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Politik

Moscheen in Afrika: Kräftemessen des Nahen Ostens:

Silja Fröhlich
17. Dezember 2019

Weiß, mintgrün oder himmelblau, groß oder klein: Saudi-Arabien, Türkei und Iran bauen hunderte Moscheen in Afrika, zum Teil gigantische Bauten. Doch die Ideologien der Investoren haben weitreichende Folgen.

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Somalia Moschee der Islamischen Soldarität in Mogadishu
Die "Moschee der Islamischen Solidarität" in Somalias Hauptstadt Mogadischu Bild: picture-alliance/AP Photo/F. A. Warsameh

Noch im November wurde die größte Moschee Dschibutis, die "Abdulhamid II. Moschee", eingeweiht. Mit 13.000 Quadratmetern und 6000 Plätzen ist die Moschee ein Koloss in Dschibuti-Stadt. Zwei 46 Meter hohe Minarette ragen empor, die Wände sind mit klassischer osmanischer Kalligraphie verziert. Vergoldete Kupferlamellen bedecken die Kuppel, innen erinnert ein riesiger Kronleuchter an die Beleuchtung türkischer Moscheen.

Groß und glänzend - Ein Zeichen der Verlässlichkeit?

Das ist kein Zufall: Hinter dem neuen Wahrzeichen steckt die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet. Sie sieht die Moschee als Zeichen für eine stärkere Bindung zwischen Dschibuti und der Türkei. Der Großteil des Materials wurde aus der Türkei importiert, inklusive des cremefarbenen Natursteins im Gebetsraum des Gotteshauses. Die Idee entstand im Jahr 2015: Der Präsident von Dschibuti, Ismail Omar Guelleh, sagte während des Besuchs des türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan, er wünsche sich eine Moschee mit osmanischer Architektur. Eine Investition, ganz im Sinne der Türkei. "Die Türkei möchte sich als islamische Macht profilieren, so wie es Saudi-Arabien seit Jahrzehnten ist", erklärt Anthropologe Abdoulaye Sounaye vom Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin im DW-Interview.

Größeren Einfluss auf dem Kontinent - den sichert sich die Türkei durch millionenschwere Investitionen. Diyanet hat seit knapp 45 Jahren den Bau von mehr als 100 Moscheen und Bildungseinrichtungen in 25 Ländern weltweit finanziert, darunter Dschibuti, Ghana, Burkina Faso, Mali und der Tschad. Beteiligt war die Türkei auch an der Renovierung von Moscheen in Südafrika und dem Bau der dortigen "Nizamiye-Moschee", die als größte Moschee auf der Südhalbkugel bezeichnet wird. Auch bei der Renovierung der "Moschee der Islamischen Solidarität" in Somalias Hauptstadt Mogadischu hat die Türkei geholfen. Es ist die größte Moschee am Horn von Afrika mit Platz für bis zu 10.000 Gläubige.

Südafrika Nizamiye Masjid Moschee in Johannesburg
Osmanische Architektur in Südafrika: Die "Nizamiye-Moschee" zwischen Johannesburg und Pretoria ist eine Nachbildung der Selimiye-Moschee im türkischen EdirneBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Schickert

"So schaffen sich Länder eine Reputation, zeigen den Menschen: 'Ihr könnt uns auf euch verlassen, wir haben Ressourcen parat'", sagt Sounaye. Groß und glänzend stünden solche Moscheen nun selbst an Orten, wo nicht einmal die elektrische Versorgung gegeben sei.

Ein Kräftemessen der östlichen Mächte

Die Moschee in Mogadischu wurde ursprünglich 1987 mit Geldern der Saudi Fahd bin Abdul Aziz Al Saud Stiftung erbaut. Denn auch Saudi-Arabien investiert auf dem afrikanischen Kontinent. "Saudi Arabien macht das seit sicher zehn bis 20 Jahren, sie investieren in Niger, Nigeria und Mali. So schaffen sie Orte, wo sie ihren theologischen Ansatz des Islams, den Salafismus, predigen können", erklärt Sounaye. Der Salafismus ist eine besonders strenge Interpretation des Islam unter Sunniten, die sich an dem Idealbild der islamischen Frühzeit orientiert und beispielsweise in Afrika verbreitete tolerantere Glaubenslehren - wie den Sufismus - nicht akzeptiert.  

"In Moscheen lässt sich jede Form der Ideologie verbreiten, durch Religion lässt sich Einfluss und Macht gewinnen", sagt Bakary Sambe. Er leitet das Timbuktu-Institut, eine Denkfabrik in Senegals Hauptstadt Dakar und forscht zu Radikalisierung und Religionskonflikten in Afrika. Religion sei auch in afrikanischen Ländern eine effiziente Strategie zur Einflussnahme, die sowohl die Türkei als auch Saudi-Arabien nutze. Auch Katar und der Iran haben dieses Potenzial erkannt. Der Iran habe, so Sambe, unter anderem Moscheen im Senegal, der Elfenbeinküste und Guinea gebaut. "Es ist ein Kräftemessen zwischen den Mächten des Nahen Ostens." Das beobachtet er zum Beispiel in Nigeria: Seit der schiitische Iran vermehrt in dem westafrikanischen Staat aktiv sei, baue Saudi-Arabien mehr Moscheen, "um die Menschen bei den Salafisten zu halten", sagt Sambe. In Nigeria fühlt sich die schiitische Minderheit unterdrückt, regelmäßig werden sie Opfer von Übergriffen und es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und den sunnitischen Behörden.

Religion und Ramadan in Burkina Faso
Westafrika ist vornehmlich muslimisch geprägtBild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Moscheen als umkämpfte Plattformen

Kritisch sieht Sounaye vom ZMO, dass es für den Bau einer Moschee oft nicht mehr bedarf als Geld. "Bis vor kurzer Zeit konnte jeder, der die Mittel hatte, in Niger eine Moschee bauen. Da gab es keine Regulierung", so der Nigrer. Über 21 Millionen Menschen leben in dem Land in der Sahel-Zone, 99 Prozent sind Muslime. "Seit 1990 wurden Moscheen zu den meistumkämpften Orten in Niger", erklärt Sounaye. Ein Hauptgrund war der erstarkende Salafismus, viele junge Salafisten bauten ihre eigenen Moscheen. "Saudi-Arabien fördert den Salafismus", so Sounaye. "Saudi-Arabien hat im Niger eine Moschee gebaut. Ein nigrischer Student wurde dafür in Saudi-Arabien zum Imam ausgebildet. Seit einigen Jahren hat er nun in Niger eine führende Rolle in der Moschee, und diese ist wichtig, um den Salafismus zu stärken", sagt Sounaye. Er nennt es "Human Ressources".

Afrika Moschee in Nouakchott Mauretanien
Der Bau der zentralen Moschee im mauretanischen Nouakchott wurde von Saudi Arabien finanziertBild: imago/robertharding

Boko Haram und "Doppel-Diplomatie"

Die starke salafistische Strömung in Afrika hat bereits zu gravierenden Problemen geführt. "Seit den 1990er Jahren, seit der Salafismus verstärkt von Saudi-Arabien unterstützt wird, gibt es immer mehr Konflikte", so Sounaye. In Nigeria habe die Radikalisierung das Entstehen der Terrormiliz Boko Haram begünstigt. "Ihr einstiger Anführer Mohammed Yusuf nutzte seine eigene Moschee, um die Ideologie des Dschihad zu verbreiten. Die Saudis haben den Salafismus in Westafrika vorangetrieben."

In Mali und Niger hingegen litten besonders die Sufi-Bruderschaften unter der Radikalisierung, sagt Expert Sambe im DW-Interview. Die Sufis gelten in Westafrika als tolerant, haben asketische Tendenzen und sind spirituell orientiert. "Die Salafisten haben das Ziel, sie zu zerstören", sagt Sambe. Trotz der Überzahl an Sufisten und ihrer starken traditionellen Verankerung gewinne der Salafismus die Oberhand - aufgrund Saudi-Arabiens, aufgrund des Geldes, das dahinter stecke, sagt Sambe. Saudi-Arabien sage zwar seit Jahren, dass es weniger mit dem Salafisten in Afrika kooperiere, doch Sambe spricht von einer "Doppel-Diplomatie": "Der Staat sagt, wir geben diesen radikalen Bewegungen kein Geld. Doch private, reiche Organisationen finanzieren diese Moscheen weiter." Für einen Muslim sei der Bau einer Moschee die Eintrittskarte in den Himmel, so Sambe. Doch allein darum geht es längst nicht mehr.

In der afrikanischen Religionsdiplomatie ist auch Marokko zunehmend aktiv. Mit der Gründung des "Instituts Mohammed VI." begann das Land 2015 den extremistischen Ideologien im Sahel mit einer moderaten Islam-Version, bekannt als Maliki-Schule, entgegenzuwirken. Das Institut bildet vorzugsweise Imame aus Westafrika aus, aus Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Guinea. Allein aus Mali gab es 500 Stipendiaten. Sie berichten, wie sehr Marokko sie nach dem Studium beim Bau oder auch dem Wiederaufbau zerstörter Moscheen unterstützt. Ganz dezent - ohne schlagzeilenträchtige Prachtbauten.  

Silja Fröhlich
Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin