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"Mondovino": Technik statt Tradition im Weinglas

Günther Birkenstock28. April 2005

"Der Wein ist tot" - erschreckende Sätze fallen in "Mondovino", dem neuesten Werk von Jonathan Nossiter. Als Weinkellner ist er prädestiniert für einen Film wie diesen: Was ist nur aus dem guten alten Wein geworden?

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Grund für echte Glaubenskämpfe: WeinBild: dpa Zentralbild

Der Amerikaner Jonathan Nossiter ist Dokumentarfilmer, Spielfilmregisseur und gelernter Sommelier, also ein Weinkellner, der Ahnung von der Materie hat. Zwei Jahre ist Nossiter umhergereist, um einen Film über die heutige Weinwelt zwischen Tradition und Moderne zu drehen. Er hat Winzer, Weinjournalisten und Händler in aller Welt besucht. In kurzen Gesprächssequenzen zeichnet er ein Porträt ihrer Persönlichkeit, lässt sie ihren Weinidealismus formulieren, ihre Geschichte und ihre Überzeugung von Gut und Schlecht darlegen. Mit wackelnder Digitalkamera mal aus der vermutlich versteckten Tasche gefilmt, mal in Frontaufnahme mit entsprechender Pose. Herausgekommen ist "Mondovino".

Wein - früher Religion, heute Marke

"Eines ist klar: Der Wein ist tot", sagt der südfranzösische Winzer Aimé Guibert. "Und das gilt nicht nur für den Wein. Das gilt auch für Käse, für Früchte." Der Wein stehe für eine fast religiöse Beziehung des Menschen, "ganz besonders im mediterranen Raum, mit den Elementen der Natur, der Erde natürlich, der lebendigen Erde und dem Klima." Der Bordeaux habe eine herausragende Rolle gespielt - früher. "Heute sieht das anders aus. Heute regiert an vielen Stellen der Kult des Geldes."

Film Mondovino von Jonathan Nossiter
Die 'guten' Winzer? Szene aus MondovinoBild: Stéphanie Pommez

Womit gleich klar ist, wo Gut und Böse zu suchen sind. Hier die guten, die traditionsreichen Winzer, die ganz auf Boden und Klima setzen, das so genannte Terroir - und dort die bösen, die Global Player der Weinwelt, die vor allem auf Kellertechnik vertrauen und mit oberflächlichen und üppigen Weinen schnell viel Geld verdienen wollen. Profit statt Authentizität, Marke statt Herkunft. "Mondavi ist eine Marke. Wir erzeugen, wir kultivieren hier die Weine nach ihrer Herkunft", sagt Hubert de Montille aus Burgund. "Und nach fünfzig Jahren ist dann klar, dass die Herkunft auch eine Art Marke prägt. Aber Marken vergehen."

Der Film zeigt beide Seiten

Ein Streit um Echt und Künstlich, der nicht nur in der Welt des Weins geführt wird. Als Symbol für den Modernisten, der auf die Tradition keinen Wert legt, wird das Imperium der kalifornischen Mondavi-Familie gezeigt, wobei Regisseur Nossiter sich selbst mit der Wertung zurückhält. Er zeigt Überzeugungen und Gegner, die Aussage der Bilder bleibt trotz viel malerischer Winzerromantik einerseits und technischen Labors andererseits neutral. Zu Wort kommen beide Fraktionen.

"Terroiristen, das sagt alles. Das sind Typen, in gewisser Weise die Ayatollahs des Terroirs. Sie denken, das Terroir rechtfertigt alles", wettert Jean Luc Thunevin, Star-Winzer aus Bordeaux, der mit seinem Château Valandraud genauso wie Mondavi ganz auf moderne Technik setzt. Beraten wird er von Michel Rolland, einem Weinfachmann, der als "flying winemaker" mehr als 100 Weingüter in zwölf Ländern auf der ganzen Welt betreut. Auch Rolland wird gezeigt als cooler Macher mit Chauffeur und Zigarre.

Unterhaltsame Blicke in die Seele

Für den Erfolg eines Weingutes ist aber nicht nur der Technikzauberer im Hintergrund verantwortlich - sondern auch Menschen wie Robert Parker. Er ist der bekannteste und einflussreichste Weinjournalist der Welt. Seine Bewertungen können einen Winzer reich machen oder ins Verderben stürzen. Auch Parker wird von Nossiter besucht, ebenso wie dessen Freunde und Feinde, die bei so viel Macht nicht ausbleiben können.

In "Mondovino" geht es nicht nur um Wein und die billige These, dass früher alles besser und Winzer wie Weine ehrlicher waren. Nossiters Dokumentation ist feingestrickte Psychologie in einfachem und unterhaltsamen Gewande, sodass sogar 2 Stunden und 15 Minuten nicht langweilig werden. Schade nur, dass er vergisst zu sagen, dass die jüngste Entwicklung ganz anders aussieht - dass nämlich überall auf der Welt Weinproduzenten mit moderner Technik versuchen, das Terroir mehr zu betonen als je zuvor.

Und natürlich ist es ein Film über die Elite. Die Weine, die hier zur Sprache kommen, sind die Rolls Royce' und Ferraris unter den Rebensäften, von denen man ja weiß, dass sie sich nicht jeder leisten kann.

"Mondovino". Regie: Jonathan Nossiter. 138 Minuten. Ohne Altersbeschränkung. Deutscher Kinostart: 28. April 2005