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Moskau und der Kosovo-Status

18. Januar 2007

Nach den Wahlen in Serbien soll der Kosovo-Status gelöst werden. Eine Schlüsselrolle spielt Moskau, das vor "aufgezwungenen Lösungen" warnt. Auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft kommen schwierige Verhandlungen zu.

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Es gilt die Befürchtungen des Kreml auszuräumenBild: AP

Noch hofft der Chefdiplomat der EU, Javier Solana, dass der Vorschlag über den künftigen Status von Kosovo alle Seiten befriedigen werde. Das sagte Solana am Mittwoch (17.1.) in Brüssel bei einem Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung. Viele Experten sind der Meinung, dass die Lösung, die der UN-Sonderbeauftragter Martti Ahtisaari unmittelbar nach den serbischen Wahlen unterbreiten will, keine Seite richtig zufrieden stellen werde. Der FDP-Balkanexperte Rainer Stinner macht dafür die jeweiligen Regierungen in Belgrad und Prishtina verantwortlich: "Beide Regierungen hätten die Aufgabe gehabt, ihre Bevölkerung darauf hinzuweisen, dass sie nicht hundertprozentig das Angestrebte bekommen können", so Stinner in einem Interview mit der Deutschen Welle.

Diverse Modelle im Raum

In der Tat spricht der kosovarische Premierminister Agim Ceku davon, dass man gerade die Bildung eines Außen- und Verteidigungsministeriums plane. Unterdessen ruft der serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica die Serben dazu auf, Kosovo um jeden Preis zu verteidigen. Ahtisaari hält seinen Vorschlag bislang geheim, um die Wahlen in Serbien nicht zu beeinflussen. Aber die Umrisse der Lösung zeichnen sich bereits jetzt ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel formulierte es in einem ZDF-Interview mit den Worten: "Es wird nicht weniger Unabhängigkeit sein." Damit ist gemeint, dass der Kosovo nicht weniger unabhängig sein wird, als er heute ohnehin schon ist, interpretiert das ein Sprecher der Bundesregierung. Diplomaten und Experten sprechen in diesem Zusammenhang von "überwachter Unabhängigkeit", "begrenzter Souveränität" oder "verdienter Souveränität". Wie es am Ende auch genannt wird, auf Deutschland, das derzeit den EU- und G8-Vorsitz innehat, kommen schwierige Verhandlungsaufgaben zu.

Konträre Position von Moskau und Washington

Die Forderung, Kosovo in die Unabhängigkeit zu entlassen, komme vor allem aus den USA, sagt Rainer Stinner: "Ich erlebe schon seit Jahren in Amerika, speziell im Pentagon eine ziemlich unverblümte Forderung, den Kosovo möglichst schnell unabhängig werden zu lassen, und vollständig anzuerkennen." Im Sicherheitsrat würde Russland dies nicht akzeptieren, meint der Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, Alexander Rahr. "Das Hauptargument Russlands wird sein, dass die serbische Bevölkerung Mitspracherecht haben müsste bei einer solchen Entscheidung", meint Rahr.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich am Dienstag (16.1.) in Moskau erneut gegen eine "aufgezwungene Lösung für den Status des Kosovos" ausgesprochen. Das Auswärtige Amt will keine Stellung dazu nehmen und verweist darauf, dass Russland bisher eine konstruktive Rolle in der Kosovo-Kontaktgruppe - neben Deutschland und Russland, gehören ihr auch die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien an - gespielt hat: "Alle bisherigen Erklärungen der Kontaktgruppe sind einvernehmlich verfasst worden", so eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums.

Schwierige Verhandlungen mit Russland

Aus diplomatischen Kreisen heißt es jedoch, die Position Russlands habe sich in den letzten Monaten verhärtet. "Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob es nicht eine taktische Position Russlands ist", meint Stinner. "Denn was hat Russland in den letzten Monaten und Jahren wirklich konkret für Serbien getan und welche strategische Bedeutung oder Nicht-Bedeutung hat eigentlich Kosovo für Russland?", fragt der FDP-Bundestagsabgeordnete weiter.

Der DGAP-Experte Alexander Rahr geht hingegen davon aus, dass es schwierig werde, Russland in dieser Frage zu besänftigen: "Wir haben ein neues Zeitalter, in dem Russland als Energie-Supermacht immer mehr Muskeln zeigt." Rahr kann sich vorstellen, dass es möglicherweise zu einem Tausch kommen könnte: "Unabhängigkeit Kosovos für die Unabhängigkeit Abchasiens", denn Russland suche auch einen Erfolg in seinem Sinne auf postsowjetischen Territorium, argumentiert Rahr.

Der außenpolitische Experte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Karl-Theodor zu Guttenberg lehnt einen solchen Tausch strikt ab: "Ich hielte es für zynisch, wenn unser Vorgehen so ausgestaltet sein würde, dass wir beginnen eine Verhandlungsmotivation zu entwerfen, die mit Preisen arbeitet", sagt der CSU-Politiker. "Eine positive Entscheidung, was die Zukunft Kosovos anbelangt, muss kein Präjudiz für andere ‚eingefrorene Konflikte‘ bedeuten". Dies müsse die deutsche Seite den russischen Partnern deutlich machen, fordert zu Guttenberg.

Russische Bedenken ausräumen

Sowohl Stinner als auch zu Guttenberg schlagen vor, Russland davon zu überzeugen, dass eine konstruktive Rolle in der Kosovo-Frage zugleich eine stabilisierende Funktion hat. So könne man im Rahmen der NATO-Russland-Partnerschaft das Argument bringen, "dass das, was die NATO auf dem Balkan tut, nicht gegen die Sicherheitsinteressen Russlands gerichtet ist", schlägt Stinner vor.

Die Unabhängigkeit von Kosovo wäre für Russland nicht gerade ein Beleg dafür, argumentiert hingegen Rahr: "Russische Experten gehen seit Jahren davon aus, dass es bei einer Unabhängigkeit von Kosovo über früh oder lang zu einer Entstehung von Großalbanien kommen wird, einer zweiten Türkei auf dem Territorium Europas, was zu einem neuen Konflikt der Kulturen führen wird", gibt Rahr die russische Sicht wieder. Gerade derartige russische Bedenken auszuräumen, sei Aufgabe der Europäer, fordert zu Guttenberg. "Die europäische Perspektive des Kosovo ist zwar ein langer Weg, dieser darf aber nicht torpediert werden durch andere Lösungen, die dem widersprechen könnten".

Solana hofft auf Kompromiss

Sollte der Vorschlag Ahtisaaris im Sicherheitsrat von Russland abgelehnt werden, dann ist die EU gefragt. "Die deutsche Politik muss dafür sorgen, dass die EU in der Kosovo-Frage nicht auseinander fällt", fordert Stinner. Der FDP-Politiker warnt vor einem Szenario, wo dann nur die USA und einige europäische Staaten eine von den Kosovaren einseitig ausgerufene Unabhängigkeit anerkennen würden. "Dann hätten wir, glaube ich, ein diplomatisches Desaster für die EU und das wäre kein Zeichen einer schlagkräftigen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik", sagt Stinner.

Dem EU-Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass Ahtisaari eine kompromissfähige Lösung präsentieren wird: "Ich will kein Träumer sein, aber ich muss daran glauben, dass dies noch möglich ist", so Solana in Brüssel, nur wenige Tage vor dem erwarteten Vorschlag.

Anila Shuka
DW-RADIO/Albanisch, 18.1.2007, Fokus Ost-Südost