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Mubarak bildet Parteispitze um

5. Februar 2011

Die gesamte Führungsriege der ägyptischen Regierungspartei NDP ist zurückgetreten. Hinter den Kulissen werden nun Pläne für einen "würdevollen Abgang" Mubaraks diskutiert. Die Demonstranten setzen ihren Protest fort.

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Demonstranten in Kairo halten Flaggen in die Höhe (Foto: AP)
Der Protest hört noch nicht aufBild: AP

Dem Druck der tagelangen Massenproteste hat Ägyptens Präsident Husni Mubarak ein bisschen nachgegeben und Hossam Badrawi am Samstag (05.02.2011) zum neuen Generalsekretär der Nationaldemokratischen Partei (NPD) ernannt. Gleichzeitig ist das gesamte Exekutivkomitee der Regierungspartei zurückgetreten. Auch der Sohn Mubaraks, Gamal Mubarak, habe sein Amt im Vorstand abgegeben und sich damit dem Rückzug der gesamten Führungsriege angeschlossen, hieß es im staatlichen Fernsehen.

Rückzug des Präsidenten?

Ahmed Schafik bei einer Pressekonferenz - Archivbild 2004 (Foto: picture-alliance/dpa)
Schafik will den Abgang ebnenBild: picture-alliance/dpa

Husni Mubarak bleibt selbst allerdings sowohl als Parteichef als auch als Präsident im Amt. Der Sender Al-Arabija hatte am Samstagabend für Verwirrung gesorgt: Er nahm die Meldung, dass Mubarak als Parteichef zurückgetreten sei, kurze Zeit später zurück.

Ägyptische Politiker suchen unterdessen nach einem möglichen "würdevollen Abgang". Ministerpräsident Ahmed Schafik hat sich dafür am Samstag mit den Anführern der Demonstranten getroffen. Diese betonten bei dem Treffen, die Proteste würden nicht aufhören, bevor Mubarak nicht das Amt niederlege. Die Aktivisten und der Ministerpräsident haben daher über eine Übernahme der Amtsgeschäfte diskutiert. Als möglicher Nachfolger werde Vizepräsident Omar Suleiman gehandelt, sagte der Aktivist Abdel-Rahman.

Einem Bericht der Zeitung New York Times zufolge überlegen US-Vertreter und ägyptische Politiker auch die Möglichkeit, Mubarak für medizinische Untersuchungen nach Deutschland ausfliegen zu lassen. Seine übliche Gesundheitsvorsorge könnte der 82-Jährige dieses Mal einfach verlängern. Auch Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff sprach sich dafür aus, Ägyptens Staatschef Exil zu gewähren. "Wir brauchen einen friedlichen Übergang in Ägypten. Wenn Deutschland damit einen konstruktiven Beitrag im internationalen Rahmen leisten kann, dann sollten wir Husni Mubarak aufnehmen, wenn er das will", sagte Schockenhoff der Zeitung "Bild am Sonntag". Für den Fall einer notwendigen medizinischen Behandlung würde man Mubarak die Einreise ermöglichen, verlautete auch aus Regierungskreisen.

In Kairo wurde offenbar auch eine zweite Variante diskutiert: der Rückzug Mubaraks in sein Haus im Badeort Scharm el Scheich auf der Sinai-Halbinsel. Ministerpräsident Schafik zeigte sich nach dem Gesprächen mit der Opposition zumindest optimistisch: "Nach zwölf Tagen der Proteste würde in Ägypten wieder Stabilität einziehen", sagte er im ägyptischen Staatsfernsehen.

Demonstranten harren weiter aus

Demonstranten in Ägypten (Foto: AP)
Unnachgiebig - bis zum Rückzug des PräsidentenBild: dapd

Doch im Stadtzentrum Kairos war auch am Samstag keineswegs Ruhe eingekehrt. Zehntausende Demonstranten forderten erneut den Rückzug Mubaraks. Der Präsident sei töricht, wenn er glaube, die Demonstranten gingen einfach weg, bevor die Forderungen erfüllt seien. "Das ganze Land steht hinter uns", sagte einer der Dauerdemonstranten. Auf der Fläche des Tahrir-Platzes nahe des ägyptischen Museums hat sich mittlerweile eine Zeltstadt entwickelt.

Die ägyptische Armee will offenbar die Barrikaden am Tahrir-Platz abbauen. Augenzeugen berichteten am Samstagnachmittag, dass Offiziere mit Demonstranten auf dem Platz über die Räumung der aus Bauzäunen und ausgebrannten Fahrzeugen errichteten Hindernisse verhandelten. Schon am Morgen hatte das Militär eine Barrikadenreihe im Norden des Platzes um 100 Meter nach innen verlegt. Mit den Barrikaden schützen sich die Demonstranten seit einigen Tagen gegen Überfälle von bewaffneten Trupps der Regierungspartei NDP. In den Nächten zuvor sollen 13 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden sein, als Mubaraks Anhänger die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz mit Stöcken, Messern und Schusswaffen angriffen. Einige Banken kündigten nun für Sonntag, dem ersten Werktag der Woche in Ägypten, eingeschränkte Öffnungszeiten an.

Der Präsident sorgt sich um die Wirtschaft

Ägyptens Präsident Husni Mubarak (Archivfoto 2009: picture-alliance/dpa)
Mubarak: Beugt er sich nun den Protesten?Bild: picture-alliance/dpa

Am Samstag zeigte sich Mubarak immer noch scheinbar unbeeindruckt von den Aufmärschen. Er widmete sich seiner Arbeit und traf sich mit Wirtschaftsexperten, dem Finanzminister und dem Gouverneur der Zentralbank in seinem Präsidentenpalast, wie die staatliche Nachrichtenagentur MENA berichtete. Die Demonstrationen sollen die ägyptische Wirtschaft bislang etwa 3,1 Milliarden US-Dollar gekostet haben.

Auf der Halbinsel Sinai ist am Samstag eine Gaspipeline explodiert. Offenbar wurde niemand verletzt. Doch die Ursache für die Explosion ist noch immer unklar. Die Behörden vermuten Sabotage, doch ein Leck sei ebenfalls nicht ausgeschlossen worden. Die Pipeline war in der Vergangenheit immer wieder von Beduinen angegriffen worden, die der ägyptischen Regierung Diskriminierung und Untätigkeit vorwerfen. Die Pipeline liegt nur etwa 70 Kilometer vom Gazastreifen entfernt und führt nach Jordanien und Israel, das einen Großteil seines Energiebedarfs mit der Pipeline deckt.

International noch immer verhaltene Reaktionen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 4.v.l.) spricht am Samstag (05.02.11) in Muenchen im Hotel Bayerischer Hof bei der 47. Muenchner Sicherheitskonferenz mit US-Aussenministerin Hillary Clinton (3.v.l.) (Foto: dapd)
Merkel und Clinton (beide Mitte)wollen einen erfolgreichen, langsamen Übergang in ÄgyptenBild: dapd

Weit weg von Ägypten in München dreht sich ebenfalls vieles um die Entwicklungen in dem nordafrikanischen Land. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprachen sich Politiker und Sicherheitsexperten aus aller Welt für einen langsamen Wandel aus. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, der Übergang zur Demokratie werde "nur funktionieren, wenn er gut geplant ist, alle mit einschließt und transparent ist". Auch würden Wahlen alleine für einen dauerhaften Wandel nicht ausreichen. "Es ist jetzt an den Ägyptern selbst. Wir können unterstützende Angebote machen, letztendlich stehen wir außerhalb dieses Prozesses und schauen darauf", sagte Clinton.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vor zu schnellem Handeln. Der Übergang müsse gut vorbereitet werden. "Wandel muss gestaltet werden", sagte die Kanzlerin mit Bezug auf ihre eigenen Erfahrungen am Ende der Ära der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Am Ende sei auch sie froh gewesen, dass die deutsche Einheit vor dem offiziellen Vollzug "gut vorbereitet" worden sei. Zwar sei die Situation nicht vergleichbar, aber dennoch könne sie nur sagen: "Die ganz schnelle Wahl als Beginn eines Demokratisierungsprozesses halte ich für falsch."

Autor: Nicole Scherschun (dapd, dpa, rtr, afp)
Redaktion: Klaudia Prevezanos