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Zeitbomben in der Ostsee

7. Februar 2019

300.000 Tonnen Munition rotten in der Ostsee vor sich hin, schädigen Meerestiere und gefährden Menschen. Experten haben untersucht, wie gefährlich die Altlasten sind und was mit ihnen geschehen sollte.

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Munition in der Ostsee
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Deutschland: Gefahr unter Wasser

Aus den Augen, aus dem Sinn: Nach den beiden Weltkriegen wurden Unmengen an Munition einfach in der Ostsee versenkt. Zum Teil sogar nicht weit von der Küste entfernt. Damals machte man sich keine Gedanken darum, dass diese Hinterlassenschaften früher oder später zur gefährlichen Bedrohung werden könnten.

Allein in den deutschen Gewässern wird die Menge an konventioneller Munition und chemischer Kampfstoffe auf 300.000 Tonnen geschätzt. So liegt etwa direkt vor den Toren Kiels das Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide - ein Sperrgebiet, in dem rund 35.000 Tonnen Seeminen und Torpedos in maximal zwölf Meter Wassertiefe und in Sichtweite zum Strand liegen.

Entscheidungshilfen für Politik und Behörden

Was soll mit den Altlasten geschehen? Lässt man sie dort liegen und nimmt in Kauf, dass giftige Substanzen langsam austreten, oder birgt man die Munition und riskiert, dass die porösen Metallkörper dabei zerbrechen oder gar explodieren?

Diese Fragen gilt es schnell zu klären, gerade wenn in den Gebieten zum Beispiel ein Seekabel oder eine Pipeline verlegt bzw. ein Windparkt gebaut werden soll.

Kontrollierte Sprengung von Weltkriegsminen in der Ostsee vor Estland
Kontrollierte Sprengung von Weltkriegsminen in der Ostsee vor EstlandBild: Getty Images/AFP/R. Pajula

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hierzu im internationalen Forschungsprojekt DAIMON (Decision Aid for Marine Munitions) Entscheidungshilfen entwickelt und auf der gemeinsamen Abschlusskonferenz des Thünen- und des Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven vorgestellt. Sie sollen den Behörden und der Politik praktische und direkt anwendbare Empfehlungen für die Umweltüberwachung und für den Umgang mit der Munition liefern.

Mit großem Aufwand haben die Forscherinnen und Forscher dazu Proben gewonnen und die Chemikalien analysiert, die aus den Munitionskörpern austreten. Das gilt für Abbauprodukte des Sprengstoffs TNT und für arsenhaltige chemische Kampfstoffe gleichermaßen.

Giftstoffe in Fischen und Muscheln

Spuren der Munition wurden in Fischen aus Munitionsversenkungsgebieten nachgewiesen. Muscheln, die in der Kolberger Heide in kleinen Netzkäfigen dem Einfluss der Munition ausgesetzt waren, reicherten TNT-Abbauprodukte an. Damit ist klar, dass giftige Stoffe aus den Bomben austreten und von den dort lebenden Organismen aufgenommen werden.

Versenkte Munition in der Ostsee
Gefährlicher Tauchgang: Munitionsrest in der Kolberger Heide in der OstseeBild: picture-alliance/dpa/J. Ulrich

Außerdem fand das Team heraus, dass TNT für Muscheln giftig ist und bei Fischen das Erbgut schädigt, was zu Tumoren führen kann. Die empfindliche Plattfischart Kliesche weist in der Kolberger Heide tatsächlich mehr Lebertumore auf als anderswo. Ein Zusammenhang zwischen lokaler TNT-Belastung und erhöhter Tumor-Rate liege nahe, hieß es in der Erklärung.

Die Abbauprodukte von TNT seien ebenfalls erbgutschädigend, so dass die Organismen selbst dann noch der Wirkung der Munition ausgesetzt seien, wenn das schnell abbaubare TNT schon nicht mehr nachweisbar ist.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund