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Wulff Rücktritt

4. Januar 2012

Der Druck auf den Bundespräsidenten ist enorm. Viele fragen: Wie lange kann er sich noch halten? Henrik Böhme meint, Wulff sollte im Amt bleiben.

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Symbolbild Kommentar (DW-Grafik)

Christian Wulff sollte das jetzt durchstehen. Er sollte dem Druck nicht nachgeben, er sollte Bundespräsident bleiben. Wer immer das Signal gegeben hat, dieses "Der Mann muss weg!", der müsste so langsam ein Einsehen haben: Es reicht – wenden wir uns wieder den wirklichen Problemen dieser Republik zu. Sicher: Deutschlands amtierendes Staatsoberhaupt agiert extrem ungeschickt wie ein Boxer, der immer, wenn er zum Angriff übergehen will, den nächsten Treffer kassieren muss. Doch was sind das für Treffer? Bisweilen gar unter die Gürtellinie, und das geht eben nicht. Ist wirklich die Pressefreiheit in Deutschland in Gefahr wegen des einen Anrufs auf die Mailbox eines Chefredakteurs? Versuche, das Erscheinen von enthüllenden Geschichten zu verhindern, gehören zum Alltag in deutschen Redaktionsstuben.

Wie steht es um unsere weißen Westen?

Henrik Böhme (Foto: DW)
Henrik BöhmeBild: DW

Sollte man sich nicht lieber Gedanken machen über all die Länder, wo Pressefreiheit nur ein schönes Wort ist, die Realität für Wahrheit suchende Journalisten oft hingegen mit Lebensgefahr verbunden ist? Hierzulande tut man nun so, als müsste der Bundespräsident als einziger von über 80 Millionen Deutschen eine blütenreine Weste haben. Sicher, er muss Vorbild sein und integer. Aber jeder Journalist muss sich die Frage stellen lassen und sie im besten Falle verneinen: Haben sie schon mal von den Vergünstigungen eines Presserabatts profitiert oder auf Kosten des einladenden Unternehmens eine schöne Reise gemacht? Die Frage also an die eigene Zunft: Wie steht es um unsere weißen Westen?

Christian Wulff sollte Bundespräsident bleiben. Dort kann er kaum Schaden anrichten, denn er bekleidet zwar das höchste Amt im Staate, zu entscheiden aber hat er praktisch nichts. Er sollte sich endlich um ein Format bemühen, das dem Amt entspricht, sollte den Menschen dieses Landes so etwas wie ein Leuchtturm in stürmischen Zeiten sein, weg vom Alltagsgeschehen. Die Chance, sich am Mittwoch (04.01.2012) endgültig in aller Wahrhaftigkeit zu erklären, ist allerdings seine letzte. Wenn man ihn jetzt aus Schloss Bellevue jagt, nach nur anderthalb Jahren und in so kurzem Abstand nach dem überraschenden Rücktritt seines Amtsvorgängers Horst Köhler, dann ist das höchste Amt in diesem Lande wirklich ernsthaft beschädigt und es wird nicht lange dauern, bis einer fragt: Wozu brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten?

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Volker Wagener