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Wen Jiabao in Moskau

28. Oktober 2008

Russland wird in Chinas größtem Atomkraftwerk Tianwan zwei neue Reaktoren bauen. Außerdem vereinbarten die Ministerpräsidenten beider Länder eine 70 Kilometer lange Erweiterung der Sibirien Pazifik-Pipeline.

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Chinas Premier Wen Jiabao mit Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin in Moskau (Foto: AP)
Machen demnächst viel gemeinsam: Wen Jiabao (l.) und Wladimir PutinBild: AP

Die neue Pipeline führt von Sibirien nach China und soll eine Jahreskapazität von mindestens 15 Millionen Tonnen Öl haben, hieß es nach einem Treffen von Wladimir Putin und Wen Jiabao am Dienstag (28.10.2008) in Moskau. Sie soll von der russischen Ostsibirien-Pazifik-Leitung abgezweigt werden.

Das Projekt war zuvor in monatelangen Verhandlungen um Preise und Konditionen ausgehandelt worden, um die im Jahre 2010 auslaufenden Lieferverträge über 48,4 Millionen Tonnen Öl zu ersetzen.

Zudem verhandelten die beiden Ministerpräsidenten über einen chinesischen Milliarden-Kredit an die staatlichen russischen Ölfirmen Transneft und Rosneft. Mit dem Kredit in Höhe von rund 25 Milliarden US-Dollar (etwa 20 Milliarden Euro) würde sich China übereinstimmenden Medienberichten zufolge bis etwa zum Jahr 2030 rund 300 Millionen Tonnen russisches Öl sichern.

Hochtechnologie und Olympia

Der frühere Kremlchef Putin sagte nach dem Treffen mit Wen, beide Länder wollten auch im Hochtechnologiesektor enger zusammenarbeiten. Konkret gehe es um den Bau eines Werks für Gaszentrifugen in China und die gemeinsame Entwicklung eines zivilen Flugzeugs.

Putin appellierte darüber hinaus an chinesische Unternehmen, sich an Ausschreibungen vor den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi zu beteiligen. "Pekings ganz frische Erfahrungen mit den Spielen werden sehr nützlich für uns sein", sagte der russische Regierungschef.

Unterstützung für WTO-Beitritt

Wen sagte, China unterstütze Russlands geplanten Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO. "Die Aufnahmeverhandlungen dürfen aber nicht politisiert werden", warnte der chinesische Regierungschef.

US-Handelsminister Carlos Gutierrez hatte im August den russischen WTO-Beitritt wegen des Georgien-Krieges infrage gestellt. Moskau weist eine solche Diskussion zurück. Vor kurzem hatte der russische Vize-Regierungschef Igor Schuwalow gesagt, Moskau rechne weiter mit einer WTO-Mitgliedschaft, allerdings nicht mehr bis Ende 2009.

Mehr als gute Nachbarschaft

Das Treffen zwischen Putin und Wen war alles in allem mehr als eine Demonstration nachbarschaftlicher Routine oder gutnachbarlicher Intentionen. Neben den genannten Projekten im wirtschaftlichen Bereich wollen Russland und China ihre humanitäre Zusammenarbeit ausbauen und planen zudem eine Reihe gemeinsamer Tourismus- und Bildungsvorhaben, darunter ein Russland-Jahr in Peking 2009 und ein China-Jahr 2010 in Moskau.

Wladimir Putin (Quelle: AP)
Putin weiß, wo's in den bilateralen Beziehungen langgehtBild: AP

Die schon öfter in gemeinsamen Erklärungen beschworene strategische Partnerschaft soll mit dem Besuch Wens in der russischen Hauptstadt konkretere Formen annehmen. Die Voraussetzungen sind - über das gemeinsame Interesse hinaus - gut: Gerade erst haben beide Länder ihre fast 80 Jahre alten Grenzstreitigkeiten beigelegt.

Strittiges Erbe

Dieser Streit war eine Hinterlassenschaft der Staatsführer Stalin und Sun Yat Sen, die damals versucht hatten, die vom russischen Zarenhaus und der chinesischen Qing-Dynastie geerbten Grenzkonflikte zu entschärfen. Damit dürften auch chinesische Klagen vom Tisch sein, Stalin habe den chinesischen Republik-Gründer Sun Yat Sen über den Tisch gezogen und ihm einen Knebelvertrag diktiert. Immerhin gibt Russland nun ein 174 Quadratkilometer großes Gebiet an China zurück.

Immer wieder hatte es Streit um die nach der Unabhängigkeit mehrerer früherer Sowjet-Republiken noch 4300 Kilometer lange gemeinsame Grenze gegeben, insbesondere an den Flüssen Ussuri und Amur. Im März 1969 war der Streit sogar zu einer militärischen Konfrontation zwischen beiden Ländern eskaliert: Damals hatten sich am Ussuri Soldaten der Sowjetarmee und der Chinesischen Volksbefreiungsarmee tagelange blutige Gefechte um einige Inseln geliefert

Kleiner Grenzverkehr

In den letzten Jahren sind an der russisch-chinesischen Grenze zahlreiche Übergänge für den Personen- und Güterverkehr eingerichtet oder wieder geöffnet worden, in zahlreichen Grenzorten auf beiden Seiten gibt es kleine Freihandelszonen: Aus den dicht besiedelten Gebieten auf chinesischer Seite kommt ein Überangebot preiswerter Waren aller Art, die nicht nur in Sibirien und im russischen Fernen Osten verkauft werden. Andererseits lagern in den dünn besiedelten Gebieten Sibiriens und des russischen Fernen Ostens jene Rohstoffe, die von der boomenden chinesischen Wirtschaft dringend gebraucht werden.

Ob dieses strategische Ungleichgewicht das Potential zur weiteren Partnerschaft oder aber zum Konflikt in sich birgt, werden die Entwicklungen an der russisch-chinesischen Grenze und im Verhältnis zwischen Moskau und Peking insgesamt zeigen. (gri/lu)