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Niger: Ein Bauer kämpft gegen den Klimawandel

Kossivi Tiassou | Antonio Cascais
7. November 2017

Der Klimawandel bedroht die Lebensgrundlage vieler Bauern in Afrika. Zum Beispiel, weil es weniger regnet. Sounna Moussa aus dem Niger will sich damit nicht abfinden - und hat ein spezielles Bewässerungssystem erfunden.

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Sounna Moussa Methode "Halbmonde" oder “half-moons”
Bauer Sounna Moussa gilt als Innovator - nicht nur in seiner NachbarschaftBild: DW/K. Tiassou

Bauer Sounna Moussa besitzt etwa 50 Hektar Land in der Region Dosso, im Südwesten des Niger. Die Gegend leidet zunehmend unter Trockenheit, Erosion und fortschreitender Wüstenbildung. Nach einer langen Trockenperiode vor fünf Jahren schien die Lage aussichtslos. Moussa stand vor der Entscheidung: Abhauen - in die nächste Stadt oder gar ins Ausland - oder dableiben und gegen die Wüste ankämpfen? Er entschied sich fürs Kämpfen. Moussa ist ein Siegertyp. In der Gegend wird er von Allen nur "Moussa der Champion" genannt.

Mit viel Arbeit, Ausdauer und Akribie hat er in den vergangenen Jahren eine Technik entwickelt, die es ihm ermöglicht, das wenige Regenwasser optimal zu nutzen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Trotz Dürre gedeihen auf seinen Feldern Mais, Bohnen und Hirse. Moussa nennt seine Technik "Halbmondmethode".

Sounna Moussa Methode "Halbmonde" oder “half-moons”
Moussa teilt seine Halbmond-Methode gern mit AnderenBild: DW/K. Tiassou

Gegen die Erosion: Alte Techniken aufgefrischt

Seine Technik ist kein Betriebsgeheimnis: Moussa verrät sie den Bauern in der Umgebung gern. Und auch dem DW-Reporter: Mit großen sichelförmigen Eisenstücken, einer Spitzhacke und einer Schaufel macht er sich mit seinen Kindern auf den Weg zu einem seiner Felder. Mit der Ausrüstung will er verhindern, dass der Wind die trockene Erde wegbläst. Zudem will er Bewässerungskanäle in Form von Halbmonden oder Halbkreisen bauen.

"Es ist harte Arbeit, aber der Erfolg gibt mir recht: Der Boden lebt wieder", sagt Moussa. Seine Technik hilft, das vorhandene Wasser in die Erde zu bringen, bevor es an der Oberfläche verdampft. So bleibt der Boden nach einem Regenfall länger feucht: "Das halbmondförmige Eisen ermöglicht es, das Wasser zu stauen, es vermeidet, dass das Wasser abfließt und wertvolle Erde weggeschwemmt wird", erläutert Moussa.

Heute ist der Boden besonders hart. Schon morgens liegt die Temperatur bei über 35 Grad Celsius. Moussa und seine beiden ältesten Söhne geben nicht auf: In die "Halbmonde" pflanzen sie kleine Büsche und Bäume, die auch bei hohen Temperaturen wachsen können. Zwischen den Bäumen werden Bohnen, Mais oder Hirse angebaut. "Das ist eigentlich eine uralte Technik, die im Niger schon vor Jahrhunderten angewendet wurde, dann aber verloren ging", sagt Moussa. Diese Technik hat es ihm ermöglicht, in den letzten vier Jahren etwas mehr als 50 Hektar Land wieder urbar zu machen - Land, auf dem Jahre zuvor wegen des Wassermangels nichts mehr angebaut werden konnte.

Sounna Moussa Methode "Halbmonde" oder “half-moons”
Harte Arbeit: Moussa und sein Sohn hacken "Halbmonde" in den BodenBild: DW/K. Tiassou

Kuh- und Schafmist: Kein Gramm wird verschwendet

Trotz des Klimawandels kann sich Moussa auch in diesem Jahr nicht über die Ernte beschweren: Mit der Hirse und den Bohnen kann er seine Familie ernähren. Den Überschuss verkauft er gewinnbringend. Im Dorf ist er einer der wenigen Bauern, die zwei Kindern ein Studium an der Universität ermöglichen können. Der Älteste blieb im Dorf, um mit ihm zu arbeiten und könnte eines Tages den Hof übernehmen. "Wir machen einen wichtigen Job. Damit wollen wir auch verhindern, dass sich junge Menschen terroristischen Gruppen zuwenden oder einfach auswandern", sagt Moussa selbstbewusst.

Moussa besitzt auch ein Dutzend Kühe und fünfzehn Schafe. In Sargadji ist das ein Zeichen für Reichtum. Aber für den "Champion" stellen die Tiere mehr dar. Sie sind eine zusätzliche Möglichkeit, die Ernte zu verbessern. "Der Kuh- und Schafmist ist das ideale Düngemittel", sagt Moussa und türmt immer wieder kleine Misthaufen innerhalb der halbmondförmigen Löcher auf. "Wir verschwenden kein Gramm von diesem Mist. Im Winter wird der Dung gelagert und zersetzt sich auf natürliche Weise. Anschließend wird er zu den Feldern transportiert".

Sounna Moussa Methode "Halbmonde" oder “half-moons”
In die "Halbmonde" werden Büsche und Bäume gepflanzt, dazwischen werden Bohnen, Mais oder Hirse angebautBild: DW/K. Tiassou

Klimakonferenz: Nigrische Experten und Politiker suchen Lösungen

Bauer Moussas Bekanntheitsgrad beschränkt sich nicht nur auf sein Dorf. Gerade im Vorfeld der UN-Klimakonferenz kamen mehrere Experten und Politiker nach Sargadji. Sie wollten mehr über das nachhaltige Landmanagement des "Champions" Moussa erfahren. Darunter war auch Luc Gnacadja, der ehemalige Exekutivsekretär des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung.

Auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nahm Kontakt mit Moussa auf. Die GIZ will seine Methoden im ganzen Niger zu verbreiten. "Wir sehen hier ein phantastisches Beispiel, von dem andere Bauern lernen können", sagt Heinz Krug vom GIZ-Landesbüro im DW-Interview. "In jedem Halbmond sehen wir, dass die Vegetation wieder zum Leben erweckt wird".

Mit der African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100) sollen bis 2030 auf einer Fläche von 100 Mio. Hektar Bäume gepflanzt werden. Und  Mamadou Diakhite, AFR100-Sekretariatsmanager bei der NEPAD-Agentur, findet, dass dafür die Initiative von Moussa verbreiten werden muss.

Landverteilungssystem benachteiligt Frauen

In Sargadji selbst wollen immer mehr Bauern dem Beispiel von Sounna Moussa folgen. Einige Frauen haben sich sogar in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, auch wenn das in dieser Gegend praktizierte traditionelle Landverteilungssystem Frauen benachteiligt und ihnen Landbesitz oft verweigert wird. Nicht selten würden Männer als Grundbesitzer eingesetzt, mit denen sich die Frauen, die das Land bearbeiten, die Ernte teilen müssten, sagt Sounna Moussa. Diese Praxis erschwere die Verbreitung der Halbmondtechnik in der Region. "Wenn das Land nicht den Frauen gehört, die es bearbeiten, ist es schwieriger, es wieder urbar zu machen".