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Klaus Doldinger im Interview

Oliver Glasenapp29. April 2016

Kurz vor seinem 80. Geburtstag erscheint mit "Doldinger" das 35. Album seiner Band Passport. Im Interview spricht der Musiker zudem über seine Auftritte im Vorprogramm von Jazzgrößen wie Bud Powell oder Miles Davis.

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Klaus Doldinger in seiner Garderobe beim Jazzfest in Hamm 2016 (Foto: DW/M. Sitte)
Bild: DW/M. Sitte

Deutsche Welle: Herr Doldinger, zu Ihrem Jubiläum haben Sie alte Passport-Titel wie "Jadoo" oder "Abracadabra" noch einmal neu aufgenommen. Warum?

Klaus Doldinger: Das ist eine Art Rückblick, aber im Stil unserer Zeit. Ich finde, solche Stücke nochmal herauszugreifen und sie neu zu interpretieren, das ist eine echte Herausforderung. Zum Teil haben wir sie rhythmisch anders aufgefasst. Wir haben da etliches improvisiert und das finde ich sehr schön: Wenn sich Dinge im Studio aus dem Spielen heraus ergeben, ohne dass wir viel arrangieren müssen.

Sie haben sich Gäste eingeladen wie den Sting-Gitarristen Dominic Miller oder den Posaunisten Nils Landgren. Max Mutzke singt den Marvin-Gaye-Klassiker "Inner City Blues" und Ihr ehemaliger Schlagzeuger Udo Lindenberg "Der Greis ist heiß". Fühlen Sie sich in irgendeiner Weise greisenhaft?

Nein, das kann ich nicht sagen. Aber ich finde, wenn man das witzig nimmt - und das kann ich durchaus - dann ist es völlig legitim diesen Titel aufzunehmen. Als wir telefoniert und überlegt hatten, welchen Song er beisteuern könnte, da schlug Udo "Der Greis ist heiß" vor. Ich kannte die Nummer gar nicht, habe sie mir aber gleich angehört und dachte: 'Ja, unter den Stücken, die der Udo aufgenommen hat, ist das eigentlich das vom Groove her passendste.' Das geht richtig gut los. Und das hat der Band auch Spaß gemacht zu spielen. Den "Inner City Blues" dagegen haben wir mit Max Mutzke schon öfter auf Festivals gespielt. Daher wusste ich, dass der Song absolut zu ihm passt. Insofern gibt es für jeden Titel einen bestimmten Grund, dass er auf dem Album gelandet ist.

Udo Lindenberg war Ihr Drummer auf dem ersten Passport-Album. Er trommelt auch bei der von Ihnen komponierten "Tatort"-Melodie. Wie sind Sie damals zusammengekommen?

Ich bekam den Tipp von einem Freund. 'Da gibt es so einen Typen aus Gronau, hör' Dir den doch mal an.' Udo kam damals mit so einem verbeulten Renault R4 an, Schlagzeug hinten drin und dann haben wir gemeinsam zur Probe gespielt. Die Aufnahmen habe ich sogar noch: Ein Duo, nur Schlagzeug und Saxofon. Mich hatte das damals völlig überzeugt, vor allem seine ganze Art war so lustig, lässig, locker. Eine Art, wie ich sie bei Jazzmusikern noch nie angetroffen hatte. Vor Passport hatte Udo schon in meiner vorherigen Band Motherhood gespielt.

Heute gönnen Sie sich zwei Formationen ihrer Erfolgsband: Passport Classic mit den Weggefährten der 1970er und Passport Today mit jungen Musikern, und spielen teilweise mit beiden Bands an einem Abend. Bestimmt könnten die Jungen die alten Sachen spielen und umgekehrt. Wozu dieser Aufwand?

Ich glaube, jetzt wo Musiker wie Wolfgang Schmid und Curt Cress noch da sind, so hervorragend spielen können und auch noch einen Bezug zu unserer damals entwickelten Musik haben, wäre es fahrlässig, das außer Acht zu lassen. Und es gibt immer wieder Fans und Veranstalter, die fragen, ob wir nicht in der alten Besetzung mal wieder spielen können. Und da sage ich: Warum nicht, auch wenn ich mit der heutigen Band auch sehr gerne spiele. Mitglieder vieler Bands verkrachen sich, wenn sie lange zusammen waren. Bei mir ist das nicht so.

Sie haben bereits während Ihrer ersten USA-Tournee 1960 die Ehrenbürgerwürde der Stadt New Orleans verliehen bekommen. Dennoch mochten sie Europa offenbar mehr, vor allem Frankreich.

Paris war für mich immer ein Anziehungspunkt. Dort habe ich bereits vor den USA mit meiner ersten Band - den Feetwarmers - auf einem Festival gespielt. Später - Anfang der 1960er - habe ich als Vorgruppe im legendären Blue Note Auftritte gehabt. Zum Beispiel zu Bud Powell. Zu Miles Davis waren wir ja auch mal Vorband, bei einem Festival an der Côte d'Azur. Das hat sich alles so ergeben in jenen Jahren. Damals konnte man sich nicht vorstellen, dass das eines Tages Historie sein würde, für einen selber natürlich auch. Diese Jahre haben mir sehr viel gegeben, das muss ich wirklich sagen.

Bestimmt hätten Sie mit Ihren Kontakten zu international berühmten Jazzstars und Ihrem Talent auch Karriere in den USA machen können. Hat Sie das nicht gereizt?

Ja, aber ich konnte mir nie vorstellen, in den USA zu leben. In Deutschland habe ich genossen, wirklich alles machen zu können: Werbung, Dokumentation, Lieder schreiben für Kinder und Erwachsene und in erster Linie natürlich mit Bands zu spielen. In der Vielfalt wäre das in den USA nicht möglich gewesen. Weil die mit einem Künstler häufig nur in einer Richtung arbeiten und das dann sehr konzentriert. Doch gerade die Vielschichtigkeit fand ich wichtig.

Weltweite Bekanntheit erlangten Sie auch durch Ihre Musik zum Film "Das Boot". Wie wurden Sie damals Teil der Mannschaft?

Da war ja zunächst eine amerikanische Produktion am Start, die hatte das Ganze platzen lassen und viel Geld verbraten. Günter Rohrbach hat dann dafür gesorgt, dass das Projekt doch nicht untergeht und fragte Wolfgang Petersen an, ob er die Regie übernehmen wolle. Wolfgang sprach wiederum mich an, ich las den Roman und war hin und weg. Ich hatte den Zweiten Weltkrieg als Kind mit offenen Augen erleben müssen. Jahrzehnte später fiel mir dann sogar noch eine Zeichnung in die Hände. Mit sieben, acht Jahren hatte ich ein U-Boot in Farbe gemalt, als wäre das ein Wink des Schicksals gewesen. Als es um die Musik ging, beschrieb mir Wolfgang genau, was er sich vorstellte. Der Soundtrack sollte das Absinken des Schiffes untermalen und bei der Rettung aus der Tiefe den Jubel der Mannschaft unterstreichen. Daraus ergab sich eben eine Komposition, die auch das aufsteigende Moment beinhaltet.

Sie schrieben damals nicht nur für "Das Boot", sondern hatten auch sehr viele andere Jobs. Als Sie schwer erkrankten, haben Sie sich nicht geschont.

Das war ein Tiefpunkt - das Jahr 1981 - da wäre ich beinahe davongegangen. Ich hatte eben diese schwere Lungenentzündung, durfte aber keinen einzigen Tag im Bett verbleiben, weil ich so viel zu tun hatte. Und irgendwie ist es mir gelungen, das durchzustehen. Es war aber auch eine lehrreiche Zeit. Ich habe meinen ganzen Lebensstil darauf abgestellt und hatte zwei Jahre lang eine Atemtherapeutin an meiner Seite. Das hat mir sehr gut getan.

Klaus Doldinger (geboren am 12. Mai 1936 in Berlin) hörte nach eigenen Angaben 1945 zum ersten Mal den Glenn-Miller-Sound: US-Soldaten probten im Dorfwirtshaus mit einer Big Band. Der Jazzsaxophonist blickt heute auf eine 50-jährige Karriere zurück. Doldinger komponierte auch zahlreiche weltberühmte Filmmusiken, unter anderem für den Kinofilm "Das Boot".

Das Gespräch führte Oliver Glasenapp