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Moskauer Helsinki-Gruppe kritisiert russische Führung

6. Juli 2006

Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Aleksejewa, sieht das Civil-G-8-Forum kritisch. Dennoch nahm sie an der Konferenz teil. Ihre Eindrücke schilderte sie im Gespräch mit der Deutschen Welle.

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Das NGO-Treffen in Moskau war laut Helsinki-Gruppe oberflächlichBild: AP

Das Civil-G-8-Forum in Moskau werde Russland keine positiven Veränderungen bringen, meint die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Aleksejewa, die an dem Treffen der Nichtregierungsorganisationen teilgenommen hatte. Das Forum sei oberflächlich und die Staatsmacht beabsichtige nicht, die auf dem Forum geäußerten Ansichten zu berücksichtigen. In einem Gespräch mit der Deutschen Welle sagte sie: "Das Forum ist groß und gut organisiert. Es nehmen an ihm wichtige internationale Organisationen teil, aber auch verschiedene russische regionale gesellschaftliche Organisationen. Da das Forum sehr groß ist, viele Organisationen vertreten sind und alle zu Wort kommen sollen, wird alles oberflächlich." Außerdem hätten die Vertreter der NGOs nur untereinander diskutiert. Beamte der Behörden seien nicht beteiligt gewesen, so Aleksejewa.

Putins Eingeständnis

Verstöße gegen Menschenrechte sind nicht gerade das Lieblingsthema des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er und dessen Umfeld werden für viele Probleme in diesem Bereich verantwortlich gemacht. Der Präsident selbst ist damit natürlich nicht einverstanden. Aber er entschied sich, am 4. Juli eine Ausnahme zu machen und gestand vor den Teilnehmern des Civil-G-8-Forums ein, dass es ernsthafte Probleme bei der Einhaltung der Menschenrechte gebe. Beobachter meinen, die Erklärung des Präsidenten richte sich in erster Linie an die Staaten des Westens, und nicht an die Teilnehmer der Konferenz.

Ungelöste Probleme

Aleksejewa kritisiert, dass Präsident Putin selbst eine Rede hielt, anstatt sich die Sorgen der russischen gesellschaftlichen Organisationen anzuhören. Das größte Problem der gesellschaftlichen Organisationen in Russland bleibe ungelöst, sagte die Menschenrechtlerin. Das neue NGO-Gesetz liefere gesellschaftliche Organisationen der Willkür der Behörden aus. Diesbezüglich werde das Forum nichts ändern können. "Wenn dem Forum die Abschaffung des NGO-Gesetzes geschenkt worden wäre, dann hätte ich das Forum begrüßt", betonte Aleksejewa.

Alles nur inszeniert?

Die Initiative, ein internationales NGO-Forum zu veranstalten, geht laut offizieller Pressemitteilung auf russische und ausländische gesellschaftliche Organisationen zurück. Ende des Jahres 2005 wurde die Umsetzung des Projekts Civil -G-8-Forum in Angriff genommen. Die russische Staatsmacht verfolge die Veranstaltung aufmerksam und sei bemüht, im Vorfeld des G-8-Gipfels in St. Petersburg der Welt zu demonstrieren, in Russland stehe es um die Demokratie gut, sagen Teilnehmer des Forums. Auf die Frage, welche Erwartungen sie an das Forum gestellt habe, sagte Aleksejewa: "Ich habe nichts erwartet. Es wird im Rahmen des G-8-Gipfels in Sankt Petersburg veranstaltet. Zudem habe ich den Verdacht, dass die Regierung demonstrieren möchte, dass bei uns mit der Demokratie alles in Ordnung ist, nach dem Motto: Sehen Sie doch, bei uns haben sich alle versammelt."

"Keine Demokratie in Russland"

Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Aleksejewa, sagte über die Demokratisierung Russland folgendes: "Demokratie hat es in Russland nie gegeben, aber Ende der 80er und in den 90er Jahren, als die politische Führung so sehr damit beschäftigt war, die Macht und das Eigentum unter sich aufzuteilen, da beachtete sie nicht, was im Lande geschah. In jener Zeit bildete sich in Russland eine Bürgergesellschaft heraus, einfach nur dank dessen, dass dies niemanden störte. Jetzt will die wieder erstarkte Staatsmacht den Zustand wiederherstellen, wo es in Russland keine Bürgergesellschaft gab." Deswegen seien auch die neuen Gesetze über die politischen Parteien und NGOs verabschiedet worden.

Andreas Brenner, Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 4.7.2006, Fokus Ost-Südost