Myanmar: Regierung im Dialog über Medienstrategie | Asien | DW | 09.02.2016
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Asien

Myanmar: Regierung im Dialog über Medienstrategie

Bislang hielt sich die neu gewählte NLD-Partei in Bezug auf ihre Medienstrategie bedeckt. Beim Mediendialog der DW Akademie verkündeten nun Vertreter der alten und neuen Regierung erstmals ihre Kooperationsbereitschaft.

Der noch amtierende Staatsekretär des Informationsministerium U Tint Swe (links) mit dem Medienexperten der neuen Regierung U Aung Shin, Foto: DW Akademie/Patrick Benning.

Ehemals politische Feinde, führten der noch amtierende Staatssekretär des Informationsministeriums, U Tint Swe (links), und U Aung Shin, Medienexperte der neuen Regierung, erstmals öffentlich Gespräche über eine Zusammenarbeit

Auftritt eines alten Weggefährten und engen Vertrauten der "Lady": U Aung Shin ist Mitglied des Zentralkomitees der National League for Democracy (NLD) und gilt als Medienexperte seiner Partei. Und er sprach Klartext: "Ich habe meinen heutigen Beitrag mit Aung San Suu Kyi abgesprochen", sagte U Aung Shin gleich zu Beginn seiner Rede zum Mediendialog "Stärkung von Bürgermedien, Gender-Fragen und freie Meinungsäußerung", zu dem die DW Akademie am 24. Januar 2016 in Yangon eingeladen hatte. Er fuhr fort: "Ich kann Ihnen versichern, dass die 'Lady' die Entwicklung von Bürgermedien als eine Priorität ihrer Medienpolitik ansieht."

Eine im Kern noch vage Aussage, doch für ein Land im Umbruch hat sie dennoch Bedeutung. Zum ersten Mal nahm ein Vertreter der gewählten Regierung öffentlich Stellung zur Medienstrategie für Myanmar. Und erstmalig versprachen sich sowohl Vertreter der alten als auch der neuen Regierung öffentlich Zusammenarbeit bei den Medienreformen.

Fast fünf Jahrzehnte Militärherrschaft und Bürgerkrieg haben das südostasiatische Land tief gespalten. So sorgte das Ergebnis der ersten freien Wahlen nach 25 Jahren nicht nur in Myanmar, sondern weltweilt für eine Welle der Euphorie und großen Erwartungen. Ende März 2016 übernimmt die NLD-Regierung endgültig die Macht - und mit ihr nicht weniger als den Auftrag zur politischen Erneuerung und endgültigen Demokratisierung des Landes.

Teilnehmende Medienmacher trugen beim Mediendialog der DW Akademie in Yangon der neuen Regierung ihre Anliegen vor, Foto: DW Akademie/Patrick Benning

Teilnehmende Medienmacher trugen der neuen Regierung ihre Anliegen vor


Schon seit langem wird öffentlich über die künftige Rolle der Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi spekuliert, die laut Verfassung nicht für das Präsidentenamt kandidieren darf. Auch zur Frage der Verteilung von Ministerposten existieren bislang nur Gerüchte. Dass die große Mehrheit der neu gewählten Abgeordneten keinerlei Erfahrung für ihre neue Aufgabe hat, ist auch kein Geheimnis. Wie also und wann - das fragen sich Beobachter im In- und Ausland - soll die Regierung erste Arbeitsergebnisse liefern? Droht am Ende Stillstand - auch für Pressefreiheit und Medienentwicklung?

Demokratische Grundlagen schaffen

Zwar wurde Myanmar seit 2011 von einer nominell "zivilen" Regierung geführt, doch trug insbesondere deren Medienpolitik noch lange die Handschrift des darin tätigen Ex-Militärs. Nach einer kurzen Phase der Entspannung kam es im Jahr 2014 erstmals wieder zu langjährigen Haftstrafen gegen Journalisten. Ein Reporter starb unter ungeklärten Umständen, im Gewahrsam der Armee.

Dem gegenüber stehen bemerkenswerte Etappensiege für die Medienfreiheit: So wurde die Pressezensur offiziell beendet. Und mit Ablauf des Jahres 2015 sind private Tageszeitungen, unabhängige Journalistenverbände, und ein ständiger Presserat feste "Bausteine" des Mediensystems in Myanmar.

Erst im August 2015 trat ein neues Rundfunk-Gesetz in Kraft, welches nicht nur private Radio- und Fernsehsender erlaubt, sondern auch die Transformation des Staatssenders MRTV in eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Die Umsetzung des neuen Rechts - eine Aufgabe vor allem für die Experten der Ministerien - könnte allerdings durch den Machtwechsel ins Stocken geraten. Das Schweigen der NLD in den vergangenen Wochen ließ daher die Gerüchte ins "Kraut schießen": Wer trifft eigentlich die Entscheidungen? Werden Medien und Zivilgesellschaft in die Reformdebatte einbezogen? Und: Werden die Gesetze der alten Regierung respektiert?

Künftige Mediengesetzgebung

Finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die DW Akademie seit 2013 die Reform des Staatssenders MRTV unterstützt und die Institutionalisierung des Presserats sowie den Aufbau des seit 2015 registrierten Myanmar Journalism Institute (MJI) mit initiiert.

Teilnehmer des Mediendialogs Myanmar, veranstaltet von der DW Akademie, Foto: DW Akademie/Patrick Benning

Unterstützung für Bürgermedien in Myanmar

Ganz im Sinne des Menschenrechts auf Zugang zu Informationen, engagiert sich die DW Akademie auch für den Aufbau von Bürgermedien. Von den offiziell 135 in Myanmar lebenden Ethnien, die circa 100 verschiedene Sprachen sprechen, hatte die große Mehrheit bis 2012 keinerlei Zugang zu Nachrichten. Die Militärregierung hatte den Aufbau von lokalen Medien stets unterbunden, da sie Propaganda der im Land operierenden bewaffneten Gruppen fürchtete. In der aktuellen Reformphase jedoch könnten Bürgermedien den ethnischen Minderheiten zu einer Stimme und mehr Beteiligung am politischen Prozess verhelfen. Die DW Akademie hat bereits ein Bürgermedien-Pilotprojekt in den Startlöchern.

Bürgermedien und ländliche Entwicklung

So kam der Mediendialog der DW Akademie zum rechten Zeitpunkt, um 40 Stimmen aus der Medienszene - darunter Journalisten, Medienbesitzer, Medienanwälte, Bürgerrechtsaktivisten und internationale Medienentwicklungsorganisationen - ein Forum zur Debatte zu geben. Für Patrick Benning, der als Projektmanager der DW Akademie zum Aufbau von Bürgermedien in Myanmar verantwortet, galt es, die Bedeutung dieser neuen Medienform in den Fokus der Regierung zu rücken. "Haltet die Bürgermedien nicht auf! Mindestens fünf unterschiedliche Redner haben diesen Appell heute öffentlich wiederholt", freute sich Benning nach der Veranstaltung. An den NLD-Vertreter gerichtet sagte er in seinem Abschluss-Statement: "Wir alle hoffen, dass Sie die Botschaft weitertragen werden."

Und es gab weitere besondere Momente: Am Konferenztisch saßen sich Vertreter der alten und neuen Regierung gegenüber, deren Biografien unterschiedlicher nicht sein könnten: U Tint Swe, heute Staatssekretär im Informationsministerium, war bis 2012 Leiter der staatlichen Zensurbehörde. Der NLD-Vertreter U Aung Shin saß mehrere Jahre als politischer Gefangener in Haft. Heute ist er Chef-Redakteur der NLD- Parteizeitung. An diesem Sonntag versprachen sich die beiden Männer in die Hand, gemeinsam für die schnelle Umsetzung der Medienreformen in Myanmar zu arbeiten.

Gastgeberin Ute Schaeffer, Leiterin der Medienentwicklung der DW Akademie, lobte den Zukunftswillen und politischen Pragmatismus der Diskutanten: "Es ist bemerkenswert", so Schaeffer, "dass in einem Land, das noch keine friedliche Machtübergabe gesehen hat, in dieser Übergangsphase so konstruktiv miteinander gearbeitet wird."

Auch Isabella Kurkowski, Repräsentantin der DW Akademie in Myanmar, freute sich über die Ergebnisse des Mediendialogs: "U Aung Shin hat darauf hingewiesen, dass die Bürgermedien künftig einen ethischen Kodex brauchen werden, und dass die neue Regierung darüber mit dem Presserat sprechen wird. Es macht uns stolz zu sehen, dass sich die Institutionen, die wir mit lokalen Journalisten, Ministerien und Medienvertretern aufgebaut haben, miteinander verzahnen und so von der neuen Regierung auch wahrgenommen werden." Bedenken bleiben aber in Bezug auf die schnelle Umsetzung des Rundfunkgesetzes: "Die neue Regierung hat angekündigt Ministerien zusammen zu legen - darunter wahrscheinlich auch das Informationsministerium. In diesem Fall befürchten wir natürlich Verzögerungen notwendiger Prozesse in der Mediengesetzgebung."

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  • Datum 09.02.2016
  • Autorin/Autor Alice Kohn
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  • Datum 09.02.2016
  • Autorin/Autor Alice Kohn
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