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Fußball-EM gefährdet

Clemens Hoffmann2. Juli 2008

Die EM in Österreich und der Schweiz ist vorbei. Wo der neue Europameister Spanien seinen Titel verteidigen wird, ist allerdings noch nicht klar. Die Ausrichtung der EM 2012 in Polen und der Ukraine ist gefährdet.

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Bewerbungslogo für die EM 2012 in Polen und der Ukraine
Bewerbung für die EM 2012: Bleibt es nur bei der Kandidatur?

Der Chef des ukrainischen EM-Organisationskomitees wirkt nervös. Hektisch zieht Jevgheni Chervonenko an seiner Zigarette, dazwischen sagt der drahtige 49-Jährige Sätze, die beruhigend klingen sollen. "Ich war Renn-Fahrer in der Sowjetunion, bin in Österreich mit Walter Röhrl Rennen gefahren. Ich habe eine klare Regel: Wenn ich mich an ein Projekt setze, ist das wie wenn ich im Rennwagen sitze: Schau nie in den Rückspiegel!" Auch wenn er einen anderen Eindruck vermitteln will. Der ehemalige Rennfahrer und frühere Transportminister steht unter Druck. In wenigen Tagen kommt UEFA-Präsident Platini in die Ukraine. Platini will Fortschritte sehen.

Das Olympiastadion in Kiew
Renovierungsbedürftig: das Olympiastadion in KiewBild: picture-alliance/ dpa

Doch die gibt es bisher allenfalls bei den Stadien. Zwei moderne Arenen in Donezk und Dnipropetrowsk sind fast fertig. Aber nur, weil dort milliardenschwere Oligarchen die lokalen Fußballclubs besitzen und Geld in die Hand genommen haben. Am Kiewer Olympiastadion aus dem Jahre 1927 tut sich dagegen immer noch nichts, obwohl dort das Endspiel stattfinden soll. Auch in anderen Bereichen sei noch viel zu wenig geschehen, gesteht der Organisationschef ein: "Ich hoffe, dass unsere Regierung der EM 2012 mehr Aufmerksamkeit schenkt und auch mehr Geld aus dem Staatshaushalt zur Verfügung stellt", sagt er. Aber zu 80 Prozent sollten die Investitionen privat finanziert werden. Darum habe man dem Parlament zwei Gesetzte zur Vereinfachung von Investitionen vorgelegt.

Internationale Beobachter sind skeptisch

Doch die Gesetze liegen seit Monaten im Parlament. Keiner weiß, wann darüber entschieden wird. Auch ein Gesetz für transparente Ausschreibungen fehlt. Dabei ist Eile geboten: Hotelbauten, Straßen, Flughäfen, Bahnhöfe - die ganze Verkehrs-Infrastruktur in der Ukraine müsste dringend modernisiert werden. Sonst sind die großen Entfernungen für die Fans nicht zu überbrücken.

Nico Lange ist Büroleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer Stiftung in Kiew. Er sieht in Bürokratie und Korruption die entscheidenden Hemmnisse bei der Vorbereitung des Großereignisses. "Wir beobachten leider im Vorfeld der Organisation dieser EM ein Streben von vielen Personen in administrativen Schlüsselpositionen, möglichst Gelder abzuzweigen", sagt er.

Die Leute wollten in die eigene Tasche wirtschaften. Es gebe ein reges Interesse daran, durch die Europameisterschaft zu profitieren, aber sehr wenig Interesse daran, das Projekt EM gemeinsam voranzubringen. "Es würde sich viel verändern, wenn Präsident und Premierministerin gemeinsam an diesem Projekt arbeiten würden", glaubt Lange. Auch andere internationale Beobachter sind skeptisch, ob der Ball 2012 in der Ukraine tatsächlich rollen wird.

"Eine einmalige Chance"

Kamen Zahariev, Direktor der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Kiew, sieht das Land vor einer enormen Herausforderung. Er könnte Millionen von Euro für günstige Kredite zur Verfügung stellen, doch das Geld werde nicht abgerufen, beklagt der Banker: "Es gibt eine ganze Reihe von Hindernissen, weil der Reformprozess in der Ukraine nur langsam vorangeht. Und das bedeutet auch, dass viele Institutionen noch nicht in der Lange sind, langfristige Projekte zu formulieren und umzusetzen." Dabei wäre das Turnier die Chance für die Ukraine, sich als verlässlicher Partner darzustellen und für den ersehnten EU-Beitritt zu werben, sagt Zahariev.

UEFA-Präsident Michel Platini bei der Vergabe der EM im April 2007 in Cardiff
Bei der Vergabe der EM war UEFA-Präsident Platini noch optimistischBild: picture-alliance/ dpa

Box-Champion Vitali Klitschko, ein weiterer Nicht-Fußballer im ukrainischen EM-Organisationskomitee, erinnert sich noch gut an die WM 2006 in Deutschland. "Ich habe es selbst erlebt und weiß wie wichtig das für Deutschland war", sagt der Boxer. "Das ist eine einmalige Chance sich zu präsentieren und eine Chance für die Ukraine, die europäischen Standards einzuführen. Die EM kann uns viel näher an Europa bringen." Ein Verlust der EM und die Neuvergabe des Turniers wäre ein herber Rückschlag. Ex-Rennfahrer Jewgeni Chervonenko will davon nichts hören. Für ihn ist das Rennen noch nicht entschieden: "Ich sage immer: Wenn Du im Auto sitzt, darfst Du nie an einen Unfall denken!"

Ob die UEFA nun erneut drohen wird oder ihre Vergabeentscheidung neu überdenkt, bleibt offen. Michel Platini steht für Interviews während seines Besuchs in der Ukraine nicht zur Verfügung, heißt es lapidar aus dem UEFA-Hauptquartier in Genf.