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Politik

Moscheen bedroht: Der Staat ist gefordert

Daniel Heinrich
24. Juli 2019

Eine ganze Reihe von Bombendrohungen gegen Moscheen verunsichert Muslime in ganz Deutschland. Vertreter islamischer Verbände wenden sich nun an die Behörden: Sie fühlen sich durch den Staat nicht ausreichend geschützt.

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Bombendrohung gegen Ditib-Moschee in Duisburg
Die Ditib-Merkez-Moschee in Duisburg hat eine Bombendrohung erhaltenBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Eines scheint klar, Nurhat Soykan reicht es. Nachdem es alleine im Juli bereits Bombendrohungen gegen Moscheen in Iserlohn, Villingen-Schwenningen und München, sowie gegen die DITIB-Zentralmoschee in Köln, den bundesweit größten Moscheekomplex, gegeben hatte, hatte es in den vergangenen Tagen weitere Drohungen gegen Moscheen in Duisburg, Mannheim und Mainz gegeben.

Die 49-Juristin Nurhat Soykan ist die Sprecherin des Koordinationsrats der Muslime (KRM) in Deutschland. Der 2007 gegründete KRM ist die Arbeitsplattform der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland. Mitglieder sind der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ).

Für Soykan sind die erneuten Drohungen Grund genug, sich mit einem dringenden Appell an die deutschen Behörden zu wenden: "Muslime sind tief verunsichert. Der Staat steht in der Pflicht, vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen", sagte sie am Dienstag in Köln. Die Bundesrepublik stehe schlichtweg in der Verantwortung, dass alle Menschen frei von Angst und Gewalt ihre Religion ausüben können: "Unser Zusammenleben ist gefährdet, damit auch unsere Demokratie. Das ist inakzeptabel."

Mit ihren Worten rennt Soykan bei Aiman Mazyek offene Türen ein.

Der 50-Jährige Aachener ist Vorsitzender des ZMD. In einem Interview mit der Deutschen Welle (DW) machte er aus seiner Sorge vor Gewalt gegenüber Muslimen keinen Hehl. Für ihn ist klar, dass "Islamfeindlichkeit oder Muslimfeindlichkeit enorm zugenommen haben. "Wir beklagen fast im Wochentakt Übergriffe auf Moscheen oder auch Schändungen", sagte er. Auch Personen würden zunehmend attackiert: "Seit 2017, dem Jahr in dem erstmalig islamfeindliche Übergriffe auf Muslime und Einrichtungen gezählt wurden, sind die Angriffe, bei denen Menschen physischen Schaden nehmen, größer geworden." Die Qualität ist heftiger geworden und die Dunkelziffer ist weitaus größer, weil Polizei und Justiz für dieses Thema noch nicht sensibilisiert und geschult sind." Dazu käme: Viele Muslime machten auch keine Strafanzeigen.

Vorbehalte gegen Muslime

Offizielle Zahlen stützen Mazyeks Thesen. Laut Bundesinnenministerium (BMI) wurden 2017 insgesamt 1.075 als islamfeindlich eingestufte Straftaten erfasst. Alleine 239 Moscheen wurden angegriffen. Zwar liegen für das Jahr 2018 die endgültigen Zahlen des Bundesinnenministeriums noch nicht vor. Allerdings gab es auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion vorläufige Zahlen, die zeigen, dass die Zahl der Verletzten 2018 zugenommen hat: 40 Menschen sind bis September bei islamfeindlichen Angriffen verletzt worden. 2017 waren es im gleichen Zeitraum 27, im gesamten Jahr 32.  

Symbolbild | "Antimuslimischen Rassismus"
Viele Muslime in Deutschland fühlen sich schon lange bedroht, bereits 2016 sind viele auf die Straße gegangen, um gegen Rassismus zu demonstrierenBild: imago images/M. Heine

Wie weit Vorbehalte in der Gesellschaft gegenüber Muslimen verbreitet sind, zeigt auch die sogenannte "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert Stiftung (FES). In der repräsentativen Studien-Reihe lässt die FES seit 2006 alle zwei Jahre die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in Deutschland untersuchen. Die Forscher vergleichen darin unter anderem auch Vorurteile gegen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Das Ergebnis: Fast jeder fünfte Befragte äußerte sich abwertend über Muslime. 

Kein permanenter Polizeischutz

Angesichts dieser Zahlen ist es kaum verwunderlich, dass einige Moscheegemeinden bereits vor einigen Jahren begonnen hätten, sich selbst mit Seminaren auf Bedrohungen vorzubereiten, sagte Mazyek bereits vor einigen Monaten. Man habe Sicherheitschecks in den Gemeinden eingeführt, die Ansprache der Polizei verbessert und das Problembewusstsein geschult, um zu verhindern, dass die Gemeinden über Straftaten hinwegsehen.

Deutschland Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln
Bleibt die Ausnahme: Ein Polizeifahrzeug zum Schutz von Moscheebesuchern wie hier in BerlinBild: DW/C. Strack

Bei aller Vorsicht ist jedoch eines auch klar: Einen permanenten Polizeischutz für Moscheen gibt es derzeit nicht. Vom obersten Dienstherren der Polizei, Bundesinnenminister Horst Seehofer, hieß es bisher dazu lapidar. "Auch religiöse Einrichtungen können Ziele von Terroristen sein. Wenn es Anhaltspunkte für Gefahren gibt, wird der Schutz verstärkt."

Nurhan Soykan vom KRM reichen diese Bekundungen angesichts der jüngsten Bombendrohungen jedoch nicht mehr aus: "Die aktuelle Bedrohungslage wird sehr unterschätzt. Unseren Aufrufen zu mehr Schutz für Moscheen wurde nicht nachgekommen." Zwar hätten sich die Bombendrohungen glücklicherweise nicht bewahrheitet. Allerdings seien Muslime unter den aktuellen Umständen weit entfernt davon, ohne Bedenken in die Moschee zu gehen.