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Mittelstand zögert bei der Digitalisierung

Klaus Ulrich12. Mai 2015

Deutsche Unternehmer sehen die Chancen des digitalen Wandels, schrecken aber noch vor den Kosten der neuen Technologien zurück. Nachteile im weltweiten Wettbewerb könnten die Folge sein.

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Hannover Messe Highlights 2015
Bild: Deutsche Messe AG/R. Jensen

Das "Internet der Dinge", Industrie 4.0, Big Data und Co: Eine breite Mehrheit von 86 Prozent der mittelständischen Unternehmer und Manager sieht in der zunehmenden Digitalisierung eine "große Chance" für den Industriestandort Deutschland. Bereits jedes sechste Unternehmen hierzulande zählt heute zu den digitalen Vorreitern. Das geht aus der jüngsten Mittelstandsstudie der Commerzbank hervor. Für die Untersuchung wurden deutschlandweit Führungskräfte bei 4.000 mittelständischen Unternehmen befragt.

Die großstädtische Verdichtung und die infrastrukturellen Vorteile stellen einen guten Nährboden dar: Der höchste Anteil digitaler Innovatoren findet sich in den beiden großen Stadtstaaten Berlin und Hamburg (s. Grafik). Auch im Süden und im Südwesten Deutschlands - in Bayern, Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz - sind vergleichsweise viele digitale Vorreiter angesiedelt. Die Unternehmen aus den östlichen Bundesländern verhalten sich hingegen zurückhaltender und bleiben skeptisch.

Infografik digitale Innovatoren nach Bundesland

Mehrheit wartet ab

Die Mehrheit der Unternehmen hat die Chancen der Digitalisierung zwar erkannt, verhält sich aber eher abwartend: 63 Prozent der Befragten räumten durchaus selbstkritisch ein, dass der Mittelstand das Thema Digitalisierung derzeit noch eher vernachlässige. Zwei Drittel der Befragten bewegen sich nach eigenem Bekunden in Märkten, die durch ausgereifte Produkte und Dienstleistungen, starken Verdrängungswettbewerb und immer kürzere Produkt- und Innovationszyklen gekennzeichnet sind.

In dieser Situation sind aus Sicht der Unternehmer wichtige Herausforderungen eher Kostensenkung und Produktivitätssteigerung. Einen kleineren Stellenwert nehmen danach die Entwicklung von Produkt- und Dienstleistungsinnovationen oder die Erschließung neuer Vertriebswege ein.

"Der Fokus auf Kosten und Effizienzsteigerung ist sicher nie falsch", sagt dazu der Unternehmensberater und Schirmherr der Studie Stefan Groß-Selbeck. Aber es erscheine sinnvoll, Digitalisierung nicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz zu betrachten.

Start-ups als Lehrmeister

Traditionelle Unternehmen könnten hier von Start-ups lernen, indem sie neue Technologien nicht nur einsetzen, um Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Stattdessen sollten sie auch ganz neue Wege ausprobieren, um neue Kundengruppen und Vertriebswege zu erschließen und neue Angebote zu schaffen.

Zurückhaltend agiert die Mehrheit der Unternehmen, wenn es um die aktuell viel diskutierten Phänomene wie Big Data, Cloud Computing oder Industrie 4.0 geht. Dagegen messen sie bereits etablierten digitalen Technologien große Bedeutung bei.

"Unternehmen setzen selbstverständlich auf Onlinemarketing, optimieren die Administration, ermöglichen Arbeiten aus dem Homeoffice oder bieten Onlineservices an", erläutert Commerzbank Mittelstandsvorstand Markus Beumer. "Individualisierte und automatisierte Produktion oder die Vernetzung der Wertschöpfungskette werden dagegen erst von wenigen Firmen umgesetzt."

Die größten Hürden auf dem Weg zur Digitalisierung

Die größten Herausforderungen für die Unternehmen liegen der Studie zufolge in der Komplexität und der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung - das meinten mehr als die Hälfte der befragten Manager (52 Prozent). Weitere Hürden sehen sie im hohen Investitionsbedarf (50 Prozent), in Datenschutzfragen (49 Prozent) und im Fehlen verlässlicher Standards (42 Prozent) - all das führt dazu, dass sich viele Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung erst einmal abwartend verhalten.

In sich schnell verändernden Märkten kann diese Zurückhaltung gefährlich sein - immerhin berichten 33 Prozent der Befragten davon, dass sich Schlüsseltechnologien in ihrer Branche im Umbruch befinden, und 26 Prozent, dass die Digitalisierung bewährte Geschäftsmodelle bedroht.

Herausforderungen für das Management

"Der Einzug der digitalen Technologien bietet große Chancen, ist aber auch eine gewaltige Managementaufgabe, weil Entscheidungen schnell getroffen werden müssen und es sich heftig rächt, beim entscheidenden Trend den Anschluss zu verpassen", kommentiert Markus Beumer. Mit der Komplexität des digitalen Wandels umzugehen, sei eine der wesentlichen Herausforderungen für Manager.

Wie das gelingt, zeigt die Gruppe der digitalen Vorreiter. Sie warten nicht ab, sondern setzen auf Innovation und Ausprobieren, um sich in engen Märkten einen Vorsprung zu verschaffen. Signifikant häufiger als der Durchschnitt der Unternehmen starten sie Pilotprojekte (plus 28 Prozent gegenüber dem Durchschnitt), analysieren das Potenzial möglicher neuer Produkte, statt sich nur am Marktumfeld zu orientieren (plus 26 Prozent), schaffen kreative Freiräume (plus 25 Prozent) und stellen technische Spezialisten ein (plus 24 Prozent).

"Mut zum Ausprobieren ist das beste Rezept, um den digitalen Wandel im Unternehmen erfolgreich zu managen", so Beumer.