die Sonne. Rechnungen flattern da nicht ins Haus und umweltfreundlich ist es auch noch.

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Die Sonne spendet kostenlose Energie.Bild: AP

Im schweizerischen Oberburg, Kanton Bern, steht es: Europas erstes solarbeheiztes Mehrfamilienhaus. Sein Erfinder: der Solarpionier Josef Jenny. Nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt ist seine Firma Jenny, ein mittelständischer Betrieb mit 50 Mitarbeitern. Inhaber Josef Jenny versteht sich als Umweltaktivist, der sich auf eine Firma stützen kann. Mittlerweile ist der 55-Jährige - wenn er nicht gerade als Abgeordneter im Berner Nationalrat sitzt - dauernd unterwegs. Sein Rat und das Know-how seiner Solarspeicher sind jetzt sogar international gefragt, aber es war ein langer und mühseliger Weg dorthin.

Kämpfen für den Traum vom Solarhaus

Auf dem Firmengelände entstand in den 1980er-Jahren das erste ganzjährig solarbeheizte Einfamilienhaus für Bruder Erwin. 1989 war es fertig. Schon Jennys Bruder betonte immer, wenn er einmal bauen könne, dann nur ein Haus, das völlig sonnenversorgt ist! Dass sie aber tatsächlich einmal so viel Geld verdienen würden, dass sie es sich können, daran haben beide nicht gedacht. "Als ich begonnen habe, das Haus zu bauen, sind wir von allen ausgelacht worden. Sämtliche Fachleute auch von Solarfirmen in der Schweiz haben gesagt: Du spinnst! Das geht nicht! Das kann nie funktionieren", erzählt Josef Jenny. Aber ein völlig sonnenversorgtes Haus zu bauen, war doch möglich.

Inzwischen stellt der Betrieb zehn Modelle vom Typ "Swiss Solartank" täglich her zumeist für Kunden in der Schweiz, Deutschland und Luxemburg. Die Solarspeicher werden mithilfe von Maschinen, die Jenny selbst konzipiert hat, in der eigenen Produktionshalle montiert, denn sie sind gigantisch. Für ein ganzjährig solarbeheiztes Einfamilienhaus in Passau hat Jenny einen 8,70 Meter hohen Solarspeicher gebaut, der über drei Stockwerke des Hause verläuft und ein Volumen von fast 17.000 Liter hat. Auch die Wärmedämmung muss darauf abgestimmt sein. Jenny arbeitet mit passivsolarer Nutzung: mit guten Fenstern, die nach Süden orientiert sind, einer Lüftung mit Wärmerückgewinnung und einer kräftigen Solaranlage. "Wenn man ganzjährig mit Sonne heizen will, dann muss das Haus von Grund auf für diesen Zweck geplant werden", sagt Josef Jenny.

Das Haus – eine Fassade für den Solarspeicher

Das Haus wird um den Solarspeicher herum gebaut. Das mache einen nachträglichen Einbau unmöglich, sagt Jenny. Er selbst steckt sich dabei ständig neue Ziele. Wie eben das Mehrfamilienhaus am Rande des Firmengeländes, in das die ersten fünf Parteien im vergangenen Winter eingezogen sind. Zentrum des mächtigen Wohnhauses mit Satteldach ist ein Solarspeicher für 205.000 Liter Wasser. Im Sommer durch Kollektoren auf der südlich orientierten Dachhälfte erwärmt, sorgt der Speicher ganzjährig für Wärme und heißes Wasser in acht Wohnungen. Weil Bauherr Jenny dem Nachbarn im rustikalen Chalet die Aussicht verbaut hat, heizt er dessen Haus aus dem großen Solarspeicher gleich kostenlos mit. "Im Moment, so wie es aussieht, braucht es doppelt so viel Wärme wie das ganze Achtfamilienhaus."

Der zylindrische Solarspeicher im Neubau zieht sich komplett vom Keller bis zum Dach. Josef Jenny kontrolliert immer wieder die Technik und dokumentiert die Speichertemperatur: 75 Grad oben, 56 unten - und das nach einem Winter! Die Kollektoren haben im nicht sehr sonnigen Emmental genug Sonnenenergie aufgesaugt, um die Mieter zuverlässig durch die kalten Monate zu bringen.

Geldsparend und umweltfreundlich

Die Schweizers, eine vierköpfige Familie, wohnt seit November in einer der großzügig ausgestatteten 135 Quadratmeter-Wohnungen mit Fußbodenheizung. Miete: knapp 2.200 Franken, etwa 1.380 Euro. Keine Nebenkosten für Heizung und Warmwasser und den E-Herd, den Geschirrspüler und die Waschmaschine hatte Josef Jenny für die Mieter bereits eingebaut. Die Geräte sind so energiesparend, dass die Schweizers auf eine Stromrechnung von lediglich 30 Franken monatlich kommen, knapp 19 Euro.

Jens Schweizer bestätigt, dass es immer sehr angenehm war gewesen sei im Winter. Probleme habe es keine gegeben. Seine Frau Brigitte Schweizer erklärt, warum sie sich ausgerechnet für diese Wohnung entschieden haben: "Wir haben uns schnell in diese Wohnung verliebt - zum einen, weil sie wegen der Maße zu uns passte, zum anderen, weil sie umweltfreundlich funktioniert!"


Auf lange Sicht die Nase vorn mit Solarenergie

Die Annoncen in der Lokalzeitung beweisen, dass die Schweizers etwa 100 Euro mehr Miete zahlen als für eine konventionell beheizte Wohnung in der Region. Doch wer weiß, wie die Energiepreise sich entwickeln? Und die Heizung gibt gleichmäßig wohlige Wärme ab, die Dämmung ist so gut, dass es nirgends zieht, alle Außengeräusche verschlucken die Dreifachfenster. "Ich bin rundum zufrieden, auf jeden Fall", betont Jens Schweizer.

Etwa 12.000 Euro kostet ein Solarspeicher für ein Einfamilienhaus. Zwischen 18.000 und 25.000 Euro seien insgesamt mehr zu bezahlen für den solarbeheizten Neubau – eine Investition, die sich je nach aktuellem Ölpreis bald auszahle, sagt Jenny.

Zukunftsvisionen eines Umweltaktivisten

Die Funktionsweise eines mit Erdwärme betriebenen Reihenhauses (Handout der GAG Immobilien AG). Derzeit wird in Köln-Riehl das bundesweit größte Erdwärme-Wohnungsbauprojekt gebaut. Die geplante Siedlung mit insgesamt 383 Einfamilienhäusern sowie Miet- sowie Eigentumswohnungen für rund 1000 Menschen soll fast ausschließlich mit Erdwärme versorgt werden soll. Die künftigen Mieter und Eigentümer könnten bis zur Hälfte der Energiekosten sparen, so die Bauleitung. Auf dem Gelände werden 21 Löcher bis zu 100 Meter tief gebohrt, in denen die Wärmepumpen später installiert werden sollen. Durch ein spezielles Verfahren wird mit Hilfe von Flüssigkeit der Temperatur-Unterschied ausgenutzt, der durch die natürliche Erdwärme im Boden existiert. Foto: GAG Immobilien AG dpa/lnw (zu dpa 0233 vom 07.03.2007) +++(c) dpa - Report+++
Auch Erdwärme ließe sich als weitere Energiequelle ins Solarhaus integrieren.Bild: picture-alliance/dpa

Und der Solarmeister hat sogar noch Größeres vor: die Nutzung von Sonne, Holz-, Abwärme und Erdwärme zusammen als umweltverträgliche Energiequellen. Für unsere Energiesucht verkaufen wir unsere Heimat, klagt Jenny. Immer häufiger gehören unsere Sachwerte Investoren aus dem Erdölbereich.

Sein Spezialgebiet, die Solartechnik, fördert er als Abgeordneter auf seine Art und Weise: Zum Beispiel, indem er im gelben T-Shirt mit dem Aufdruck "Oil of Emmental" im gediegenen Parlament auftritt. Das sorgt selbst in der ruhigen Schweizer Gegend für zusätzlichen Medienrummel. Gute Werbung für die Solarenergie inklusive. Und Josef Jenny kann sich nicht beklagen: Er könne sich kaum vor Aufträgen retten. Und obendrein verdiene er Geld mit einer Sache, die auch noch einen höheren Sinn habe.