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YouTube war gestern

Karsten Kaminski24. Dezember 2013

Musikclips werden im Netz ganz neu aufbereitet: Der User kann sie selbst gestalten. So wird der Bob-Dylan-Song "Like a Rolling Stone" im virtuellen TV auf allen Sendern gesungen - ein großer Spaß für die Fans.

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Bob Dylan auf der Bühne (Foto: picture alliance/dpa)
Bob Dylan auf der Bühne - jetzt sorgt ein alter Song von ihm im Netz für einen neuen HypeBild: picture alliance/dpa

Es ist ein ganz neues Erlebnis beim Zappen: Der Zuschauer klickt sich durch die TV-Sendungen und sieht die üblichen Nachrichtensprecher, Menschen in Koch- und Reality-Shows oder eine Wetterfee, die perfekt aufeinander abgestimmt den gleichen Song singen. Genau das passiert im aktuellen, interaktiven Musikvideo des Bob-Dylan-Klassikers "Like a Rolling Stone". Es ist aufgebaut wie ein virtueller Fernseher mit 16 Kanälen und präsentiert den Song 48 Jahre nach der Veröffentlichung in ganz neuem Stil.

Somit hat Bob Dylan zum ersten Mal einen offiziellen Videoclip - angepasst an die junge Netzgeneration. Der Auftritt ist für den Künstler perfekt, denn das Video ist eine gute Werbung für seine aktuelle Best-of-Sammlung "The Complete Album Collection Vol. 1".

Ähnliches nutzt auch der Rapper Pharrell Williams für seinen neuen 24-Stunden-Song, bei dem sich die User durch einen kompletten Tag klicken können. Der Zuschauer sieht verschiedene Menschen, darunter auch prominente Gäste, die in den Straßen von Los Angeles zur Dauerschleife des neuen Gute-Laune-Songs "Happy" tanzen.

Ist ein Klick im Musikvideo die Zukunft der Popmusik?

Für Martin Behrens, Studienleiter für Popmusik an der Hochschule Osnabrück ist das Interaktive nur eine neue Facette: "Die Popmusik war schon immer darauf bedacht, neue Wege zu finden, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es startete in den 70er Jahren mit Lightshows und jetzt wird ein Konzert multimedial gestaltet." Dazu zählen Elemente wie Videos, Lightshows und Fotos. Mit diesen Effekten können die Künstler die Zuschauer besser erreichen: "Es ist ein viel emotionalerer Zugang und das Produkt wird durch die Beteiligung für den User vertrauter."

Für die Zukunft stellt sich der Popexperte sogar vor, dass es noch mehr crossmediale Vernetzungen vor allem mit den sozialen Netzwerken geben werde. Denn das Netz werde immer wichtiger für die Musikbranche: "Die User haben in erster Linie Spaß und merken so nur zweitrangig die Werbebotschaft: 'Kauf mich!'"

Martin Behrens (Foto: privat)
Martin Behrens: "Popmusik entwickelt sich immer weiter"Bild: privat

Die neuen Musikvideos bedeuten nicht nur einen hohen Unterhaltungsfaktor, sondern auch aufwändigere und teurere Produktionen für Plattenfirmen. Für den User sollte es aber keine Konsequenzen haben: "Ich glaube nicht, dass sich der Preis von CDs oder iTunes-Tracks erhöht. Es geht hier um die bessere Vermarktung und das wird sich durch den Verkauf des Produkts rentieren", so Martin Behrens.

Für bestehende Plattformen wie Youtube sieht er keine Konkurrenz durch die neuen Videos. Youtube sei eine andere Form, die eher passiv konsumiert werde. Der Vorteil der interaktiven Videos liege darin, dass es Spaß mache, dort herumzuklicken. Nachteile sieht er erst dann, wenn diese Videos zum neuen Standard werden: "Die Kosten für aufwändigere Produktionen sind bisher nur von den großen Bands finanzierbar." Behrens setzt allerdings auf die Erfahrung auf dem Musikmarkt: "Neuigkeiten müssen sich erst mal beweisen. Und mit der Zeit können sich kleinere Bands und Newcomer die neuen Musikvideos auch leisten."

Deutsche Bands sind noch nicht ganz angekommen

Die neuen Videos von Bob Dylan und Pharrell sind eigentlich nichts Neues. Henry Keazor ist Kunsthistoriker an der Universität Heidelberg und forscht zum Thema Musikvideos. "Bis jetzt sind diese Videos nur ein Internet-Hype, den die großen Namen aus dem Musikbuisiness nutzen", so Keazor im DW-Interview. Interaktive Videos gebe es allerdings schon länger:

Den Anfang machte Peter Gabiel 1996 mit einem interaktiven Adam-und-Eva-Spiel. Dafür war aber noch eine CD-Rom nötig. Durch mehrere Klicks konnte der User zu akustischen Highlights Adam und Eva in verschiedenen Etappen in das Paradies begleiten. In den 2000ern haben es dann mehr Künstler für sich entdeckt. Darunter Bekanntheiten wie die Popsängerin Robyn aus Schweden oder die britische Band Placebo. Die Schnitte wurden schneller, die Musik konnte verändert - also geremixed - werden und auch 3D-Effekte wurden genutzt.

Musikvideo-Forscher Henry Keazor (Foto: Oliver Dietze)
Videoforscher Henry Keazor glaubt, dass es immer mehr interaktive Videos geben wirdBild: Oliver Dietze

Bei deutschen Bands sind die interaktiven Videos bis jetzt noch nicht ganz angekommen: 2008 hat es nur die Berliner HipHop Formation "K. I. Z." geschafft, die unter Vertrag mit dem Majorlabel Universal Music stehen. Ihr interaktives Video gleicht einem Egoshooter, worin der User aus der Ich-Perspektive um sich schießt. So strotzt der Clip auch vor blutrünstiger Gewalt und nicht jugendfreien Sprüchen. "Solche Videos wie von K.I.Z. sind zu speziell", sagt Henry Keazor. "Bestimmte Bereiche können nur nach 22 Uhr benutzt werden. Das ist kontraproduktiv und löst bei den Usern nur Frust aus."

Der Musikvideokenner prophezeit, dass der Trend eher in Richtung leichte Unterhaltung wie bei Bob Dylan oder Pharrell geht. Sicher werden ab 2014 auch mehr deutsche Bands dazu kommen, denn immer mehr von ihnen arbeiten mit internationalen Plattenfirmen, die die neue Aufmerksamkeits-Schiene für die Stars nutzen.