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Aids fährt mit

9. Juli 2011

Ohne Fernfahrer würde Südafrikas Wirtschaft still stehen, denn fast alle Güter werden auf der Straße transportiert. Doch oft fährt das HI-Virus mit. Spezielle Trucker-Kliniken bieten nun Hilfe und Aufklärung an.

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Gesundheitsstation am Rastplatz (Foto: Michelle Steyn)
Gesundheitsstation am RastplatzBild: Michelle Steyn
Übersee-Container (Foto: Michelle Steyn)
Die Übersee-Container wurden zu kleinen Gesundheitsstationen für Trucker umfunktioniertBild: Michelle Steyn

Nonopedi Jackobson sitzt im Warteraum der Truckerklinik und lässt sich erklären, wie er das Anmeldeformular auszufüllen hat. Der 60-Jährige ist der einzige Patient in dem ungefähr zehn Quadratmeter großen Warteraum. Ein paar Stühle, ein Tisch mit Broschüren, die über Aids aufklären, und in der Ecke ein Fernseher. Das ist das Wartezimmer der Truckerklinik am Rande der N2 - der Schnellstraße, die von Kapstadt aus in Richtung Osten führt, in Richtung Durban.

Die Kliniken für Südafrikas Trucker sind in Überseecontainern untergebracht. Dementsprechend klein sind auch die Behandlungszimmer: Eine Liege, ein Tisch und ein offenes Regal, gefüllt mit bunten Tablettenpackungen, passen gerade hinein.

Jeder Zehnte ist positiv

Nonopedi hat sein T-Shirt ausgezogen. Im Unterhemd sitzt er vor Schwester Masapapu, die seinen Blutdruck misst. 134 zu 80. "In Ordnung", sagt die Schwester und greift nach einer Spritze. Nonopedi muss Blut abgeben, ein Aidstest steht an. Das Ergebnis wird er erfahren, wenn er in etwa vier Wochen wieder mit seinem Truck nach Kapstadt kommt. "Es gibt viele Fahrer, die HIV-positiv sind", sagt Nonopedi. "Zwei meiner Brüder sind auch Trucker. Sie haben sich beide mit dem Virus infiziert."

Auch wenn im vergangenen Jahr die Zahl der Aids-Toten zum ersten Mal zurückgegangen ist: Aids ist und bleibt ein großes Problem in Südafrika. Von 50 Millionen Einwohnern sind mehr als 5 Millionen mit dem HI-Virus infiziert, unter ihnen auch viele LKW-Fahrer. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass sich Aids auch in entlegenen und ländlichen Regionen des Landes verbreitet hat.

Gemeinsam gegen Aids

Die Zahl der infizierten Trucker stieg in den vergangenen Jahren so stark an, dass sich die sonst stets zerstrittenen Arbeitergeber und Gewerkschaften an einen Tisch gesetzt haben. Entstanden ist das Konzept der Truckerkliniken. Das sind speziell auf die LKW-Fahrer zugeschnittene kleine Krankenstationen in Überseecontainern, die auf Autobahnparkplätzen verteilt sind. 20 solcher Kliniken gibt es im ganzen Land. Tertius Wessels von Corridor Empowerment Project ist für sie verantwortlich. "Bis zu 90 Prozent aller Fracht-Transporte in Südafrika werden per LKW transportiert. Ohne die Fernfahrer würde die Wirtschaft zu Grunde gehen."

Trucker und Arzt im Gespräch (Foto: Michelle Steyn)
Aufklärung und Gesundheitscheck gehen in den mobilen Kliniken Hand in HandBild: Michelle Steyn

Nonopedi ist wieder auf dem Weg zu seinem LKW. Der steht nur wenige Meter von der Klinik entfernt auf einem Parkplatz. Es ist kurz vor acht Uhr abends und damit Arbeitsbeginn für den dreifachen Familienvater. In dieser Nacht wird er zusammen mit einem Kollegen Medikamente transportieren. Vier Stunden schlafen, vier Stunden hinterm Lenkrad - das ist der Arbeitsrhythmus von Nonopedi.

Kondome verpönt

Es ist nicht mehr viel los auf der N2, der Schnellstraße in Richtung Osten. Mit Tempo 80 fährt Nonopedi in Richtung Durban. Nur vereinzelt überholt mal ein Fahrzeug, ansonsten ist die Straße frei. Nonopedi macht es sich hinterm Lenkrad gemütlich, sofern das eben geht. Seit sieben Jahren arbeitet er als Fahrer. Gerne mache er den Job nicht, erzählt er, aber er müsse ja seine Familie ernähren. Der 60-Jährige grüßt per Lichthupe die anderen Fahrer, die auf dem Weg nach Kapstadt sind. Gutes hat er über viele seiner Kollegen nicht zu berichten. "Die meisten Fahrer benutzen ungern Kondome. Sie gehen nach der Arbeit noch auf einen Drink raus und danach...naja. Es ist ihnen jedenfalls meist nicht wichtig, ein Kondom zu nehmen." Seit er von Aids gehört habe, gebe es für ihn nur noch eine Partnerin, und das sei seine Frau, erzählt Nonopedi.

Mobile Klinik von Mercedes Benz (Foto: Michelle Steyn)
Eine der mobilen Kliniken auf einem RastplatzBild: Michelle Steyn

Nonopedi verdient rund 300 Euro Monat. In einem von Armut geprägten Land ist das viel Geld. Südafrikas Fernfahrer seien aufgrund ihres Einkommens deshalb auch besonders gefährdet, sagt Tertius Wessels. "Es gibt Gegenden, da kannst du für ein halbes Brot und ein halbes Hähnchen Sex haben. Es ist letztlich ein Armutsproblem."

Um das Aidsproblem in den Griff zu bekommen, sind die Truckerkliniken in Südafrika mittlerweile nicht mehr nur für Fernfahrer geöffnet. Seit einigen Monaten werden in den kleinen Krankenstationen am Rande von Autobahnen auch Prostituierte behandelt. Kostenlos. Und um noch mehr Fahrer erreichen und behandeln zu können, wurden mobile Kliniken eingeführt: Mercedes-Benz hat Sprinter Vans zu kleinen Kliniken umbauen lassen. Der deutsche Autobauer hat ein Werk in Port Elisabeth und kennt die Probleme der südafrikanischen Fernfahrer nur zu gut.

Autor: Jörg Poppendieck
Redaktion: Helle Jeppesen