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Montenegro vor Referendum: Erbitterter Kampf um jede Stimme

18. Mai 2006

Der Ausgang des Unabhängigkeitsreferendums am 21. Mai in Montenegro ist ungewiss. Die Anführer der beiden Blöcke – der Unabhängigkeitsbefürworter und der -gegner – sind gleichermaßen von ihrem Erfolg überzeugt.

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Noch sind die Wahllokale leerBild: AP

Der montenegrinische Premier und Anführer des so genannten souveränistischen Blocks, Milo Djukanovic, behauptet, das Unabhängigkeitsprojekt unterstützten rund 60 Prozent der Bürger Montenegros. Predrag Bulatovic, der erste Mann der Unionisten, wie die Unabhängigkeitsgegner genannt werden, erwartet dagegen, dass für den Erhalt der Staatengemeinschaft 200.000 Stimmberechtigte votieren, was den Fortbestand des gemeinsamen Staates mit Serbien garantieren würde. Wenn tatsächlich so viele Wähler den unionistischen Block unterstützen sollten, dann würden ihm nur einige Prozent fehlen, um die erforderlichen 55 Prozent zu erreichen.

Stimmen von Auslands-Montenegrinern gefragt

Daher wird nun vor Ort ein erbitterter Kampf um jede Stimme geführt, allerdings wird die meiste Hoffung in die Unterstützung von außen gesetzt. Denn es wurden Bürgern von Montenegro, die in Europa oder den USA leben und sich am Referendum am 21. Mai beteiligen wollen, kostenlose Flugtickets zur Verfügung gestellt. Dadurch sichern sich die Souveränisten weitere 8.000 Stimmen für ihr Lager. Der Block für die Staatenunion rechnet mit eben so vielen Stimmen von Bürgern Montenegros und insbesondere von Studenten, die zur Abstimmung für den Erhalt der Staatenunion aus Serbien anreisen werden. Unterstützt wird dies auch von der Regierung Serbiens, die den kostenlosen Transfer per Bus oder Bahn allen Bürgern Montenegros ermöglicht, die am bevorstehenden Plebiszit teilnehmen möchten.

Abwandern von Stammwählern möglich

Der politische Analyst Dragan Rosandic sagte DW-RADIO, über den Ausgang des Referendums könnten jene Wähler von Djukanovics Demokratischer Partei der Sozialisten (DPS) entscheiden, die zwar die Regierungspartei bei Wahlen unterstützen, aber trotzdem den Staatenbund mit Serbien erhalten möchten. "Ein Teil ihrer Stammwähler wird sich diesmal abwenden und nicht für ein souveränes Montenegro stimmen. Wie viel Prozent das werden, ist schwer zu sagen. Ich glaube aber, dass man mit zehn bis 15 Prozent der DPS-Wähler rechnen muss, die nicht für die Unabhängigkeit votieren werden."

Wenn zehn Prozent der bisherigen Djukanovic-Anhänger für den Erhalt der Staatengemeinschaft stimmten, bedeutete dies für die Unionisten, dass sie 15.000 Stimmen mehr bekämen. Des Weiteren ist noch fraglich, wie viele Bosniaken, die 15 Prozent der Bevölkerung in Montenegro ausmachen, die Union mit Serbien unterstützen.

Kampf von Tür zu Tür

Wegen der geringen Zahl der Wahlberechtigten können sich in jedem Fall auch die kleinsten Schwankungen – insbesondere ein Stimmabfluss unter den Blöcken – ausschlaggebend auf das Ergebnis des Referendums auswirken. Daher wird in der Schlussphase der Kampagne ein erbitterter Kampf in montenegrinischen Medien, auf öffentlichen Plätzen und nach altbewährter Methode geführt: Von Haus zu Haus, von Tür zu Tür. Rosandic zufolge ist daher nun schwer einzuschätzen, wie das Plebiszit ausgehen wird. "Der Bürger ist verschlossen. Er wird sich wahrscheinlich am Tag des Referendums entscheiden oder hat es bereits getan. Darüber spricht er aber nicht öffentlich, z.B. weil Druck auf ihn ausgeübt werden könnte. Daher fürchte ich, dass wir bis zum Referendum und bis zum Abend des 21. Mai schwer ein Ergebnis voraussagen können. Das werden wir dann sehen, wenn am Sonntagabend alle Stimmen ausgezählt sind."

Mustafa Canka, Ulcinj
DW-RADIO/Serbisch, 17.5.2006, Fokus Ost-Südost