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Mr. Clean und ich

12. Januar 2007

Ich habe keine Ahnung, welches Tier in meinem Kühlschrank explodiert ist. Die Überreste zu entfernen, hat Stunden gedauert. Dabei hatte alles so gut angefangen, mit Mr. Clean und mir.

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Heute wird geputzt, hatte ich mir am Wochenende vorgenommen, denn in wenigen Tagen würde ich vom Hotel ins Haus übersiedeln. Da sind zwar noch keine Möbel drin, aber trotzdem sollten zumindest Küche, Schlafzimmer und Bad sauber sein. Also: Schnell Putzmittel, Lappen und Eimer besorgen, im CVS, dem Drogerieladen um die Ecke.

Schnell ging das schon mal gar nicht. Denn ich stand vor einem endlosen Regal mit Putzmitteln aller Art – für alles, gegen alles: Bakterien, Keime, Ungeziefer. Fast alle in Sprühflaschen. Keine Ahnung, was da jeweils drin ist – und was die Amerikaner damit alles erledigen. Ich wollte nur putzen und nicht auf Ungezieferjagd gehen.

Mein Muskelfreund

Doch die Rettung war nah: "Hey, dich kenn ich!", lachte ich einen muskelbepackten Glatzkopf an: "Bei mir zu Hause heißt Du zwar Meister Proper und nicht, wie hier, Mr. Clean, aber du grinst genauso frech und die weißen Augenbrauen kommen mir auch bekannt vor. Zu zweit kriegen wir das hin."

Einen Lappen gab es nicht in dem Laden, aber ein Schwamm würde es auch tun. "Bei Deinen Muskeln", strahlte ich meinen Freund aus Kindertagen an, "ist das doch kein Problem." Ein Eimer war schon schwieriger zu besorgen, aber in einem völlig verkramten Laden, in dem es dennoch alles für Haus und Handwerk gab, wurde ich schließlich fündig.

Hauptsache sauber

So bewaffnet, betraten Mr. Clean und ich das Haus. Öffneten den Kühlschrank. Und erschraken. Eine rotbraune Flüssigkeit war im Inneren verteilt. Bildete verklebte Pfützen, war in alle Ritzen und Winkel, unter alle Leitungen und Dichtungen gekrochen. "Was ist das?", fragte ich. "Denk nicht drüber nach –ekeln gilt nicht", sprach Mr. Clean. So machten wir uns ans Werk.

Nach einer halben Stunde dachte ich mit einem Seitenblick auf den Muskelmann: Schwächling. So wird das nichts, wir brauchen Hilfe. Das Zeug ist einfach zu klebrig. Also in den Supermarkt, zum Glück geht das hier ja auch sonntags. Und wieder funktionierte die Konditionierung der Kindheit: Scotch Brite hilf! "Und wenn wir damit alles zerkratzen?", runzelte Mr. Clean die Stirn. "Egal," murmelte ich, "Hauptsache, wir kriegen es sauber."

Dunkelrot wie Blut

Zu dritt machten wir uns über den Kühlschrank her – und mit vereinten Kräften schrubbten wir gegen das Zeug an. Allerdings haben wir uns doch noch ein bisschen zusätzliche Hilfe geholt. Irgendjemand hatte eine Sprühflasche Lysol in der Küche vergessen. Die führte zwar bei massivem Einsatz zu kurzfristigen Erstickungsanfällen, war aber hervorragend zum Einweichen geeignet.

Die Stunden vergingen.

Wir nahmen den Kühlschrank auseinander. Es ist ein amerikanischer Kühlschrank, mit vielen Fächern und vielen Ritzen, die das rostrote Zeug verkleben konnte. Es sah aus wie Blut. Wenn man es in der Spüle unter Wasser hielt, rann es dunkelrot in den Abfluss. Mr. Clean stieß mich in die Rippen. "Jetzt nicht schlapp machen, wir haben es gleich." "Ja", antwortete ich, "aber die Jungs und Mädels vom CSI-Team haben bestimmt immer noch genug Reste für einen DNA-Test!"

Schließlich war es geschafft. Kühlschrank und Gefrierschrank funkelten wie neu, Kratzer hatten wir kaum hinterlassen, die Küche roch wie Mr. Clean: nach Zitronen. Und ich hatte vom Putzen erst mal genug. Der Rest der Küche und die anderen Zimmer mussten warten.

Deutsche, so hatte man mir gesagt, sind in den USA beliebte Mieter. Weil sie so sauber sind.

Christina Bergmann ist seit dem 1.1. neue Korrespondentin für DW-Radio in Washington