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DITIB geht auf Sendung

Ulrike Hummel20. März 2013

Als größter islamischer Dachverband startet die Ditib eine eigene Talk-Show zu religiösen Themen. In den Studios eines türkischen Kanals werden Fragen zum Islam aufgegriffen und mit Theologen diskutiert.

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Routiniertes TV-Team bei Diyanet Saati *** Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Ulrike Hummel Wann wurde das Bild gemacht?: 2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Duisburg
Bild: DW/U.Hummel

Freitagabend, 22.00 Uhr, in den TV-Studios des türkischen Kanals Avrupa in Duisburg: Der Moderator, die Studiogäste und das Publikum sind in sich gekehrt, als Mustafa Oguz mit einer künstlerisch anmutenden Koranrezitation die Sendung einleitet. Die Kameramänner wirken routiniert, im Regieraum herrscht gespannte Ruhe. Es ist eine der ersten Livesendungen im Talkshow-Format, mit der die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) mit einer eigenen Sendung an den Start geht. "Diyanet Saati", also "Stunde für religiöse Fragen", ist empfangbar über Kabel (Unity Media und Netcologne), Satellite und Internet. Die DITIB ist damit erstmals in ihrer Geschichte Medienmacher – ein Novum.

Moderator Bekir Alboga ist sichtlich gut gelaunt. Nervosität ist ihm nicht anzumerken. Vor einer imposanten Kulisse mit dem Abbild der neuen Kölner Großmoschee begrüßt der Moderator seine Studiogäste. "Mein Ziel ist es, vor allem auch muslimische Jugendliche zu erreichen, die um diese Uhrzeit im Internet surfen und nach religiösen Quellen Ausschau halten", sagt Bekir Alboga. Gerade die junge Generation suche im Internet oft nach Antworten auf Fragen des Glaubens. Das berge die Gefahr, auch fragwürdige Quellen heranzuziehen – etwa der Salafisten. "Und da möchte ich sie abholen und ihnen die Möglichkeit geben, ein sachgemäßes Bild über den Islam zu erhalten."

Quoten durch Twitter und Facebook

Gleich zu Beginn der Sendung wird Gürcan Mert vorgestellt, der die Zuschauerreaktionen via Twitter, Facebook und E-Mail betreut. Das TV-Publikum wird eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen oder theologisch relevante Fragen an die geladenen Studiogäste zu richten – ein zeitgemäßes Konzept, das offenbar junge Zuschauer gewinnen will. Thema des heutigen Abends ist die Stellung der Frau im Islam. Da sei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, sagt Kadriye Yadigaroglu, die den Live-Talk aus den Reihen des Publikums verfolgt. "In Europa hat man vielfach ein falsches Bild vom Islam." Weit verbreitet sei das Vorurteil, dass muslimische Frauen unterdrückt würden, sagt die 51-jährige Duisburgerin. Zu diesen und anderen Frauenthemen diskutieren an diesem Abend die Theologin und Predigerin Vildan Özcan von der Duisburger Haci Bayram Moschee sowie Ayten Kilicarslan, ehemaliges Vorstandsmitglied der DITIB-Zentrale in Köln. Anhand von Koranversen und entsprechenden Textbelegen aus der Sunna, die die vorbildliche Lebensweise des Propheten Mohammed beschreibt, sind sich die Studiogäste und der Moderator darin einig, dass die Frau im Islam eine hohe Wertschätzung genießt. Im Alltag moderner Gesellschaften jedoch, werde das nicht immer umgesetzt.

Souverän und gut gelaunt freut sich Moderator Bekir Alboga auf seine Sudiogäste Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Ulrike Hummel Wann wurde das Bild gemacht?: 2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Duisburg
Moderator Bekir AlbogaBild: DW/U.Hummel

In muslimisch geprägten Ländern herrsche oft eine männerdominierte Gesellschaft, wo Rollen schon im Vorfeld festgelegt seien, sagt Ayten Kilicarslan. "In der heutigen Zeit sehen wir doch, dass die Rollen gar nicht mehr voneinander zu trennen sind. Die Erziehungsaufgabe zum Beispiel ist die Aufgabe beider Geschlechter." Vorgefertigte Rollen, die Frauen und Männern bestimmte Aufgaben auferlegten, seien nicht zeitgemäß. "Aus diesem Grund müssen wir Kinder, unabhängig von ihrem Geschlecht, gleichberechtigt erziehen und ihnen beibringen, dass zum Beispiel auch Jungs im Haushalt mithelfen müssen."

Mit Kopftuch ohne Job

Ayten Kilicarslan weist aber auch auf gesamtgesellschaftliche Missstände hin: In Deutschland lebende Musliminnen mit Kopftuch würden insbesondere bei der Jobsuche diskriminiert. Auch Frauen ohne Kopftuch machten oft die Erfahrung, dass der Migrationshintergrund ein entscheidendes Hindernis bei der Arbeitssuche sei. "Deshalb ist es notwendig, dass die Politik Akzente setzt. Denkbar wäre eine Quote für Migranten, die sich nach dem Anteil in der Gesamtbevölkerung richtet." Problematisch sei die Lage zudem für Frauen aus bestimmten Herkunftsländern, die dort keine Bildungschancen hatten. Sie hätten daher in ihrer neuen Heimat wenig Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – das müsse sich ändern. Ayten Kilicarslan plädiert zudem für mehr Frauen in der Politik. Frauen aus dem Migranten-Milieu seien deutlich unterrepräsentiert.

Gürcan Mert nimmt Twitter-Nachrichten und Facebook-Kommentare entgegen. *** Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Ulrike Hummel Wann wurde das Bild gemacht?: 2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Duisburg
Gürcan Mert nimmt Twitter-Nachrichten und Facebook-Kommentare entgegenBild: DW/U.Hummel

Koranrezitationen und Sufimusik

Bevor der zweite Teil des religiösen Talks mit einem live vorgetragenen Sufimusik-Stück beginnt, kontrolliert ein Tontechniker noch einmal die korrekte Verkabelung des Moderators. "Alles okay, es kann weitergehen!" Gelassen und souverän erkundigt sich Bekir Alboga vor laufender Kamera nach den bisherigen Zuschauerreaktionen auf Twitter, Facebook und Co. Dort werden die frisch gebackenen TV-Macher für ihre Sendung in erster Linie gelobt. Und das, obwohl jede jeweils drei Werbeblöcke beinhaltet. Auf diese Weise wird rund die Hälfte des Gesamtetats erwirtschaftet. Doch die Frage drängt sich auf, warum dem in Deutschland lebenden Publikum eine Sendung auf türkisch präsentiert wird? "Wenn mir ein deutscher Fernsehsender einen Sendeplatz für solch eine Sendung über den Islam anbietet, mache ich das sehr gerne auch auf Deutsch", kokettiert Alboga – und verlässt zu nächtlicher Stunde das türkische TV-Studio im Duisburger Businesspark.

Orientalische Sufimusik gibt den Ton an. *** Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Ulrike Hummel Wann wurde das Bild gemacht?: 2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Duisburg
Orientalische Sufimusik gibt den Ton anBild: DW/U.Hummel